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Panorama: Freitag, der 13.

Die Templer waren einer der mächtigsten Orden ihrer Zeit. An einem einzigen Oktobertag 1307 wurden die Ritter verhaftet. Ihr Untergang inspiriert bis heute Bestseller-Autoren wie Dan Brown.

Gerade einen Monat hatte Frankreichs König Philipp IV., „der Schöne“, seinen Amtsträgern Zeit gegeben, um die Aktion vorzubereiten. Der Apparat arbeitete schnell, effizient - und unter strengster Geheimhaltung. Nur so konnte der Coup gelingen: die flächendeckende Verhaftung der französischen Tempelritter. Am Freitag, dem 13. Oktober 1307, wurden die Niederlassungen der Templer in Frankreich umstellt, ihre Bewohner gefangen genommen. Rund 1000 Ordenshäuser waren von dieser Aktion betroffen. Allein in Paris fanden sich 138 Tempelritter in den Kerkern des französischen Königs wieder, darunter mit Jacques de Molay der Großmeister des Ordens.

Es spricht einiges dafür, dass es dieser Oktobertag vor fast 700 Jahren war, weshalb ein Freitag, der 13. nicht nur in Frankreich als Unglückstag gilt. Der Prozess gegen die Templer gehört zu den wenigen Ereignissen des europäischen Mittelalters, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben haben. Denn mit den Templern saß nicht irgendeine drittklassige Gemeinschaft auf der Anklagebank. Der Orden der „armen Ritter Christi vom Tempel Salomon“, dessen Basis sich einst in der heutigen Al-Aksa-Moschee auf dem Jerusalemer Tempelberg befand, stellte so etwas wie die Speerspitze der christlichen Ritterschaft dar. Über fast 200 Jahre hatten die frommen Ritter, Schätzungen schwanken zwischen 8000 und 15 000 Mann, kaum ein Gefecht im Heiligen Land ausgelassen. Überdies verfügte die Ordensgemeinschaft über beträchtliche Mittel. Immer wieder hatte sie den französischen Königen aus finanziellen Nöten geholfen, seit 1305 gar als Hüterin des Staatsschatzes fungiert.

Wie konnte solch eine Macht innerhalb eines Tages gebrochen werden? Bereits die Zeitgenossen glaubten die Geschehnisse nur unter Rückgriff auf Verschwörungstheorien überzeugend erklären zu können. Und schnell glitten die Theorien in den Bereich des Irrationalen und Fantastischen ab, verschmolzen im Lauf der folgenden Jahrhunderte zu einem schwer zu entwirrenden Konglomerat von Realität und Fiktion, in dem verborgene Schätze sowie geheimes und in geschlossenen Zirkeln tradiertes Wissen eine maßgebliche Rolle spielte. Ein Durcheinander, in dem sich auch Dan Brown bei der Abfassung seines Bestsellers „Sakrileg“ bediente, dessen Verfilmung kommende Woche in die Kinos kommt. Browns 600 Seiten lassen sich auf einen einzigen Aspekt verkürzen: die Suche nach dem Heiligen Gral. Und gehütet wird dieses Geheimnis von einer verschwiegenen Bruderschaft, die – soweit Browns Fiktion – auf die Templer zurückgeht.

Die Anfänge des realen Ordens sind schwer zu fassen. Um 1120 verbanden sich französische Ritter zu einer Genossenschaft, deren Ziel der Schutz der Jerusalem-Pilger und des Grabes Christi war. Europa kannte zu dieser Zeit eine Vielzahl religiöser Gemeinschaften, die ihr Leben nach den drei Gelübden Keuschheit, Armut und Gehorsam ausrichteten. Neu bei den Templern war die Verbindung dieser drei herkömmlichen Gelübde mit einem vierten: dem bewaffneten Kampf.

