zum Hauptinhalt
231452_0_b5b5c835

© AFP

Geiseldrama in Ägypten: Die Entführung hätte verhindert werden können

Ein deutscher Tourist wurde bereits im Februar in der Region für zehn Tage entführt. Doch er verschwieg den Vorfall, um langwierige Verhöre und Verzögerungen der Reise zu vermeiden. Reiseveranstalter hätten diese Gegend sonst gemieden.

Von

Zu der aktuellen Entführung von Reisenden im Süden von Ägypten wäre es nicht gekommen, wenn ein Deutscher, der dort bereits im Februar gekidnappt worden war, diesen Vorgang gemeldet hätte. Das erfuhr der Tagesspiegel am Dienstag in Kairo. Der Deutsche hatte nichts gemeldet, weil er eine Verzögerung seiner Reise durch Befragungen und Formalitäten befürchtete. Bislang galt die Gegend als sicher. Hätte dieser Deutsche seine Gefangennahme damals gemeldet, hätten alle Reiseveranstalter die Gegend gemieden, und es wäre nicht zu der aktuellen Entführung gekommen. Der Deutsche, der mit seinem Reiseveranstalter, einen ägyptischen Offizier in Zivil und einem einheimischen Mechaniker in zwei Geländewagen unterwegs war, war für zehn Tage von Angehörigen der Sudan Liberation Army (SLA) verschleppt und ausgeraubt worden. Die Expedition hatte am Eingang des Tales von Karkur Tahl auf sudanesischen Boden ihr Lager aufgeschlagen, wo jetzt offenbar auch die elf europäischen Touristen und ihre Begleiter überfallen worden sind. Damals waren die Kidnapper mit einem Maschinengewehr bewaffnet und drohten den Geiseln, sie zu erschießen. Nach ihrer Freilassung kehrten die vier in die westägyptische Oase Dachla zurück und entschieden sich, die Behörden nicht von dem Zwischenfall zu informieren. „Wir alle wollten langwierige Verhöre und eine mögliche Verzögerung von mehreren Tagen vermeiden“, schrieb damals der deutsche Tourist in seinem Blog als Begründung.

„Das ist sehr unglücklich, wenn Leute solche Vorfälle für sich behalten“, kritisiert Sami Sadek, Vorstandschef von ISIS Travel gegenüber dem Tagesspiegel. ISIS Travel gehört zu den Großen im Ägyptengeschäft mit deutschen Touristen.

Das Schicksal der jetzt entführten Reisenden blieb auch am Dienstag ungewiss. Meldungen vom Vorabend, nach denen die Entführten freigekommen seien, erwiesen sich als falsch. Zu der Gruppe gehören fünf Deutsche, fünf Italiener und eine Rumänin sowie acht einheimische Begleiter. Sie war am vergangenen Freitag von Bewaffneten überrascht worden. Die ägyptische Regierung schickte Militär in die abgelegene Grenzregion zum Sudan und zu Libyen. Tourismusminister Suhair Garana dementierte Berichte, nach denen die Kidnapper mit der Erschießung ihrer Opfer gedroht hätten, falls eine gewaltsame Befreiung versucht werden sollte. Allen gehe es gut, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Mena. „Sie haben ausreichend Essen und Wasser und werden nicht schlecht behandelt.“ Nach Auskunft der Behörden im Sudan ist der Aufenthaltsort der Geiseln inzwischen bekannt, sie befinden sich auf sudanesischem Territorium in der Bergregion Jebel Uweinat nahe der Grenze. Man stimme sich eng mit der ägyptischen Seite ab und werde nichts unternehmen, was das Leben der Touristen gefährden könnte, hieß es in Khartoum.

Die Bundesregierung, die mit den Entführern verhandelt, bestätigte ebenfalls gegenüber dem Tagesspiegel, dass das Versteck bekannt sei und sich im Grenzgebiet befände. Die Bundesregierung hofft weiterhin auf ein schnelles Ende des Geiseldramas. Vor allem aus zwei Gründen: Ägypten versuche, den Fall mit einem „finanziellen Ausgleich“, also Lösegeld, so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen, um den Schaden für den Ruf der heimischen Tourismusbranche zu begrenzen. Und: Die Entführer selbst befänden sich in einer schwierigen Lage, da sie 19 Geiseln verstecken und verpflegen müssen. Die Geiselnehmer hätten vermutlich eher zufällig die Touristen und ihre Begleiter entführt. Jedenfalls handele es sich um keine professionelle Gruppe und höchstwahrscheinlich auch nicht um Islamisten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false