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Schwerer Stand. Jörg Kachelmann mit seinen Anwälten Reinhard Birkenstock (links), Klaus Schroth und Andrea Combe.

© dpa

Fünfter Prozesstag: Kachelmann in der Defensive

Ein schwieriger Tag für Jörg Kachelmann und seine Verteidiger vor Gericht – zwei Polizistinnen halten das mutmaßliche Opfer für glaubwürdig.

Seit mehr als dreißig Jahren hat die Schwetzinger Polizistin Viola Sch. mit Vergewaltigungsvorwürfen zu tun, es gibt eine Routine sagt sie, Dinge die man fragt und prüft. Manchmal hat man Zweifel, ob ein vorgebliches Opfer die Wahrheit sagt. Dann fragt und prüft man genau. Bei der Frau, die am 9. Februar Jörg Kachelmann anzeigte, hatte man keine. Am fünften Prozesstag im Verfahren gegen den Wettermoderator kommen zwei Polizistinnen zu Wort, die Simone D. vernommen haben, jene Frau, die Kachelmann in ihrer Wohnung nach einem Beziehungsstreit mit einem Tomatenmesser zum Sex gezwungen haben soll. Und der Mannheimer Haftrichter berichtet, wie Kachelmann seine Version schilderte.

Es sollte ein eher schwieriger Tag für Verteidiger Reinhard Birkenstock werden, der danach vor die Presse trat und erneut kundtat, welchen Zweck das gesamte Verfahren gleichwohl habe: „Eine gewaltige Lüge der Anzeigeerstatterin zu entlarven.“

Es geht um den Vormittag des 9. Februar. Nach einem Telefonat erscheint Simone D. bei der Schwetzinger Kripo, die erfahrene Polizistin Viola Sch. redet mit ihr. „Sie war sehr aufgewühlt, weinte oft“, erzählt die Zeugin. Sie kam mit ihrer Mutter, noch aufgelöster als die Tochter, schon vor der Vernehmung sprach sie aufgeregt davon, es gehe „um eine Person des öffentlichen Lebens“. Drinnen war die Tochter dann zurückhaltend, sagt die Zeugin, erst auf Nachfragen bestätigte sie, wer die Tat begangen haben soll. „Der Moderator aus dem Fernsehen“? „Ja, der“. Wieder weinte die Frau.

Mit dem Auto geht es zur Frauenklinik, später ins rechtsmedizinische Institut. Käseweiß sei sie ihr erschienen, dennoch hätten sie kurz über Hintergründe gesprochen. „Frau D. erzählte, wie enttäuscht sie von Herrn Kachelmann war, dass sie elf Jahre zusammen waren und er sie betrogen hat.“ Sollte D. also tatsächlich eine Lügnerin sein, lieferte sie ihr Motiv für die Lüge gleich mit. Doch stutzig wurde niemand. Wenigstens ein Verdacht? „Überhaupt nicht“, betont die Zeugin. „Sie war aufgeregt, emotional, also für ein Opfer normal“, sagt sie. „Ich hatte den Eindruck, dass es sich so abgespielt hat, wie sie erzählt hat.“ Ihr seien keine Erinnerungslücken aufgefallen, die Frau habe ab und zu gestockt, sonst aber flüssig berichtet. Bis auf die Personalie des Verdächtigen kein ungewöhnlicher Fall, kein Anlass für mehr als die übliche Polizeiroutine. Von „Festlegevernehmung“ spricht die Zeugin und schließt mit einem Vermerk: „Nach hiesigem Empfinden hat D. einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.“

Auch einer zweiten Polizistin kam kein Gedanke, hier werde jemand zu Unrecht beschuldigt. Noch eindringlicher schildert sie, wie Simone D. ihr erschien: „Sie war fix und fertig.“ Auch diese Zeugin hat seit mehr als zehn Jahren mit Vergewaltigungsopfern zu tun, sie weiß, sagt sie, dass man auch angelogen wird. Meist verwickelten sich die Betroffenen aber in Widersprüche, man merke schnell, wenn etwas nicht stimmt. Wollte Simone D. täuschen, dann ist es ihr auch vor dieser Polizistin gelungen: „Sie hat mir ihre Todesangst geschildert, wie sie dachte, ‚jetzt ist es aus’, wie sie sich ganz auf sich konzentrierte und angefangen habe, zu beten.“ Sie habe beim Erzählen heftig geweint, ihre Ängste noch einmal durchlebt; ihre Angst zu sterben sei nachhaltiger erschienen als der Geschlechtsakt selbst, was sie für die Zeugin offenbar noch einmal glaubhafter gemacht hat.

Bei einer Vernehmung über sechs Wochen später hatte sich der Zustand des mutmaßlichen Opfers nach Ansicht der Zeugin dramatisch verschlechtert. „Sie kam kaum die Treppen rauf“, sagt die Beamtin. Das Gespräch sollte auf Video aufgezeichnet werden, Simone D. habe am ganzen Körper vibriert, ihre Beine nicht kontrollieren können, sich die Hände fast blutig gekratzt. Alles nur Show? „Ich hatte keinen Anlass, an der Aussage zu zweifeln.“

Schließlich berichtet der Mannheimer Haftrichter von Kachelmanns Einlassungen bei jener Vernehmung im März, nach der sich die Presse im Gerichtshof auf ihn stürzte. Er habe „ausdruckssicher und beherrscht“ formuliert und das Bestreiten der Tat „direkt ins Protokoll diktiert, Wort für Wort“. Hatte er keinen Verdacht auf eine Falschbeschuldigung? „Ich gehe davon aus, dass jemand bei einem solchen Vorwurf wahrheitsgemäße Angaben macht.“ Kachelmanns Version der angeblichen Tatnacht habe ihm nicht eingeleuchtet, „seine Schilderung war nicht eindeutig“. Dem Richter lagen auch Fotos von Blutergüssen an den Oberschenkeln der Frau vor. „Ich habe es für ausgeschlossen gehalten, dass sie sich solche Verletzungen selbst zugefügt haben kann.“ Zu diesem Zeitpunkt im März lag allerdings noch nicht das Aussagegutachten der Bremer Rechtspsychologin Luise Greuel vor, das jedenfalls nach Ansicht der Verteidigung Kachelmann entlastet und das später für das Oberlandesgericht Karlsruhe ein Argument war, Kachelmann aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Verteidiger Birkenstock baut fest auf dieses Gutachten, den Aussagen der Polizistinnen misst er keine große Bedeutung zu. Dennoch hat er einen schweren Stand am Mittwoch, er beschränkt sich darauf, die Zeugen zu verunsichern, wo er kann. Und er lässt seinen Antrag zurückstellen, den Kölner Psychiater Tilman Elliger vor Gericht zu vernehmen, der dem vermeintlichen Opfer ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat. Die Staatsanwaltschaft hält Elliger für befangen, auch weil er mit Kachelmann nach dessen Entlassung in einem Restaurant gesehen worden war.

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