Den Templern gelang es, sich der Fürsprache einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der damaligen Zeit zu versichern. Ab 1139 unterstanden sie dem Papst allein, waren den jeweiligen örtlichen Bischöfen nicht mehr rechenschaftspflichtig und unterlagen auch nicht mehr deren Gerichtsbarkeit. Reiche Schenkungen flossen einer Gemeinschaft zu, die neben den Niederlassungen im Heiligen Land über ein weit gespanntes Netz von Besitzungen in ganz Europa verfügte, was die rasche Mobilisierung von Ressourcen an Menschen und Material ermöglichte. Matthew Paris, ein zeitgenössischer englischer Chronist, schreibt, die Templer hätten in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts über 9000 Herrensitze in der christlichen Welt verfügt. Neuere Forschungen haben ergeben, dass zum Zeitpunkt der Auflösung des Ordens in England immerhin rund 40, in Aragon und Katalonien ebenfalls 40, in Frankreich sogar über 1100 Komtureien existierten. Dass der finanzielle Verkehr innerhalb dieses Netzes erstaunlich effizient abgewickelt und insbesondere beim Transfer großer Summen auf das zurückgegriffen wurde, was bei italienischen Bankhäusern unter dem Begriff „Wechsel“ firmierte, blieb schon damals nicht unbemerkt.

Die Blütephase sollte nicht lange währen. Mit dem Zusammenbruch der lateinischen Herrschaft im Heiligen Land – als letzter Stützpunkt fiel 1291 die Hafenstadt Akkon – wurden gleichzeitig auch die materiellen und ideologischen Grundlagen des bisherigen Handelns zerstört. Der von großen Verlusten begleitete Rückzug aus dem Heiligen Land musste sich auf das Selbstverständnis eines Ordens auswirken, der zwar sowohl im Okzident als auch im Orient verankert war, dessen raison d’ être jedoch eng mit Palästina zusammenhing.

Die beiden anderen in Palästina agierenden Ritterorden hatten den Zusammenbruch der lateinischen Herrschaft zu einer Neuorganisation genutzt: Der Deutsche Orden fand ein neues Einsatzgebiet in Preußen, die Johanniter schufen sich auf der Insel Zypern ihr neues Zentrum. Die Templer aber hatten es in Frankreich nun mit jemandem zu tun, der ihnen den Machtanspruch streitig machte.

Über die Gründe, die 1307 zu einer flächendeckenden Verhaftung aller Templer im Königreich Frankreich führten, spekulieren die Forscher nach wie vor. Dem König, Philipp IV., war es in einer logistischen Meisterleistung gelungen, einen Orden auszuschalten, dessen Macht man immer noch als gleichsam gottgegeben ansah. Der Reichtum der Templer war sprichwörtlich, so dass ein erster Grund für die Verhaftungswelle unmittelbar einsichtig erscheint: Philipp IV. wollte die Schätze der Templer zur Sanierung der Staatsfinanzen nutzen. Tatsächlich präsentieren sich die historischen Fakten so eindeutig nicht. Historiker wie Peter Partner sprechen optimistisch davon, der Orden habe zum Zeitpunkt seiner Auflösung über 150 000 Goldflorin an flüssigen Mitteln verfügt, was in etwa der Hälfte des englischen Staatshaushalts jener Zeit entspricht. Seriösere Schätzungen setzen die Summe niedriger an, gehen davon aus, dass sie an der desaströsen Lage der französischen Staatsfinanzen kaum etwas geändert hätte.

Da man den Templern jedoch stets unterstellte, im Besitz unermesslicher Schätze zu sein, blieb nur eine einzige Erklärung: Sie mussten die Schätze vor ihrer Verhaftung in Sicherheit gebracht haben. Seltsam nur, dass von dieser Rettungsaktion zwar die Mobilien und Gelder, nicht aber die Personen selbst betroffen waren. Doch nach wie vor glauben viele an die Existenz des sagenumwobenen Templerschatzes: In der nördlich von Paris gelegenen Burg von Gisor ist deshalb in den letzten Jahrzehnten kein Quadratzentimeter Kellergewölbe ununtersucht geblieben – ohne Erfolg.

