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Panorama: Feiern muss man können

Am Samstag startet das weltgrößte Volksfest in München, und die Tonlage steht bereits fest: Dur statt Moll

Von Mirko Weber, München

In Helmut Dietls auch schon wieder alter, aber durchaus nicht angejahrter, sondern im Gegenteil inhaltlich unverwüstlichen Serie „Monaco Franze“ gibt es den wundervollen Augenblick, in dem das Flugzeug mit Monacos „Spatzl“ Richtung Hamilton/Bermudas abhebt, derweil der treulose Gatte am noch frühen Herbstmorgen irgendwo in München-Riem auf einem kleinen Hügel steht und singt: „Drunt in der greana Au, steht a Birnbaum schee blau, juchhe“. Der Monaco pfeift also auf die Emigration Richtung Strand, denn sein föhniger Himmel über der heimischen Scholle ist ihm genug. Man möchte wetten, dass er zur Feier des Tages irgendwo auf der Wiesn einkehrt: wer früh kommt, hat immerhin Aussicht auf einen Platz im Zelt, auch wenn es noch nach Sagrotan riecht.

Die Filmmusik sieht in diesem Moment übrigens reines Dur vor. Derart untermalt wünscht sich der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude auch das diesjährige, nunmehr 169. Oktoberfest, welches heute eröffnet wird, und die „Molltöne“ (Ude) des letzten Jahres aussparen soll. Seinerzeit hatte sich nach dem 11. September die Frage gestellt, ob man denn überhaupt feiern dürfe, und wenn ja, wie? Das Ergebnis: Die Wiesn fand statt. Zumindest am Eröffnungstag gelang es, eine gewisse Besinnlichkeit zu verbreiten, die ausgerechnet vom amerikanischen Stammpublikum recht schnell wieder aufgehoben wurde. Die Touristen waren schließlich nicht aufs Oktoberfest gekommen, um griesgrämig in ihre Maß Bier zu stieren, und allmählich fanden auch die meisten anderen Besucher nicht mehr viel dabei, dass die Kapellen wie eh und je loslegten und lediglich „New York, New York“ aus dem Repertoire genommen hatten.

Gleichwohl lag ein Schatten auf der Wiesn. Das massive Polizeiaufgebot trug seinen Teil dazu bei, das Wetter ließ sich lumpen, und am Ende waren alle froh, das Oktoberfest einigermaßen überstanden zu haben. So gesehen ist es verständlich, dass die Wiesn-Leitung in diesem Jahr vollmundig die „Rückkehr zur Normalität“ propagiert und darauf hofft, dass beim Publikum ein gewisser Nachholbedarf vorhanden sein dürfte, was die Ausgelassenheit im Allgemeinen und das Ausgeben von neuem Geld im Besonderen betrifft. Um mit dem Wichtigsten zu beginnen – der Bierpreis pendelt sich bei rekordhaften 6,80 Euro ein, was jedoch keine Garantie für einen ganzen Liter im Maßkrug ist. Gerne wird in diesem Zusammenhang die Geschichte jenes legendären Schankkellners erzählt, der es schaffte, aus einem 200-Liter-Fass noch fast 90 Liter mehr zu holen, was dann den ebenfalls legendären Wiesn-Einschenk-Sheriff Peter Gauweiler auf den Plan gerufen hat. Diese Szene begab sich ungefähr zu den Zeiten, als der „Monaco“ gedreht wurde. Heuer herrscht auf der Wiesn Selbstkontrolle. Wer trotzdem moniert, darf sich nicht wundern, als „Preiß“ tituliert zu werden. Gastronomisch hinzugekommen ist die Erste Münchner Knödelei, die sich zwischen dem Lachs beim Käfer und den Angeboten der Traditionsgastronomen (Hendl bei 8, Schweinsbraten bei 15 Euro) einen kulinarischen Platz sichern möchte.

Wer es lieber wild mag, probiert hernach noch, ob es ihm beim Fahrgeschäft „Freestyle“ schlecht wird, wer zur stilleren Einkehr neigt, wird „Schleifers Carouselle“ aufsuchen. Dort neigen Holzpferdchenoriginale aus dem Jahre 1900 sanft den Hals. „Ozapft“ wird um 12 Uhr, wenn der OB Glück hat, braucht er wieder nur zwei Schläge. Wer seine Seele aus diesem oder aus anderen Gründen in Gefahr gebracht sieht, kann beim Wiesn-Pfarrer vorsprechen. Seine Auswahl mag als Beleg dafür gelten, dass es sich bei der Wiesn nicht nur um eine nationale bayerische Feier handelt. Der Geistliche stammt aus dem niederrheinischen Moers.

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