zum Hauptinhalt

Panorama: Gastarbeiterland Türkei: Das Land am Bosporus wird zum Einwanderungsland

Die Ukrainer heuern als Seeleute an, die Russen arbeiten auf den Teeplantagen am Schwarzen Meer, die Rumänen strömen in die Bauindustrie der großen Städte: Die Türkei, als Exporteur von Arbeitskräften in den Westen bekannt, wird selbst immer mehr zum Anziehungspunkt für Arbeitnehmer aus Osteuropa, Asien und Afrika. Für die ohnehin hoch verschuldeten türkischen Sozialsysteme stellen die Gastarbeiter ein Problem dar, weil kaum einer von ihnen versichert ist.

Die Ukrainer heuern als Seeleute an, die Russen arbeiten auf den Teeplantagen am Schwarzen Meer, die Rumänen strömen in die Bauindustrie der großen Städte: Die Türkei, als Exporteur von Arbeitskräften in den Westen bekannt, wird selbst immer mehr zum Anziehungspunkt für Arbeitnehmer aus Osteuropa, Asien und Afrika. Für die ohnehin hoch verschuldeten türkischen Sozialsysteme stellen die Gastarbeiter ein Problem dar, weil kaum einer von ihnen versichert ist. Doch diese Sorgen der Behörden haben den Ansturm bisher nicht stoppen können: Ein bis zwei Millionen Arbeitskräfte aus dem Ausland verdienen sich nach Schätzungen türkischer Handelskammern inzwischen in der Türkei ihren Lebensunterhalt.

"Die Türkei ist das Deutschland des Nahen Ostens", meldete die Istanbuler Zeitung "Sabah" kürzlich und rechnete ihren Lesern vor, dass von den mehr als drei Millionen Türken im Ausland rund eine Million in einem Arbeitsverhältnis stehen - die anderen sind Familienangehörige - und dass die Türkei damit ebensoviele Arbeitskräfte in den Westen geschickt hat, wie aus dem Osten und Süden ins eigene Land gekommen sind.

Die schlagzeilenträchtigste - wenn auch zahlenmäßig kleinste - Gruppe der ausländischen Arbeitskräfte in der Türkei sind die "Nataschas", die osteuropäischen Prostituierten, die besonders in den Städten an der Schwarzmeer-Küste und in den Metropolen wie Istanbul leben. Die "Nataschas" kommen aus Russland, der Ukraine oder Moldawien übers Schwarze Meer in die Türkei, weil hier viel mehr zu verdienen ist als zu Hause. Den Gastarbeitern anderer Gewerbe geht es genauso, wie türkische Medien berichten. So freuen sich die Rumänen, die mit einem 14-Tage-Visum ganz legal in die Türkei einreisen können, über Monatslöhne von umgerechnet 300 Mark - daheim kommen sie allenfalls auf 100 Mark.

Selbst einige tausend Armenier leben und arbeiten in der Türkei - obwohl die Grenze zwischen den beiden Nachbarstaaten geschlossen ist und es noch nicht einmal diplomatische Beziehungen zwischen Ankara und Eriwan gibt.

Die für viele Osteuropäer und Asiaten attraktiven Löhne in der Türkei bilden aber nicht das einzige Motiv für die Gastarbeiter. Viele von ihnen, etwa die Iraker, kommen, weil es relativ einfach ist, illegal in die Türkei einzureisen. Mit einer Küstenlinie von rund 7000 Kilometern und teilweise nur schwer zu bewachenden Landgrenzen zu den Kaukasus-Staaten sowie zu Iran, Irak und Syrien ist die Türkei ein natürlicher Magnet für Einwanderer aus dem Osten. Hinzu kommt die geographische Lage des Landes direkt am Eingangstor der Europäischen Union - viele Gastarbeiter wollen nicht lange in der Türkei bleiben, sondern verdienen sich auf dem Weg in den Westen lediglich etwas dazu.

Ihre bescheidenen Lohnforderungen und die Zustände in der türkischen Wirtschaft machen es illegalen Gastarbeitern einfach, trotz einer teilweise recht hohen Arbeitslosigkeit vom Arbeitsmarkt aufgesogen zu werden. Experten schätzen, dass der "inoffizielle" Teil der türkischen Volkswirtschaft mindestens ebenso groß ist wie der "offizielle" mit seinem Bruttoinlandsprodukt von knapp 900 Milliarden Mark. Dabei hängt die Schattenwirtschaft in der Türkei nicht unbedingt mit Machenschaften der Mafia zusammen, sondern schließt auch viele Kleinunternehmer ein, die lediglich Steuern und Abgaben "sparen".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false