Ein zweiter Grund hängt eng mit der Ausbildung und Konsolidierung der administrativen, militärischen, ja auch ideologischen Strukturen des französischen Königreichs zusammen. Hier entstand die Frühform dessen, was später mit dem Begriff „Nationalbewusstsein“ belegt werden sollte. Für einen schlagkräftigen, von königlicher Gerichtsbarkeit unabhängigen Orden, der als Staat im Staate agierte, war in dieser Konzeption kein Platz.

Drittens sollte man die persönliche Frömmigkeit des französischen Königs nicht ganz unberücksichtigt lassen. Philipp IV. wollte jedoch mehr als die bloße Reform eines einzelnen, vom rechten Wege abgekommenen Ordens. Was ihm vorschwebte, war die Verschmelzung aller Ritterorden zu einer einzigen, schlagkräftigen Gemeinschaft. Nur so wäre es überhaupt möglich gewesen, einen neuen Kreuzzug zur Rückgewinnung des Heiligen Landes mit Aussicht auf Erfolg zu führen. Und Philipp wäre nicht abgeneigt gewesen, sich an die Spitze eines solchen Unternehmens zu stellen.

Grundlage der konzertierten Verhaftungsaktion waren Vorwürfe, die dem König der aus dem südfranzösischen Béziers stammende Esquiu de Floryan vorgelegt hatte. Der Mann, eine Art Agent provocateur, hatte bereits einige Jahre zuvor versucht, sein vermeintliches Wissen beim König von Aragon zu Geld zu machen. Doch erst bei Philipp IV. hatte Floryan Erfolg.

Im Einzelnen wurden dem Orden Hochmut und Geiz vorgeworfen, was ohne Zweifel die Realität vielerorts recht genau beschrieb, war der Orden doch – vorsichtig ausgedrückt – finanziell saturiert und dafür bekannt, auf einmal gewährte Privilegien rücksichtslos zu pochen. Gefährlicher war die Anschuldigung, im Orden würde nicht nur Homosexualität praktiziert, sondern die Göttlichkeit Christi verleugnet. Häresie hieß das damals. Der Papst, vom französischen König über die in größter Geheimhaltung vollzogenen Vorbereitungen zur Verhaftung der Templer im Unklaren gelassen, war nun gezwungen, den Vorwürfen im Rahmen eines Inquisitionsprozesses nachzugehen.

Die Schergen des Königs lieferten dazu die Vorarbeit: Mit Ausnahme von vier Rittern legten alle 138 der zwischen dem 13. Oktober und dem 24. November 1307 in Paris verhörten Templer ein Geständnis ab und erklärten sich häretischer Praktiken für schuldig, darunter auch der Großmeister Jacques de Molay. Dass dieses Geständnis nicht das Ergebnis rücksichtsvoller Befragungen, sondern massiver Folter war, liegt auf der Hand.

Clemens V., der ehemalige Bischof von Bordeaux, der als Papst Rom nie betreten hatte und seinen Amtssitz ins französische Avignon verlegen sollte, schien vor vollendete Tatsachen gestellt. Doch seine Reaktion zeigte eine Entschlossenheit und Unabhängigkeit, die den französischen König sicherlich überrascht haben dürfte. Gereizt warnte er Philipp IV. vor einem vorschnellen, die Kirche nur pro forma mit einbeziehenden Verfahren. Es gelang dem Papst sogar, das Verfahren an sich zu ziehen und die weiteren Untersuchungen Gremien zu übertragen, deren Mitglieder von ihm selbst ernannt werden sollten. Das Urteil über den Großmeister und andere hohe Würdenträger behielt er sich gar selbst vor.

In England, Spanien, Norditalien und auch Deutschland gelang es den meisten Templern, die gegen sie gerichteten Vorwürfe zu entkräften, dem Kerker oder gar der Hinrichtung zu entgehen. Den französischen Templern nutzte die Intervention des Papstes nichts. Zu stark war dort Philipps Einfluss.

