zum Hauptinhalt
Glücklich nach der Ankunft auf Lampedusa. Tina Rothkamm mit ihrer Tochter Amira. Die Mutter gab anschließend auf der Insel eine Pressekonferenz.

© AFP

Flucht aus Tunesien: Nur mit meiner Tochter

Wie Tina Rothkamm die neunjährige Amira ihrem Ex-Mann in Tunesien entriss und mit Afrikanern nach Lampedusa flüchtete.

Tina Rothkamm und ihre neunjährige Tochter Amira sind nach einer spektakulären Odyssee sicher in ihrer Heimat angekommen. Der neue Lebensgefährte der 40-Jährigen nahm die beiden am Mittwochabend auf dem Düsseldorfer Flughafen in Empfang. Sie waren mit einem der vielen überfüllten Flüchtlingsboote über das Mittelmeer aus Tunesien geflohen. Doch nicht etwa vor den politischen Verhältnissen in dem nordafrikanischen Land, sondern vor Rothkamms Ex-Mann, Amiras Vater. Dieser sei gewalttätig gewesen und habe ihr ihre Tochter wegnehmen wollen, sagte Rothkamm bei einer Pressekonferenz nach ihrer Rettung auf Lampedusa.

„Carrette del mare“ – zu Deutsch Meer-Wägelchen. So nennen die Italiener die Flüchtlingsboote, die regelmäßig voll beladen mit afrikanischen Flüchtlingen auf Lampedusa landen. Im Moment befinden sich nach Angaben der „Waz“ mehrere tausend Flüchtlinge auf der Insel. Mit einem dieser überladenen Seelenverkäufer legten auch Rothkamm und ihre Tochter die 130 Kilometer zwischen der tunesischen Insel Djerba und Lampedusa zurück.

Aufgebrochen waren sie am vergangenen Samstag. Am Strand von Djerba habe sie ihr Leben und das ihrer Tochter einer Gruppe tunesischer junger Erwachsener anvertraut. 2000 Euro habe sie den Schleppern in bar gegeben und dafür einen Platz auf dem schwankenden Boot bekommen. Mehr als 20 Stunden später erreichten sie Lampedusa. „Müde, verängstigt und unterkühlt“ beschrieb sie die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“. Im Gegensatz zu den anderen Flüchtlingen, die in einem Auffanglager Unterschlupf fanden und wahrscheinlich schon bald in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, wandte sich Rothkamm an die deutsche Botschaft und verbrachte die Nacht in einem Hotel.

Überfüllt mit afrikanischen Flüchtlingen. Mit einem solchen Seelenverkäufer kamen die Rheinländerinnen in Lampedusa an.
Überfüllt mit afrikanischen Flüchtlingen. Mit einem solchen Seelenverkäufer kamen die Rheinländerinnen in Lampedusa an.

© AFP

Die dramatische Geschichte von Mutter und Tochter begann aber schon lange vor der Flucht. 2007 habe sie sich von ihrem damaligen Mann, einem tunesischen Arzt scheiden lassen. Wie die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ berichtete, hatte ein tunesisches Gericht das Sorgerecht dem Vater zugesprochen. Ein deutsches Gericht hingegen habe der Mutter Recht gegeben. Seitdem habe sie versucht, ihre Tochter zurückzuholen. In diesem Jahr drohte die Situation zu eskalieren. „Mein Ex-Mann wollte mir meine Tochter für immer wegnehmen“, zitiert die „Waz“ Tina Rothkamm.

Daraufhin sei sie nach Djerba gereist, um Amira zurückzuholen. Die beiden seien schon auf dem Weg zum Flughafen gewesen, als ihnen die tunesische Polizei ihre Ausweise abgenommen und sie so an der Ausreise gehindert habe. Rothkamm ist sich sicher, dass ihr Ex-Mann dahintersteckte: „Er wollte unsere Ausreise verhindern.“ Daraufhin flüchtete Rothkamm mit ihrer Tochter ins Hinterland. Sie wollte versuchen, sich irgendwie nach Libyen durchzuschlagen, um dort in der deutschen Botschaft Zuflucht zu suchen. Doch die Eskalation der Gewalt in Libyen machten ihren Plan zunichte. Inzwischen ließ ihr Ex-Mann in Tunesien nach ihr suchen. In ihrer Not entschied sich Rothkamm zur gefährlichen Flucht übers Meer – zusammen mit den vielen afrikanischen Flüchtlingen.

Mittlerweile hat sich Sma Faouzi, Rothkamms Ex-Mann, zu Wort gemeldet und die Darstellung Rothkamms zurückgewiesen. Es sei alles ganz anders gewesen, sagte er der „Waz“. „In erster Instanz hat sie Recht bekommen“, sagte der 40-Jährige. Doch anstatt Amira mitzunehmen, sei sie alleine nach Düsseldorf zurückgeflogen, „weil sie von ihrem neuen Freund schwanger war und keine Zeit hatte.“ Das nächsthöhere Gericht habe ihm das Sorgerecht zugesprochen. Erst danach sei Rothkamm wieder nach Tunesien gekommen. Sie sei mit der Tochter in den südtunesischen Bergen verschwunden. Erst auf den Fernsehbildern von Lampedusa habe er seine Tochter wiedergesehen. Warum Rothkamm die riskante Überfahrt gewagt habe, wisse er nicht. Er sagt, er hätte seine Tochter auch so ziehen lassen.

Wer auch immer der beiden recht hat – Tina Rothkamm und ihre Tochter haben die gefährliche Fahrt überlebt. „Ich bin überglücklich, dass wir es jetzt geschafft haben.“

Moses Fendel

Zur Startseite