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Panorama: Gesucht: tiefseetauglicher Roboter

Nach der Prestigekatastrophe ist ein Abpumpen des Restöls auf dem Meeresgrund geplant

Auch drei Monate nach Beginn der schlimmsten Ölpest in der europäischen Geschichte vor der spanischen Atlantikküste ist die Katastrophe immer noch nicht unter Kontrolle. Die Küste zwischen Portugal, Spanien und Westfrankreich ist inzwischen schon auf rund 3000 Kilometer Länge verseucht. Doch es kann noch dicker kommen. Auf dem Atlantik treiben über und unter der Wasseroberfläche weiterhin große Ölseen, die irgendwann einmal an Land schwappen werden. Hinzu kommt die Zeitbombe in 3500 Meter Tiefe, das Wrack des Schrotttankers „Prestige“, in dessen Bauch eine unbekannte Menge Giftöl schlummert.

Eine spanische Regierungskommission zerbrach sich wochenlang den Kopf, wie das mit der „Prestige“ versunkene Schweröl an die Oberfläche geholt werden kann, um eine weitere und jahrelange dauernde Ölpest, deren Zentrum das westspanische Galicien ist, zu vermeiden. Doch der erhoffte Geistesblitz kam den Experten bislang nicht. Als beste Lösung bezeichnen die Wissenschaftler, das Öl aus dem Tankerwrack abzupumpen. Die Frage ist bis heute nur wie: Es existieren weder Erfahrungen noch technische Ausstattung für Bergungsarbeiten in 3500 Meter Tiefe. Allein die Konstruktion des Science- Fiction-Rettungsgerätes dürfte, so wird geschätzt, rund 200 Millionen Euro kosten. Kernstück der Operation müsste ein tiefseetauglicher und ferngesteuerter Roboter sein, der dem ungeheuren Wasserdruck standhält. Diese tauchfähige Supermaschine soll, so die Theorie, Löcher in die Tanks bohren, Schläuche anbringen und das Abpumpen unter Wasser überwachen. Das Experiment kann nur bei dauerhaft gutem Wetter stattfinden, also frühestens im Sommer – vorausgesetzt das futuristische Gerät ist bis dahin montiert und einsatzbereit.

Die niederländische Bergungsfirma Smit, die auch das russische Atom-U-Boot „Kursk“ barg, glaubt, für dieses Technik-Abenteuer gerüstet zu sein. Das französische Mini-U-Boot „Nautile“ hatte in den letzten Wochen etliche Löcher im Wrack der „Prestige“ notdürftig flicken können. Deswegen sickern derzeit, nach offiziellen Angaben, nur noch wenige Tonnen Schweröl pro Tag in den Atlantik. Wieviel Öl im auseinander gebrochenen Rumpf blieb, weiß niemand genau. Die Schätzungen schwanken zwischen 25 000 und 50 000 Tonnen.

Die „Prestige“, die ursprünglich 77 000 Tonnen Schweröl geladen hatte, war am 13. November leck geschlagen und sechs Tage später untergegangen. Nach einem Bericht der spanischen Regierung sind bislang annähernd 700 Atlantikstrände und 3000 Kilometer Küste von der Ölpest betroffen. Die Fisch- und Muschelbestände in dieser ölverseuchten Zone, die inzwischen von Nordportugal bis nach Westfrankreich reicht, sind stark dezimiert, der Fang teilweise verboten. Rund 15 000 tote Seevögel wurden an Land eingesammelt, zehntausende sollen unbemerkt auf dem Meer verendet sein.

Ralph Schulze[La Coruna]

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