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Fall Stephanie: Muss Kerner vor Gericht?

Im Prozess um die Entführung und Vergewaltigung der Dresdner Schülerin Stephanie hat der Verteidiger des Angeklagten beantragt, den Fernsehmoderator Johannes B. Kerner als Zeuge vor das Landgericht zu laden.

Dresden - Nach Ansicht der Verteidigung hat Kerner in einem am 16. September ausgestrahlten TV-Interview Stephanie mit seiner Fragestellung dazu gebracht, sich wie im Fall der entführten Österreicherin Natascha Kampusch den Tod ihres Peinigers zu wünschen. Das Interview habe die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte des Angeklagten angetastet. Dies sei eine Grenzüberschreitung der Medien in der Berichterstattung. Eine Entscheidung über den Antrag der Verteidigung steht noch aus.

Im Prozess wurden heute eine Stunde lang Auszüge aus Videos des Angeklagten gezeigt. Mario M. hatte die sexuellen Misshandlungen aufgezeichnet. Die Bänder wurden als Beweismaterial unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgeführt.

"Wir haben Unglaubliches gesehen"

Als Anwalt Ulrich van Jeinsen anschließend vor die Journalisten tritt, ist er sichtlich erschüttert. Die gezeigten Grausamkeiten hätten seine Befürchtungen und Vorstellungen übertroffen, sagt der Anwalt der Familie von Stephanie. "Es ist unglaublich, was wir gesehen haben", fügt er hinzu. Still sei es dabei im Saal gewesen.

Die Eltern, die als Nebenkläger auftreten, hatten vor dem Verhandlungssaal gewartet, denn die Videos wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt. Rund eine Stunde dauerte die Vorführung.

Beklemmend wird es auch, als im öffentlichen Teil der Verhandlung aus drei Briefen vorgelesen wird, die Stephanie während ihrer Gefangenschaft geschrieben hatte. In den an ihre Eltern gerichteten Schriftstücken, die später in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurden, fleht die Schülern, dass Gott ihr helfen möge, freizukommen und ihre Eltern bald wiederzusehen. Ihr Vater im Saal kämpft in diesem Moment mit den Tränen.

Zeugin: Mario M. führte nicht "das Leben eines Menschen seines Alters"

Eine als Zeugin geladene Bewährungshelferin von M. beschreibt den 36 Jahre alten Angeklagten vor Gericht als eigenwillige, kontaktarme, aber zielstrebige Person. Er habe nicht das Leben eines Menschen seines Alters geführt, sagt sie. Die Bewährungshelferin betreute M. von Mai 2002 bis Februar 2004 nach seiner Haftentlassung aus Bautzen, wo er wegen Vergewaltigung einer 14-Jährigen einsaß.

"Offen und bereitwillig" habe er ihr Anfang 2003 auch erzählt, dass er damals öfters Besuch von Mädchen bekommen habe, die seine Hunde spazieren führen wollten. Sie habe ihn auf die "gefährliche Situation" hingewiesen. Daraufhin habe man eine Regelung vereinbart, wonach keines der Mädchen einzeln und allein bei ihm in der Wohnung sein durfte. Daran habe sich M. ihres Wissens auch gehalten.

Der Angeklagte hatte zu Prozessauftakt gestanden, Stephanie im Januar entführt und 36 Tage lang in seiner Wohnung gefangen gehalten und sexuell missbraucht zu haben. (Von Sandra Hänel, ddp)

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