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Panorama: Gedopte Shrimps: Experten stoßen in Garnelen auf ein gefährliches Antibiotikum

"Schwertfisch? Schmeckt eigentlich gut.

"Schwertfisch? Schmeckt eigentlich gut. Aber mein Fischlieferant bestellt nie welchen. Weil er schon drei-Fuß-lange Parasitenwürmer durch deren Fleisch hat krabbeln sehen." Kleiner Tipp vom New Yorker Star-Koch Anthony Bourdain (sein neues Buch: "Geständnisse eines Küchenchefs. Was Sie über Restaurants nie wissen wollten"). Was können wir noch essen? Offenbar ist mittlerweile auch im Fisch der Wurm drin.

Erst letzte Woche wurde vor Shrimps aus China ("Pink Shrimps", "Asian Pearl Frozen Shrimps") gewarnt: In den kleinen Krabbeltieren stellte man das Antibiotikum Chloramphenicol fest. Das Medikament kann zur Folge haben, dass der Körper keine roten Blutkörperchen mehr bildet, sprich: Blutarmut. "Zudem besitzt Chloramphenicol die Eigenschaft, schon in äußerst geringen Dosen toxisch wirken zu können", sagt Ingrid Mai, klinische Pharmakologin vom Universitätsklinikum Charité in Berlin.

In extrem hohen Dosen kann das Medikament sogar schädigenden Einfluss auf das Erbgut haben. "Das zumindest hat man experimentell nachgewiesen, bei Dosen, die um das 25-fache über der normalen Verabreichungsmenge lagen", sagt Christof Schaefer, Leiter der Beratungsstelle für Embryonal-Toxikologie in Berlin. In seltenen Fällen - etwa bei komplizierten Hirnhautentzündungen - werden auch in Deutschland Patienten mit Chloramphenicol behandelt. Für die Nahrungsmittelindustrie allerdings ist das Antibiotikum hierzulande strikt verboten.

Nicht nur in chinesischen Shrimps, auch in Riesengarnelen aus dem Pazifik entdeckten Nahrungsmittelwächter diese Woche Chloramphenicol. Es handelt sich um die tiefgekühlten Riesengarnelen der Marke "King Prawns". Nicht verkaufte Ware hat man bereits zurückgezogen; noch im Juli aber wurden rund 200 Kilogramm der Riesengarnelen verkauft.

Für die Nahrungsmittel in Deutschland ist Chloramphenicol zwar tabu, doch rund die Hälfte der deutschen Importware stammt aus tropischen Ländern, aus Thailand, Indien oder Ecuador. Die Länder betreiben inzwischen eine regelrechte Shrimps-Industrie. In Lateinamerika werden die tropischen Krabbeltiere direkt an der Küste gezüchtet, in Betonbecken, gefüllt mit Meereswasser. In Asien liegen die Becken auch im Inland.

Das Leben auf engstem Raum hat zwei negative Folgen. Zum einen stehen die Tiere unter Dauerstress, die Folge: das Immunsystem leidet. Andererseits stellt die extreme räumliche Nähe zwischen den Tieren eine Idealbedingung für Erreger dar - Infektionen verbreiten sich im Nu.

Fataler Ausweg aus dem Dilemma: Die Fischzüchter schütten Antibiotika und Medikamente buchstäblich ins Wasser. Dadurch landen die Stoffe nicht nur in die Nahrungskette, sie sorgen auch für eine stetig ansteigende Resistenz der Erreger gegen die Mittel. Irgendwann sind Wasser und Böden so verseucht, dass den Züchtern nichts anderes übrig bleibt, als abzuziehen. So krabbelt die Shrimps-Industrie die tropischen Küsten entlang. "In Lateinamerika von Ecuador bis Mexiko hoch", sagt Ingo Bokermann, Meeresschutzexperte von Greenpeace in Hamburg. "In Asien sind ganze Reisfelder verseucht, mit Medikamenten, mit Viren", sagt Bokermann.

Aber das Problem beschränkt sich in Wirklichkeit nicht auf die fernen Tropen. Gerade in Europa finden die Produkte regen Absatz. Aß der Europäer vor gut zwanzig Jahren im Durchschnitt 400 Gramm Krabben und Garnelen jährlich, so verspeist er heute im Schnitt das Dreifache - über 1,2 Kilogramm. Umweltschützer forderten von den Verbrauchern bereits letztes Jahr eine "Shrimps-Pause". Die allerdings ist nicht in Sicht - ebensowenig wie eine einfache Lösung. "Letztlich müssten wir weniger davon essen", sagt Bokermann. "Denn, offen gestanden, ich halte es für eine Sauerei."

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