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Panorama: Flut vor den Werkstoren

Hochwasser nun auch in Sachsen-Anhalt: Ist nach dem Dammbruch bei Bitterfeld der Chemiepark in Gefahr?

Von E. Löblich, Magdeburg,

und R. Hübner, Dresden

Das Hochwasser in Europa droht nicht nur Häuser und Autos wegzureißen, mit der Flut steigt auch die Gefahr, dass Giftstoffe in die Umwelt gelangen. In der Nähe von Bitterfeld in Sachsen-Anhalt brach am Donnerstag ein Deich. Nach Angaben des Ministeriums rutschte zwischen den Orten Pouch und Lößnitz der Damm über 250 Meter ab. Dadurch fließe das Wasser der Mulde in die Goitsche und drohe in die Stadt zu schwappen. Im Chemiepark von Bitterfeld waren frühzeitig Vorkehrungen gegen die Fluten getroffen worden. Vorerst blieb das Gelände trocken. Der Geschäftsführer wollte jedoch keine Entwarnung geben: „Die Gefahr ist noch nicht vorüber“, sagte Matthias Gabriel. Nach dem Dammbruch begannen in Bitterfeld die ersten Evakuierungen. Ein Sprecher der Stadt hatte vorher angekündigt, dass zur Not ganz Bitterfeld evakuiert werden müsse: „Wir rechnen mit dem Schlimmsten.“

Seit gestern Vormittag gilt in Magdeburg Katastrophenalarm. „Was wir hier in der Stadt erwarten, dürfte die höchste bekannte Elbeflut in der Geschichte sein“, sagte Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) am Donnerstag. Bis zum Sonnabend müssen alle elbnahen Stadtteile evakuiert werden. „Das bedeutet, dass mehr als 20 000 Einwohner in Sicherheit gebracht werden müssen“, so Trümper.

Der siebte Sachsen-Anhalt-Tag, das traditionelle Landesfest, das am Wochenende gefeiert werden sollte, ist von der Landesregierung kurzfristig abgesagt worden. „Jetzt ist eher die Zeit zu helfen, wo es nötig ist“, sagte der Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, „zum Feiern werden wir ein anderes Mal mehr Zeit haben“.

Bereits am Donnerstag hat mit Unterstützung des Technischen Hilfswerkes die Evakuierung der Pfeifferschen Stiftungen begonnen, einem konfessionellen Krankenhaus, nebst angeschlossenem Pflegeheim und mehreren Behinderteneinrichtungen.

Auch in anderen Regionen Sachsen-Anhalts, etwa in den Kreisen Wittenberg, Bitterfeld und in der Stadt Dessau herrscht Katastrophenalarm. „Wir haben 400 000 Sandsäcke bestellt, um die Stadt halbwegs zu sichern“, sagte ein Sprecher der Stadt Wittenberg, die ebenfalls unmittelbar am Elbufer liegt. In der Nähe von Dessau wurden neben Mitarbeitern des THW und der Bundeswehr auch Strafgefangene für den Kampf gegen die Fluten eingesetzt. Dort war ein Klärwerk bedroht.

Auch in Dresden stieg der Pegel unaufhörlich, fünf Zentimeter in der Stunde. Donnerstagmittag wurde die Marke von acht Metern überschritten. Experten rechnen mit einem Stand von etwa 8,70 Meter am heutigen Freitag. Am Wochenende könnte der Pegel die Marke von neun Meter erreichen. Treffen diese Angaben zu, ist vor allem in den Dresdner Außenbereichen, aber auch in Teilen der Innenstadt mit schweren Überflutungen zu rechnen.

Rund 30 000 Einwohner aus den nahe beieinander liegenden Städten Pirna und Heidenau müssen ihre Wohnungen verlassen. DieBergung der Bewohner durch die Bundeswehr, unterstützt von Einheiten der US-Luftstreitkräfte aus Bayern, wurde noch am Donnerstag Abend eingeleitet. Geplant war, die Menschen in Zeltstädten in der Nähe unterzubringen, wo keine Hochwassergefahr besteht.

Aus den Dresdner Krankenhäusern wurden 430 Herz- und Intensivpatienten mit Hilfe der Bundeswehr nach Leipzig, Hamburg, Berlin und Köln ausgeflogen. Das Uni-Klinikum, das in Elbnähe liegt, und das Krankenhaus Friedrichstadt wurden fast ganz geräumt. Ein seit Beginn der Katastrophe in Sachsen vermisster Feuerwehrmann (35) aus Graupa wurde tot geborgen. Auf tschechischem Gebiet haben sich Boote und in Sachsen Pontons losgerissen.

Durch die Überflutung einer Chemiefabrik nördlich von Prag droht in Tschechien eine Umweltkatastrophe: Nach der Überschwemmung der Firma Spolana gaben die Behörden am Donnerstag Chloralarm. Über dem Gelände der Fabrik hing nach Angaben von Greenpeace eine dicke gelbe Wolke. Nach Angaben von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bestand keine akute Gefahr für Deutschland. Während sich in Prag am Donnerstag die Lage entspannte, schwappte die Flutwelle weiter in nördliche tschechische Regionen.

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