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Festnahme von Kartellboss: Kann Mexiko den Kampf gegen die Drogen doch gewinnen?

Seit Jahren kämpft Mexiko vergeblich gegen den Drogenschmuggel.  Doch nun wurde der Kopf eines wichtigen Kartells gefasst. Ist das die Wende?

Die Flucht von Miguel Angel Trevino endete auf einer kleinen Landstraße im Norden Mexikos. Ein Hubschrauber der mexikanischen Sicherheitskräfte hatte den Pritschenwagen entdeckt und mit ihm seine wertvolle Fracht: der berüchtigte Chef des mächtigen mexikanischen Drogenkartells „Los Zetas“ sowie einer seiner Finanzmanager und ein Leibwächter von „Z-40“, wie Trevino in Mexiko genannt wird. Die zwei Millionen Dollar Bargeld, die das Trio mit sich führte, sind angesichts der Milliardenumsätze nur ein Taschengeld.

Was bedeutet die Festnahme für die Situation in Mexiko?

Regierungssprecher Eduardo Sanchez bestätigte die spektakuläre Festnahme wenig später und betonte stolz, es sei kein einziger Schuss gefallen. Für den neuen mexikanischen Präsidenten Enrique Pena Nieto ist das vor allem ein politischer Erfolg, hatte er doch im Wahlkampf versprochen, dass seine Regierung die Sicherheitslage in Mexiko spürbar verbessern werde. Seit 2006 sind in Mexiko über 50 000 Menschen dem Drogenkrieg zum Opfer gefallen. Besonders betroffen von der Gewalt sind die vielen tausend illegalen Einwanderer aus Mittel- und Südamerika, die versuchen, sich unerlaubt über Mexiko in die USA durchzuschlagen. Viele von ihnen gehen der mexikanischen Drogenmafia ins Netz.

Frauen werden zur Prostitution gezwungen, Männer sollen als Drogenkuriere arbeiten. Weigern sie sich, werden sie von der Mafia ermordet. Genau dies wird Trevino zur Last gelegt. Vor drei Jahren soll „Z-40“ die Ermordung von 72 Einwanderern aus Mittelamerika in der Stadt San Fernando angeordnet haben. Das Massaker wurde weltweit mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Vor allem in Honduras und El Salvador trauerten die Menschen um ihre Angehörigen. Trevino pflegte seinen Ruf als sadistischer Mörder. Seine Brutalität, aber auch die Fähigkeit, mit rivalisierenden Banden strategische Bündnisse zu schmieden, haben seinen Aufstieg bis an die Spitze der „Zetas“ möglich gemacht.

Welche Rolle spielt Mexiko im internationalen Drogenhandel?

Die Festnahme von Trevino ist ein weiterer Erfolg in einer langen Reihe von beachtlichen Fahndungsergebnissen der Sicherheitskräfte in den beiden wichtigsten Drogenproduktions- und Transitländern Kolumbien und Mexiko. Offenbar verfügen die Fahnder über detaillierte Informationen über die Aufenthaltsorte der Drogenbosse. Mehr als ein Dutzend führender Kartellköpfe sind in den vergangenen Monaten den Sicherheitskräften ins Netz gegangen. Erst vor wenigen Tagen hatte die kolumbianische Polizei Roberto Pannunzi in Bogotá verhaften können.

Dies gilt als schwerer Schlag für den Drogenhandel nach Europa, soll der Italiener doch vor allem den Schmuggel über den Atlantik organisiert haben. Kolumbiens und Mexikos Kartelle sind eng verzahnt. Kolumbien gilt als wichtigster Kokainproduzent, Mexiko als Transitland Nummer eins in den wichtigsten Markt: die USA. Nach Angaben der europäischen Polizeibehörde Europol sind die führenden mexikanischen Kartelle „Los Zetas“ und „Sinaloa“ mittlerweile zu „globalen Marktkoordinatoren für den Kokainschmuggel nach Europa und Nordamerika“ geworden und versuchen auch in Europa zunehmend an Einfluss zu gewinnen.

