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Frankreich: Berufungsprozess um Erschießung von Sonnentemplern

Die mysteriöse Erschießung von 16 Anhängern der Sonnentempler-Sekte Mitte der 90er Jahre beschäftigt erneut die französische Justiz. Dirigent Michel Tabachnik wird Anstiftung zu den Bluttaten vorgeworfen.

Paris - Vor Gericht im südostfranzösischen Grenoble begann das Berufungsverfahren gegen den Schweizer Dirigenten Michel Tabachnik. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Anstiftung zu den Bluttaten und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Ende 1995 waren im Vercors-Massiv nahe Grenoble 16 Sonnentempler erschossen aufgefunden worden, darunter drei Kinder.

Unter Tränen machte der 63-jährige Tabachnik im Gerichtssaal Angaben zu seiner Person. Danach erörterte das Gericht die Bluttat. Ende 1995 waren auf einer Lichtung im so genannten Höllenloch des Vercors-Maffivs die Leichen der Sonnentempler gefunden worden. Gerichtsmediziner stellten fest, dass 14 der Opfer unter starkem Medikamenteneinfluss standen, als sie mit Schüssen aus zwei Pistolen in den Kopf getötet wurden. Ihre Leichen waren in einem Kreis angeordnet und angezündet worden. Die Leichen der beiden Anführer der Gruppe lagen abseits, in ihrer Nähe die für die Tat verwendeten zwei Revolver.

Freispruch aus Mangel an Beweisen

Zwischen Oktober 1994 und Dezember 1995 starben in der Schweiz, Frankreich und Kanada 68 Sonnentempler eines gewaltsamen Todes, darunter Sektenchef Joseph Di Mambro und sein Prediger Luc Jouret, die sich bereits im Oktober 1994 in der Schweiz das Leben nahmen.

Nach dem Freispruch Tabachniks aus Mangel an Beweisen 2001 war die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen. Sie bezichtigt den Dirigenten, der jahrelang in engem Kontakt zum Sonnentempler-Guru Di Mambro stand, in seinen Schriften zu einem "Flug zum Sirius", also zum Selbstmord, aufgerufen zu haben. Damit habe er eine "tödliche Dynamik" bei den Sonnentemplern ausgelöst. Im ersten Prozess vor fünf Jahren hatte die Staatsanwaltschaft daher fünf Jahre Haft für Tabachnik gefordert. Der Anwalt Alain Leclerc, der die Familien mehrerer Opfer vertritt, sagte, es gebe in dem Fall neue Hinweise, die untersucht werden müssten, insbesondere was die Finanzierung der Sekte angehe. Er verlangte deshalb neue Ermittlungen.

Tabachnik, der bis Anfang der 80er Jahre das Philharmonie-Orchester von Metz leitete und dann als freier Dirigent arbeitete, ist zur Zeit Chefdirigent des Noord Nederlands Orkest im niederländischen Groningen. Der Musiker ist der Einzige, der je wegen der Bluttaten der Sonnentempler vor Gericht stand. Für den Prozess sind zwei Wochen angesetzt. (tso/AFP)

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