zum Hauptinhalt

Panorama: Ganz der Papa – oder?

Die Regierung will Männern verbieten, einen Vaterschaftstest machen zu lassen, wenn die Mutter das nicht will

Siebzehn Jahre lang dachte der Mann, es sei sein eigener Sohn. Er zahlte für ihn noch, als er von seiner Frau längst geschieden war und verzichtete mit seiner neuen Partnerin auf ein weiteres Kind, weil er sich zwei nicht leisten konnte. Ein Speicheltest brachte schließlich ans Licht, dass er den Unterhalt gar nicht hätte zahlen brauchen. In diesem Fall, über den die Zeitschrift „Brigitte“ berichtete, diente ein heimlich eingeschickter Kaugummi als nützliches Utensil. Ein paar Haare des Kindes würden auch genügen. Nie hatten es zweifelnde Väter so leicht wie heute. Wer nicht sicher ist, ob der Sprössling tatsächlich von ihm abstammt, der sucht eben Sachen zusammen, an denen Genmaterial haftet, schickt sie in ein Testlabor und bekommt nach spätestens fünf Tagen eine eindeutige Antwort. Allein in Deutschland bieten inzwischen mehr als 30 dieser Labore ihren „absolut diskreten“ Service an. Schon für 200 Euro, so die Werbung im Internet, auf Plakaten in U-Bahnen oder in Kneipentoiletten, sei „99,9-prozentige Sicherheit“ zu haben.

Datenschützer schlagen seit einiger Zeit Alarm. Sie sehen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mutter und des Kindes verletzt, das seine Interessen noch nicht selbst wahrnehmen kann. Die Geschäftsidee der meisten Firmen ziele ja eben darauf ab, jene angeblichen Väter anzusprechen, deren Partnerin einen Test im Zweifelsfall verweigern würde. Auch skeptische Schwiegermütter würden mitunter dazu animiert, heimlich die Genspuren ihrer Enkelkinder überprüfen zu lassen, um dem Sohn zu beweisen, dass er ein „Kuckuckskind“ großzieht. Die Datenschützer sind sich sicher: Leidtragende sind am Ende die Kinder. Doch moralische Appelle ändern nur wenig daran, dass pro Jahr 15 000 dieser Schnelltests durchgeführt werden, die meisten davon nach den Weihnachtsfeiertagen mit der lieben Familie. Ob zweifelnde Väter, Ex-Partner, die keinen Unterhalt zahlen wollen, oder abgelegte Liebhaber, denen ein Kind vorenthalten wird – die Liste derjenigen, die von den Angeboten der Testlabore Gebrauch machen, ist ebenso lang wie vielfältig. Um den Trend zu stoppen, arbeitet Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nun zusammen mit ihren Kolleginnen aus dem Justiz- und Familienministerium an einem Gendiagnostik-Gesetz. Im Februar soll der erste Entwurf vorliegen. Das Ziel: Heimliche Vaterschaftstests ohne Erlaubnis der Mutter werden generell verboten. Die Frage ist nur noch, ob sie als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit gelten.

„Es geht hier um die intimsten Daten, die man sich vorstellen kann“, sagt eine Sprecherin des Justizministeriums. Ein heimliches Vorgehen sei nicht akzeptabel, zumal dann nicht, wenn es auch anders gehe. Ehemänner oder unverheiratete Väter hätten schließlich schon heute bei ernsthaften Zweifeln die Möglichkeit, in einem familiengerichtlichen Verfahren einen offiziellen Vaterschaftstest per Richterbeschluss durchzusetzen – dann auch gegen den Willen der Mutter. Nur müssten sie die Vaterschaft eben offen anzweifeln. Wer dazu den Mut nicht aufbringe, solle eben auch nichts heimlich unternehmen können. Das Recht des Kindes auf eine unversehrte Familie wiege schwerer als das Recht des Mannes, sich Gewissheit zu verschaffen. Allerdings: Das offizielle Gerichtsverfahren gilt als ein mühsamer Weg, nur selten ordnet der Richter gegen den Willen der Mutter einen Test an.

Das Verbot der heimlichen Vaterschaftstests soll nur eine von mehreren Fragen sein, die im Gendiagnostik-Gesetz geregelt werden. In erster Linie wird es darum gehen, alle Personen vor dem Missbrauch ihrer Gendaten zu schützen. Arbeitgeber und Versicherungen etwa sollen ihre Angestellten und Kunden nicht auf Grund der Ergebnisse solcher Tests auswählen dürfen. Niemand dürfe wegen seiner Erbanlagen diskriminiert werden. Und ein Gesetz, dass alle Menschen vor Datenmissbrauch schützt, kann Kinder nicht ausschließen, darin sind sich die Ministerinnen einig.

Wolfgang Wenger vom Verein „Väteraufbruch“ sieht das anders. „Mit dem neuen Gesetz werden betroffene Männer kriminalisiert“, sagt der Sozialpädagoge aus Rosenheim. Zusammen mit den rund 2500 Mitgliedern, die der Verein bundesweit hat, kämpft er dafür, dass heimliche Vaterschaftstests weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden. Auf der Internetseite pro-test.net hat er eine Unterschriftensammlung gestartet. Es könne doch nicht sein, dass Frauen, die ihren Partner für ein Kind zahlen lassen, das gar nicht sein eigenes ist, vom Gesetz geschützt würden. Selbst der Paragraf 169 im Strafgesetzbuch, der das vorsätzliche Unterschieben eines Kindes zur Straftat erklärt, würde in der Realität nur selten greifen, denn wann sei dieser Vorsatz schon nachweisbar?

Eine Umfrage des Hamburger Meinungsforschungsinstituts Gewis hat kürzlich gezeigt: Mehr als 80 Prozent von 1100 befragten Männern finden heimliche Tests in Ordnung. Die Gewissheit kann jedoch schlimme Folgen haben: In etwa jedem vierten Fall ist der Auftraggeber tatsächlich nicht der leibliche Vater. Rund zehn Prozent aller Kinder, davon gehen aktuelle Schätzungen aus, sind hier zu Lande „Kuckuckskinder“.

Kathrin Schich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false