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Panorama: Genossen Murks und Pfusch

Von Elke Windisch, Moskau Sechs Tote, zwei Vermisste, ein eingestürztes Dach und ein riesiger Haufen Bauschutt – das ist die Bilanz des Unfalls auf dem kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur. Zuerst hatte es ja noch geheißen: ein Terrorattentat!

Von Elke Windisch, Moskau

Sechs Tote, zwei Vermisste, ein eingestürztes Dach und ein riesiger Haufen Bauschutt – das ist die Bilanz des Unfalls auf dem kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur. Zuerst hatte es ja noch geheißen: ein Terrorattentat! Inzwischen ist man sich jedoch weitgehend sicher, dass für die Katastrophe wohl eher die Genossen Murks und Pfusch verantwortlich sind.

Einmal mehr macht die Katastrophe deutlich, dass die russische Raumfahrt in der Krise steckt. Seit über vierzig Jahren fliegen von Baikonur alle Besatzungen für Russlands Weltraumreisen ab. Nach dem Ende der Sowjetunion war das Kosmodrom zwar in den Besitz der kasachischen Regierung übergegangen, wird aber immer noch fast ausschließlich von Russland genutzt; es existieren langfristige Pachtverträge. Beide Staaten sind jedoch knapp bei Kasse und daher wurde an den meisten Gebäuden nichts mehr getan. Besucher berichten von Bauten, die – bis auf den letzten Balken ausgeschlachtet – als Gerippe stehen gelassen wurden. An vielen Wänden in Hallen und Gängen blüht der Kalk, und Rost hat lange, hässliche Schlieren gezogen. Zehn Jahre Vernachlässigung – das hat am vergangenen Sonntag seinen Preis gefordert.

Kaum hatten die acht Arbeiter um 9 Uhr 20 Ortszeit das Dach einer Montagehalle betreten, spürten sie, wie der Boden unter ihren Füßen zu wanken begann. Sekunden später stürzten sie in die Tiefe, hiesige Medien sprechen von 65 bis 80 Metern. Ihnen nach sausten die Bruchstücke von mindesten drei Sektionen des Daches.

Die Hoffnung, die zwei Vermissten lebend zu bergen, bezeichnen Rettungsmannschaften des russischen Ministeriums für Katastrophenschutz als „verschwindend gering.“ Um so mehr, da die Arbeiten gestern wegen Sturmwarnung unterbrochen werden mussten. Der für die Dach-Reparatur verantwortliche Chefingenieur hat gleich nach dem Unglück einen Herzinfarkt erlitten und ist gestern gestorben.

Experten gehen nun von Schäden in zweistelliger Millionenhöhe aus. Vor allem, weil die herabstürzenden Trümmer wahrscheinlich auch einen Boliden vernichtet haben, der hier zu Lande Kultstatus hat – die mehrfach nutzbare Weltraumfähre „Buran“, mit der die Sowjetunion einst alle Chancen hatte, die Amerikaner auf die Plätze zu verweisen. Allein: Aus Kostengründen war das Projekt 1993 abgebrochen worden. Seither hatten Gefährt und Rakete in der Halle mit dem kaputten Dach still vor sich hingerostet.

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