Unter dem Druck Philipps IV. war Clemens V. schließlich auf dem Konzil von Vienne 1312 dazu gezwungen, entgegen dem Urteil der versammelten Bischöfe die Auflösung des Ordens vorzunehmen.

Das Verfahren gegen die Templer gehört zu den wenigen Prozessen des Mittelalters, für die – der päpstlichen und französischen Bürokratie mit ihrem Hang zur Archivierung von Dokumenten sei Dank – die Quellenlage hervorragend ist. Bis vor kurzem schien die Sache deshalb klar. Ein bloßer Zufallsfund führte jedoch zu einer in Teilen neuen Interpretation des Prozessverlaufs.

Im Jahr 2001 stieß die Historikerin Barbara Frale im Vatikanischen Archiv auf ein Dokument, dessen Inhalt die Zunft der Mittelalterhistoriker in helle Aufregung versetzte. Zwar war es nicht der gesamte Prozess, der in der Folge einer Neubewertung unterzogen werden musste, immerhin aber die Position einer der Hauptpersonen: die des Papstes. Das neu entdeckte Dokument überliefert das einzige Geständnis, das der Großmeister 1308 vor der in Schloss Chinon tagenden päpstlichen Kommission abgab und die daraus resultierende Stellungnahme Clemens’ V., die in folgende Worte gekleidet wurde: „Der Papst hat kundgetan, dass dem Großmeister Jacques de Molay zusammen mit der gesamten Körperschaft des Ritterordens, welche, wie vom Papst befohlen, ihre Schandtaten gebüßt haben, die Absolution erteilt wurde.“ Der Papst hatte den Templern also bereits 1308 verziehen!

Dies musste zwangsläufig zu einer Revision des bisher in der Forschung vertretenen Bildes eines von Frankreich gänzlich abhängigen, entscheidungsschwachen Papstes und zu einer Neubewertung der Rolle des nun in noch dunklerem Licht erscheinenden Philipp IV. führen. Damit gewinnt die von Johannes Haller vor über einem halben Jahrhundert getroffene Feststellung, beim Templerprozess handle es sich um den „ungeheuersten Justizmord, begangen vom französischen Staat“, neue Brisanz.

Trotzdem, nicht alle Templer wurden damals hingerichtet – also bestand zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass ein im Orden verbreitetes Geheimwissen esoterischen Zuschnitts weitervermittelt werden konnte. Auch wenn die Geschichtswissenschaft über keinen einzigen Beleg dafür verfügt, griff und greift man nach wie vor gerne auf diese Vorstellung zurück. Insbesondere das 18. Jahrhundert sah die Gründung einer Vielzahl von Geheimbünden, die ihre Wurzeln auf die Templer zurückführten.

So wird Browns Heiliger Gral beispielsweise von einer Bruderschaft gehütet, der Prieuré de Sion, die um das Jahr 1100 von Angehörigen des Templerordens wertvolle Dokumente übermittelt bekommen haben soll – Dokumente, deren Inhalt die Grundfesten der Kirche erschüttern würde. Tatsächlich ist eine Bruderschaft dieses Namens in Orléans von 1100 bis 1627 nachweisbar, allerdings steht sie in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Templerorden. Erst im 20. Jahrhundert erfolgte die Neugründung einer Bruderschaft identischen Namens, die mittels virtuos gefälschter Belege eine direkte Abkunft von den Templern beweisen zu können meinte.

Auch Browns Beschreibung der architektonisch außergewöhnlichen Temple Church in London, in der das Rätsel um den Gral langsam seiner Lösung entgegendrängt, hat mit historischer, quellengestützter Wahrheit nichts zu tun. Was Brown freilich nicht daran hinderte, seinen eigenen Templerschatz zu heben: in Form von weltweit 48 Millionen verkaufter Bücher.

Der Autor ist Kirchenhistoriker an der Freien Universität Berlin und forscht zum mittelalterlichen Papsttum.

Ralf Lützelschwab

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