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Film: Brüder am Berg

Bergsteigerdrama: Joseph Vilsmaier verfilmt die Tragödie von Reinhold und Günther Messner. Am Nanga Parbat verlor Reinhold Messner vor fast 40 Jahren seinen Bruder an die höchste Eis- und Felswand der Welt.

Als Reinhold Messner zu verarbeiten versuchte, wie es 1970 zu der Tragödie am Nanga Parbat kommen konnte, an der er selbst beteiligt gewesen war, bei der er seinen jüngeren Bruder Günther verloren hatte und beinahe selbst umgekommen war, schrieb er hastig, wie er sagte, das „Drehbuch für einen ungedrehten Film“. Er ließ damals offen, ob er den Stoff überhaupt für verfilmbar hielt. Zweifel waren angebracht. Denn das Drama spielte sich nicht nur fern jeder zivilisatorischen Ordnung ab, es ereignete sich auch unter Umständen, die dem damals 25-jährige Messner als wichtigstem Zeugen den Verstand zu rauben drohten und seine Erinnerungen eintrübten. So stand seine Schilderung, die zunächst unter dem Titel „Die rote Rakete am Nanga Parbat“ erschien, lange in dem Ruf, widersprüchlich und konfus zu sein. Aber ein schlechter Stoff war sie nie.

Nun wird die Geschichte der Gebrüder Messner verfilmt, die sich in Zeiten der Studentenunruhen einer Expedition von Karl Maria Herrligkoffer anschlossen, um die Rupalwand am Nanga Parbat, die höchste Fels- und Eiswand der Welt – dreimal so hoch wie die Eigernordwand – als Erste zu durchsteigen. Regisseur Joseph Vilsmaier („Schlafes Bruder“, „Stalingrad“) hat bereits vergangenen Sommer am Bergmassiv des 8125 Meter hohen Nanga Parbat Aufnahmen gemacht. Mit Hubschraubern ließ sich das Filmteam bis auf 7000 Meter die Rupalwand hinauffliegen, um den wichtigsten Hauptdarsteller, den Berg, für ein möglichst imposantes Kinoereignis einzufangen. Dabei wurden markante Punkte der einstigen Aufstiegsroute aus der Luft gefilmt. Später sollen diese Landschaftsbilder mit Studioeinstellungen zusammenmontiert werden. Im Sommer stehen Dreharbeiten in Messners Südtiroler Heimat sowie am Ortler auf dem Plan, der in seiner Physiognomie dem Himalaya-Riesen am ehesten gleicht.

Das Brüdergespann wird von den zwei eher unbekannten jungen Schauspielern Florian Stetter (Reinhold) und Volker Bruch (Günther) verkörpert. Bergsteigerische Vorkenntnisse besitzen beide nicht. Oder sie prahlen zumindest nicht damit, als Messner bei der Vorstellung des „Nanga Parbat“-Projekts am Montag in der BMW-Filiale am Kurfürstendamm neben ihnen auf dem Podium sitzt. Der Extremkletterer, der seine eigene Rolle als „Zuträger und Beobachter“ beschreibt, sagt, dass es um klettertechnisches Handwerk nicht gehe bei diesem Film: „Mich interessiert die Psychologie“.

Im Dezember 2004 schrieb er Vilsmaier einen persönlichen Brief mit der Anregung einer Zusammenarbeit. Wie schwer sich dieser damit tat, lässt der jovial-bajuwarische Filmemacher nicht durchblicken. Dass sich aus Messners bewegter Lebensgeschichte für die Kinoleinwand vor allem die Episode seiner ersten Himalaya-Expedition eignen könnte, wird beiden bald klar. Etliche Drehbücher wurden verworfen. Der Stoff ist komplex und geht weit über das Themenspektrum eines Abenteuerfilms hinaus. Obwohl die Beteiligten das Gewicht der historischen Vorlage kleinreden und Messner beteuert, es handele sich bei dem Film nicht um eine „Rechtfertigung“, setzt sich mit „Nanga Parbat“ nun endgültig und noch wuchtiger als in Messners Büchern ohnehin seine Sicht der Dinge durch. Die war nach heftigen Auseinandersetzungen und juristischen Scharmützeln mit ehemaligen Berggefährten sowie dem Fund der sterblichen Überreste Günther Messners 2005 nicht mehr ernsthaft bezweifelt worden. Und doch holen Messner und Vilsmaier nun zu einer viel umfassenderen Neubewertung aus: Der Berg wird zur Arena der Super-Egos. „Wir gehen als Anarchisten in eine archaische Welt“, erklärt Messner die Motivation seinesgleichen, „in der es kein Regelwerk gibt.“

Herrligkoffers Unternehmung markierte das Ende der traditionellen Materialschlachten am Berg, die den Expeditionsleiter zum Feldherr stilisierten und den Berg zur „Blut- und Bodenlandschaft“ (Messner) erklärten. Mit den Messners tritt eine Generation von Bergsteigern auf den Plan, die sich nicht mehr von ideologischen Begriffen wie „Kampf“ und „Sieg“ leiten lässt und auch das autoritäre Gebaren von jemandem missbilligt, der ohne eigene bergsteigerische Erfahrung aus dem Basislager Befehle erteilt. Das führt zu untergründigen Spannungen, die schon früh Missverständnisse und Rivalitäten innerhalb der Gruppe schüren. Als die Expedition zu scheitern droht, reißt Reinhold Messner die Geschicke an sich. Er drängt trotz des aufkommenden schlechten Wetters auf einen Vorstoß – allein. Womit er nicht rechnet: Günther fühlt sich zurückgesetzt und steigt dem Bruder hinterher.

So nimmt seinen Lauf, was Messner „Schicksalsgeschichte“ nennt. Fragen danach, ob ihn die filmische Adaption dieses finstersten Kapitels seiner Heldenvita nicht aufwühlen würde, übergeht er. Unsentimental wie er ist, erlaubt er sich nicht, in solchen Kategorien zu denken. Der Ursprung für diese Kälte liegt am Nanga Parbat. Vielleicht könnte der Film, der 2010 ins Kino kommen soll, ein klares Bild von der Beziehung zweier Brüder zeichnen, für die Klettern Freiheit ist und die in ständiger Konkurrenz zueinander an den Punkt gelangen, da einer für den anderen etwas aufgeben müsste.

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