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Panorama: Fataler Gehorsam

Bericht zur Flugkollision am Bodensee veröffentlicht

Braunschweig/Zürich - Die Feststellungen der Untersuchungskommission kamen nicht überraschend, dennoch scheinen sie in Bern und Zürich wie eine Bombe eingeschlagen zu haben. Die Schweizer Flugsicherung trägt die Hauptverantwortung für die Flugzeugkollision am Bodensee, bei der vor knapp zwei Jahren 71 Menschen starben. Nachdem sich zehn der 19 im Untersuchungsbericht enthaltenen Sicherheitsempfehlungen auf Mängel bei Skyguide beziehen, sah sich Bundespräsident Joseph Deiss veranlasst, sich in einem Brief an den russischen Präsidenten Wladimir Putin formell für die Katastrophe zu entschuldigen. 69 der Opfer – darunter 45 Kinder – befanden sich an Bord der Tupolew Tu-154 der Bashkirian Airlines.

Eigentlich hätte das Unglück nicht geschehen dürfen. Fluglotsen sind gehalten, die von ihnen kontrollierten Maschinen in Höhe und Abstand so zu staffeln, dass kein Konflikt entstehen kann. Übersehen sie einen drohenden Konflikt, schlägt ein Warnsystem auf dem Radarschirm Alarm. Außerdem ist für alle größeren Flugzeuge in Europa ein Kollisionswarngerät vorgeschrieben, das den Piloten im Ernstfall unterschiedliche Kurse vorgibt. Doch am Abend des 1. Juli 2002 ging in Zürich alles schief. In der Kontrollzentrale, die nach einem Abkommen mit der Bundesrepublik auch für den südwestdeutschen Luftraum verantwortlich zeichnet, versah nur der Luftverkehrsleiter Peter N. seinen Dienst, ein Kollege machte eine – damals zulässige – Kaffeepause. Dabei waren die Radarsysteme wegen Wartungsarbeiten nur eingeschränkt nutzbar, doch niemand hatte den Lotsen darüber informiert. Die Telefonanlage war außer Betrieb und das bodenseitige Warnsystem funktionierte nicht. In dieser Situation musste N. noch an einen zweiten Bildschirm wechseln, um einen Jet zur Landung in Friedrichshafen einzuweisen. Die Tupolew und ein Boeing 757-Frachter der Deutsche Post-Tochter DHL rasten ungehindert aufeinander zu. Fluglotsen in Karlsruhe erhielten dagegen einen Alarm. Da sie keine Funkverbindung zu den Flugzeugen hatten, versuchten sie den Züricher Kollegen telefonisch zu warnen, vergeblich, denn es gab keine Verbindung.

Der Schweizer Fluglotse forderte die russischen Piloten zum sofortigen Sinkflug auf. Augenblicke später erteilte das bordeigene Warnsystem diesen das Kommando zum Steigflug, während die beiden DHL-Piloten ihrerseits einen Sinkbefehl erhielten. Den befolgten die Frachter-Piloten auch, während sich die Bashkirian-Crew nach kurzer Diskussion entschied, weiter dem Lotsen zu folgen, der seine Anweisung zum Sinken noch einmal mit Dringlichkeit wiederholte. Dieser Gehorsam gegenüber dem Fluglotsen führte zur Katastrophe.

Rainer W. During

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