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Bar ohne Drinks. Besucher müssen jetzt Bier trinken.

© dpa

Gepanschter Alkohol: Teuflischer Schnaps

Nach mehr als 20 Toten durch gepanschten Alkohol hat Tschechien den Verkauf von Spirituosen verboten. Bars und Supermarktregale sind leer.

Die ganze Bar ist leer geräumt; wo üblicherweise hunderte Flaschen mit Single Malt, Rum und Tequila stehen, klafft jetzt gähnende Leere. Die Bar „La Casa de la Havana Vieja“ ist eine der angesagtesten Adressen in der Prager Altstadt, berühmt für ihre Rum-Cocktails. Doch derzeit fällt die Party aus: Auf der Tafel vor der Bar ist das „Prohibitionsmenü“ angeschlagen; alle Cocktail-Zutaten haben weniger als 20 Prozent Alkohol. Wo die Prager üblicherweise lange im Voraus reservieren müssen, sitzen jetzt die Kellner am Tisch und warten auf Gäste.

Das strikte Alkoholverbot in Tschechien kennt keine Ausnahmen. Alles, was mehr als 20 Prozent Alkohol enthält, darf nicht verkauft und nicht ausgeschenkt werden. Damit will die Regierung eine Todesserie beenden. In den vergangenen Wochen sind in Tschechien bereits 22 Menschen an Methanolvergiftungen gestorben, etwa 40 weitere liegen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus; einige von ihnen sind erblindet. Offenbar sind gepanschte Spirituosen im Umlauf, die von Geschäftemachern mit hochgiftigem Methanol gestreckt worden sind. Bis die Fälle aufgeklärt sind, soll jetzt das komplette Spirituosenverbot weitere Tote verhindern. Auch Polen hat nach den ersten Vergiftungen den Import von hochprozentigen Getränken aus Tschechien verboten; auch in der Slowakei gibt es inzwischen erste Opfer.

Indes fahndet die Polizei nach den Alkoholpanschern. Der jüngste Erfolg: In einer abgelegenen Scheune wurden Fässer mit mehreren hundert Litern gefährlichem Alkohol gefunden, dazu offenbar gefälschte Zollmarken und eine professionelle Abfüllanlage. Der Schwarzmarkt für hochprozentigen Alkohol ist in Tschechien nach Expertenschätzung sehr entwickelt. Jede vierte Flasche, so heißt es in der Branche, werde unter dem Tisch verkauft – darunter auch viele gefälschte oder gestreckte Spirituosen. Besonders häufig seien davon billige Produkte betroffen, die auf Marktständen und an Kiosken verkauft würden. An manchen solcher Stände werden Schnaps oder Wodka aus Sechs-Liter-Flaschen eingeschenkt. Das Gesundheitsministerium in Prag warnt ausdrücklich vor neun Fabrikaten, deren Etiketten es auf seiner Homepage zeigt. Offenbar haben die Opfer aus solchen Flaschen getrunken, bevor sie gestorben sind.

Viele Supermärkte haben die Regale, in denen sie üblicherweise Spirituosen gelagert haben, inzwischen mit Bier gefüllt, damit die Geschäfte nicht so leer und kahl aussehen. Aber wer trinkt schon Bier. Kilian Kirchgeßner

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