Die Lateinamerikanischen Regierungschefs suchen nach Lösungen - Legalisierung könnte eine sein

Wird die Politik den Kampf gewinnen?

Ob der Drogenhandel damit insgesamt allerdings besiegt werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Kokain und Marihuana gelten weiterhin als die wichtigsten Drogen in den USA und Europa. Wahrscheinlicher ist, dass Mexikos Drogenkartelle einen ähnlichen Prozess durchlaufen wie Kolumbiens Drogenbanden. Deren Kartelle sind deutlich schlanker, in kleinere Zellen aufgeteilt und agieren lautloser als die erste Generation um den legendären Drogenbaron Pablo Escobar, der auch das Licht der Öffentlichkeit suchte.

Lateinamerikas Politiker suchen derweil quer durch alle politischen Lager nach einer anderen Lösung als der von der USA bevorzugten militärischen Strategie. Kolumbiens konservativer Präsident Juan Manuel Santos gehört zur Fraktion derjenigen lateinamerikanischen Politiker, wie Guatemalas Präsident Otto Perez Molina, ein ehemaliger General oder El Salvadors linksgerichteter Staatschef Mauricio Funes, die ein Umdenken in der bisherigen vor allem auf eine militärische Bekämpfung setzenden Strategie der Drogenmafia fordern. In Mexiko sind allein in den vergangenen sechs Jahren mehr als 50 000 Menschen dem Krieg gegen die Kartelle zum Opfer gefallen, ohne dass der Einfluss der Mafia spürbar gesenkt werden konnte. Die mittelamerikanischen Staaten leiden als Transitländer ebenfalls massiv unter der Gewalt der Drogenkartelle.

Kann die Legalisierung ein Ausweg sein?

Jüngst stellten Kolumbiens Präsident Santos und der Generalsekretär der Organisation amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, eine Studie vor, die im Wesentlichen drei Kernaussagen enthält: „Weichere Drogen“ wie Marihuana sollten legalisiert werden, um die Produktion, den Verkauf und den Konsum zu kontrollieren und sie so dem kriminellen Kreislauf zu entziehen. Drogenabhängigen soll ein besserer Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen ermöglicht werden. Sie sollen als Patienten und nicht als Kriminelle betrachtet werden. Und schließlich soll die Debatte auf dem gesamten amerikanischen Kontinent angestoßen werden. Dies richtet sich vor allem an die USA, die sich bislang weigerten, das Thema Drogenhandel auf die Agenda des vergangenen Amerika-Gipfels zu setzen.

Dem Vorschlag der Studie liegt die These zugrunde, dass sich der Anbau von Marihuana für die Drogenmafia nicht mehr lohnen würde, wären die Produktion und der Konsum legal. Die hohen Profite erwirtschaften die Kartelle dank eines hohen Straßenverkaufspreises, der den tatsächlichen Produktionspreis um ein Vielfaches übertrifft. Die finanzielle Grundlage des Drogenschmuggels wäre durch eine Regulierung des Marktes entzogen. Die Festnahme Trevinos ist allerdings ein Sieg der Befürworter der militärischen Strategie, die auf die jüngsten Fahndungserfolge im Kampf gegen die Drogenmafia verweisen. Ob der Fahndungserfolg daher der Debatte über eine Legalisierung von Drogen neuen Schwung verleiht, ist eher fraglich.

In Europa gilt Marihuana als die am weitesten verbreitete illegale Substanz. Der kontrollierte Anbau und Verkauf der Substanz in Lateinamerika hätte somit auch unmittelbare Auswirkungen auf Europa, das in diesem Falle dann flächendeckend nachziehen müsste. Dazu wäre allerdings eine radikale Kurskorrektur nötig. In der aktuellen EU-Drogenstrategie für die Jahre 2013 bis 2020 ist von einer Legalisierung illegaler Substanzen als mögliche Alternative keine Rede. Stattdessen empfiehlt die Strategie, bisherige Ansätze, wie die Zerstörung von Anbauflächen in den Herkunftsländern, fortzusetzen.

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