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© dpa

Flugsicherheit: Auf Flugnummer sicher

Gemessen an der Zahl der Passagiere ist die Zahl der Opfer von Abstürzen und Bruchlandungen verschwindend gering. Ein einzelner Absturz einer größeren Maschine kann die Statistik entscheidend verändern und damit den falschen Eindruck erwecken.

Bordcomputer, die versagen, schlecht geschulte Piloten, überlastete Fluglotsen und Airlines, die angesichts der Wirtschaftskrise bei der Wartung sparen. An Vorurteilen mangelt es nicht angesichts der jüngsten Häufung von Unfällen im Luftverkehr. In diesem Jahr starben weltweit bereits 723 Menschen bei Flugzeugabstürzen und Bruchlandungen, im gesamten Jahr 2008 waren es nach der Statistik des Hamburger Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre (JACDEC) nur 598.

Dennoch ist die Zahl verschwindend gering, immerhin reisten im vergangenen Jahr rund um den Globus knapp 2,29 Milliarden Menschen mit dem Flugzeug. In der jüngsten Vergangenheit sind die Unfallzahlen bei permanent steigendem Verkehrsaufkommen deutlich zurückgegangen. 1990, als mit knapp 1,16 Milliarden Passagieren nur halb so viele Fluggäste befördert wurden wie heute, kamen nach Angaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO auf zehn Millionen Starts noch 19 Unfälle. 2008 waren es nur noch vier.

Dabei gibt es regional deutliche Unterschiede, die verdeutlichen, wie ernst es die Airlines mit der Sicherheit und die jeweiligen Behörden mit der Aufsicht nehmen. Über die Jahre 2001 bis 2008 gerechnet, gab es nach einer Statistik der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA die niedrigste Unfallquote in Nordamerika mit 1,9 tödlichen Unfällen pro zehn Millionen Flügen, gefolgt von Ostasien (2,9) und den EASA-Staaten (EU plus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz) mit 3,6. Die größte Wahrscheinlichkeit, bei einem Flugzeugunglück ums Leben zu kommen, besteht in Afrika (48,1), dem Rest von Europa (25,6) sowie West- und Zentralasien (20,6).

Ein einzelner Absturz einer größeren Maschine kann die Statistik entscheidend verändern und damit den falschen Eindruck einer entscheidenden Verschlechterung der Flugsicherheit erwecken. So starben im vergangenen Jahr an Bord von in den EASA-Staaten registrierten Flugzeugen 160 Passagiere, im Durchschnitt der letzten Dekade waren es nur 105 pro Jahr. Tatsächlich waren hier 2008 aber nur drei tödliche Unfälle zu beklagen, und 154 der Opfer starben allein beim Crash einer startenden MD-82 der Spanair am 20. August in Madrid.

Ein Phänomen, für das es keine Erklärung gibt, ist die Tatsache, dass es häufig in kurzen Zeitabständen rund um den Globus zu mehreren schweren Flugzeugunglücken kommt, die jeweils in keinerlei Zusammengang stehen. So gab es 2008 nach dem Spanair-Crash binnen eines Monats sechs weitere Katastrophen mit 189 Toten. Und in diesem Jahr ereigneten sich nach dem Absturz des Air-France-Airbusses am 1. Juni über dem Südatlantik bereits sieben Unfälle mit 357 Opfern, darunter die Abstürze eines Airbus A310 der Yemenia vor den Komoren (152 Tote) und einer Tupolew Tu-154M der Caspian Airlines im Iran (168 Tote).

Nicht zuletzt der mysteriöse Absturz des A330 der Air France hat zu vielen Spekulationen über die Sicherheit von Flugzeugen geführt, in denen immer mehr Elektronik die klassischen Systeme ersetzt. Das automatische Mitteilungssystem der Air-France-Maschine hatte vor dem Crash unter anderem den Ausfall von Autopilot, automatischer Schubregelung und Fluglageanzeige gemeldet sowie widersprüchliche Geschwindigkeitsangaben übermittelt.

Wiederholt hat es zuvor bei A330-Flugzeugen Fehlfunktionen der Bordcomputer gegeben. Im Oktober 2008 sackte deshalb eine Maschine der australischen Qantas auf dem Flug von Singapur nach Perth um rund 200 Meter ab, bevor sie von den Piloten abgefangen werden konnte, 14 Menschen an Bord wurden verletzt. Ein ursächlicher Zusammengang zwischen Flugzeugabstürzen und Fehlfunktionen von Bordcomputern ist indessen bisher nicht nachgewiesen. Was letztendlich die Katastrophe über dem Südatlantik verursachte, bleibt rätselhaft. Flugdatenschreiber und Cockpit-Tonband der Maschine liegen auf dem Meeresgrund und konnten bisher nicht geortet werden.

Katastrophen, zu denen überlastete Fluglotsen beitragen, wie die Kollision zweier Jets 2002 über dem Bodensee, sind eine absolute Ausnahme. Bei 3,15 Millionen Flügen im deutschen Luftraum gab es im vergangenen Jahr nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) nur eine gefährliche Annäherung von Luftfahrzeugen, bei der die unmittelbare Gefahr eines Zusammenstoßes bestand. Nach einem Beinahe-Zusammenstoß am Frankfurter Flughafen am 18. Juli wurden vier Fluglotsen, die ihre Arbeitsplätze nicht vorschriftsmäßig besetzt hatten, vom Dienst suspendiert.

Auch die beste Überwachung bleibt lückenhaft. So hatte die EU nach scheinbaren Verbesserungen von einem Einflugverbot für die jemenitische Fluggesellschaft Yemenia abgesehen, nachdem diese nur noch einwandfreie Flugzeuge nach Europa schickte. Der Airbus A310, der auf dem Flug von Sanaa zu den Komoren abstürzte, war indessen zuvor bei Landungen in der EU bemängelt worden.

Rainer W. During

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