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Gesundheit: 500 Jahre Garantie

Digital bearbeitete Fotos auf Spezialfilm sollen Abbilder von Kulturgütern über die Zeiten retten

Wer an absoluter Sicherheit für seine Daten interessiert ist, sollte schon mal den Schreibkeil herausholen, die Tonmischung rühren und den Brennofen anwerfen – so haben selbst 5000 Jahre alte mesopotamische Schrifttafeln bis heute gehalten. Papyrus wurde zwar damals schon in Ägypten verwandt, doch davon ist (vermutlich) nichts übrig geblieben, erhalten sind Bruchstücke von Handschriften aus dem ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende. Doch welches Material auch immer gewählt wird: Pergament, Papier, Leinwand, alles dürfte um etliche Centennien haltbarer sein als die uns doch so lieb gewordene CD. Deshalb feiert der Film als Datenträger nun seine Rückkehr.

Ein vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg entwickeltes Verfahren, das Material des Filmherstellers Ilford einsetzt, verspricht immerhin eine Haltbarkeit von 500 Jahren. Und damit empfiehlt es sich als letzter Rettungsanker zunächst einmal für Archivare, die empfindliche Lithografien, Zeichnungen und Gemälde für möglichst originalgetreue Wiedergabe – aber auf wesentlich geringerem Platz – speichern wollen. Die digitale Welt greift also wieder auf analoge Träger zurück, die sich mit Hilfsmitteln auslesen lassen, die es wohl immer geben wird: Licht und Linsen.

Faktisch ließe sich damit jede Art von Dokument als Abbild über die Zeiten retten. Das Ganze logisch weiter gedacht, wäre es sogar möglich, wiederum digitale Informationen auf dem Film abzulegen. Aber darum geht es (noch) gar nicht. Im Grunde genommen handelt es sich um die moderne Fassung des Mikrofilms, der uns aus vielerlei Spionageromanen bekannt ist. Nun aber in Breitwand und Farbe, sozusagen.

Denn die Technik dazu stammt ursprünglich aus der Unterhaltungsbranche: Made in Germany für Hollywood. Die Fraunhofer-Forscher um Wolfgang Riedel hatten sich in Zusammenarbeit mit der Münchner Arri Cinetechnik an die Entwicklung eines neuen Verfahrens gemacht, mit dessen Hilfe Sequenzen, die digital bearbeitet worden sind, ohne Qualitätsverluste auf Film geb(r)annt werden können. So hohe Auflösungen auf 35-Millimeter-Streifen zu bringen, das schaffte nur die Lasertechnik. Fantasy-Szenen in Harry Potter oder im Herrn der Ringe erhielten hierdurch ihren realistisch wirkenden Schliff.

Und damit gewannen die Entwickler des Arrilasers 2001 sogar den Technik-Oscar (Scientific and Engineering Award). Da die Sache so gut lief, fand sich eine für Hollywood angemessene Fortsetzungsgeschichte: Inzwischen werden auch viele „klassisch“ gedrehte Filme sofort nach der Entwicklung des Originalstreifens digital abgetastet. Das hat mehrere Vorteile. So erspart man sich mehrfache Kopiervorgänge, die bislang für die Nachbearbeitung notwendig waren. Ausgleichende Korrekturen am Bildmaterial sowie Schnitte lassen sich viel einfacher am Rechner ausführen. Erst zum Schluss belichten die drei Laser – je einer für Rot, Grün und Blau – den richtigen Film.

Selbst der Zivilschutz zeigt Interesse

Was für Kultfilme gut ist, könnte sich auch für Kulturgüter eignen, dachten die Wissenschaftler. Sie nehmen den Film etwa um den Anblick wertvoller Gemälde für die Nachwelt zu sichern. Ein Versuch mit der Bibliothek in Weimar läuft, im Kontakt ist man zudem mit Zivilschutzbehörden, deren Aufgabe auch darin besteht, Teile des Kulturerbes zu sichern.

Rund 20 Sekunden dauert es, bis die Laserdioden die 12 000 mal 8000 Pixel eines Bildes belichtet haben. Da jeder Bildpunkt alle Farbinformationen enthält, lässt sich diese Angabe nicht mit den Ergebnissen von Megapixel-Digitalkameras vergleichen. Herkömmliche CCD-Sensoren können nämlich die Farbinformationen des einfallenden Lichts nicht in einem Punkt auslesen. Jede Komplementärfarbe beansprucht ihre eigene Fläche auf dem Sensorchip, erst im Rechner und auf dem Monitor wird daraus der wirkliche Farbpunkt zusammengesetzt. Das Auflösungsvermögen des Filmes hingegen ist bis heute unerreicht. Zum Vergleich: Auf einem Film-Bild lassen sich mehr als 30 Aufnahmen einer Drei-Megapixel-Kamera unterbringen.

Auch dieser Gedanke ist übrigens gar nicht so abwegig. Schließlich muss ein Digital-Fotograf aufpassen, dass ihm die Bits auf CD oder Platte nicht umkippen – die Aufnahmen gehen dadurch schnell im farbverfälschenden Datenrauschen unter. Eine bisher noch gar nicht angebotene Dienstleistung wäre es also, die „noch unverfälschten“ Digitalfotos auf Film zu belichten.

Das müsste sich nach heutigem Stand der Technik schon für einen knappen Euro pro 30er-Satz auf einem Bild machen lassen, schätzt Riedel. Werden die elektronisch gespeicherten Aufnahmen irgendwann einmal „müde“, könnten die Filme wieder gescannt werden. Auch die Lagerung der Filme stellt keine großen Anforderungen, die Umgebung muss halt nur trocken sein.

Die Haltbarkeit erreicht Ilford dadurch, dass die lichtempfindlichen Partikel nicht mehr in der Emulsion untergebracht werden, sondern im Trägermaterial selbst. Da gelangt zerstörender Sauerstoff nur noch sehr schwer heran. Und woher kommt die Sicherheit, dass die Fotos 500 Jahre halten? Der Hersteller hat das Material Versuchen zur beschleunigten Alterung unterworfen, erläutert Wolfgang Riedel. Doch selbst als es über ein Jahr lang bei Temperaturen von 60 bis 80 Grad Celsius gehalten wurde, hat es kaum messbare Veränderungen gezeigt.

Gideon Heimann

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