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Favela

© dpa

Favelas: Mauern gegen die Armen in Rio

Rio de Janeiro will bis Ende des Jahres drei Meter hohe Mauern um 13 Favelas errichten lassen. Insgesamt sollen brasilianischen Medien zufolge rund zwölf Kilometer Beton die Bewohner der Armenviertel von ihrer wohlhabenden Nachbarschaft trennen. Umgerechnet 13 Millionen Euro gibt die Stadt für die Mauer aus, das Geld stammt aus einem Fonds für Naturschutz.

Die rund sechs Millionen Cariocas, wie die Einwohner von Rio sich bezeichnen, nennen ihre Stadt liebevoll einen „löchrigen Käse“, denn die einzelnen Stadtteile sind getrennt durch grüne Hügel. Verbunden sind sie über Straßentunnel. Hoch oben über der Stadt liegen die Armenviertel, und sie wachsen hinunter in die wohlhabenden Stadtteile. Nirgendwo sonst auf der Welt leben Arme und Reiche in einer derartigen Nachbarschaft zusammen. Tatsächlich hat die brasilianische Kulturmetropole seit langem ein schwelendes Gewaltproblem im gesamten Stadtgebiet. Die Drogenmafia hat die staatliche Kontrolle in den Armutsvierteln zum Teil ausgeschaltet.

„Diese Mauer soll die Menschen, die dort wohnen, schützen“, sagt Sergio Cabral, Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, gegenüber dem brasilianischen Fernsehsender TV Globo. Das klingt fast ein bisschen wie die Rechtfertigung des Berliner Mauerbaus. Da war auch von einem „Schutzwall“ die Rede.

Der Chef des Stadtbauamts, Icaro Moreno, beruft sich dabei auf den Umweltschutz. Durch die Mauer, sagt er, werde die wilde Abholzung des Regenwaldes bei der illegalen Ausdehnung der Favelas gebremst. Moreno bestreitet, dass die Mauer in Wahrheit dazu dienen soll, die Armut zu verstecken und die Armen aus den anderen Stadtgebieten fernzuhalten. Die Mauer sei Teil eines „stadtplanerischen Projektes“, das auch andere Vorteile bringen werde, sagt er: „Zum Beispiel entstehen auch Naturparks.“ Laut einer Umfrage der Zeitung „Folha de Sao Paulo“ sind Rios Einwohner in der Mauerfrage gespalten, wobei eine knappe Mehrheit das Vorhaben befürwortet. Die Bauarbeiten an der Rocinha, mit geschätzten 250 000 Bewohnern eines der größten Armenviertel der Welt, seien über eine Länge von 2,8 Kilometern im vollen Gange, berichtet der Fernsehsender TV Globo. Sie stoßen auf heftige Kritik bei den Favelabewohnern. „Die Mauer ist ein Symbol der Ghettoisierung von Menschen. Es gibt Alternativen für einen umweltgerechten Erhalt des Waldes“, sagt der Sprecher der Rocinha, Antonio Ferreira de Melo, im brasilianischen Fernsehsender TV Globo.

Auch international wird der Mauerbau als ein Schritt in die falsche Richtung kritisiert. „Wir hatten die Berliner Mauer, wir haben die Mauer in Palästina, und nun bauen sie Mauern in Rio de Janeiro“, sagte der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Jose Saramago gegenüber der britischen Zeitung „The Times“. „Diese Mauer ist Gewalt und wird mehr Gewalt produzieren“, meint Rainer Weißbach, Architekt am Bauhaus in Dessau. Das Bauhaus engagiert sich zusammen mit der Weltbank seit 2000 für die Öffnung der Rocinha und für gute Nachbarschaft. Die Argumente von Cabral und Moreno seien vorgeschoben, sagt Weißbach. In Wahrheit wollten sie schnelle Lösungen, um die ausufernde Kriminalität in den Griff zu bekommen.

Die Stadt gibt offiziell nicht zu, dass die Mauern der Abwehr von Kriminalität und Gewalt dienen. Aber es ist andererseits offenkundig, dass Rio bis 2014 sein Gewalt- und Kriminalitätsproblem lösen muss. Dann findet dort die Fußballweltmeisterschaft statt.

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