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Gesundheit: Abschied vom Arbeitgeberverband

Berlins Hochschulen folgen mehrheitlich dem Regierungskurs

„In dieser Klemme entscheide ich mich für die Sicherung der Arbeitsplätze.“ Mit diesen gewichtigen Worten warb der Präsident der Technischen Universität Berlin, Kurt Kutzler, im Kuratorium der Hochschule für einen Austritt aus den Arbeitgeberverbänden des Öffentlichen Dienstes. Auf der anderen Waagschale lagen bei diesen Überlegungen der Betriebsfrieden und die bundesweite Wettbewerbsfähigkeit der TU, die durch das Aufkündigen der bestehenden Vereinbarungen gefährdet sind. Diese Lage ist für alle Berliner Hochschulen ähnlich.

Nach kontroverser Debatte bekam Kutzler die Zustimmung für den Abschied aus der Tarifgemeinschaft. Das endgültige Vorgehen ist aber offen, da die Hochschulen ursprünglich geschlossen vorgehen wollten und der Termin noch geklärt werden muss. Gleichzeitig wächst die Unruhe bei den Beschäftigten an Berlins Universitäten und Fachhochschulen. Was ist geschehen?

Der Berliner Senat selbst hat bereits Anfang November die Arbeitgeberverbände verlassen – auch als Reaktion auf das Scheitern seiner Bundesratsinitiative für eine Nullrunde 2003 im öffentlichen Dienst. Damit muss das Land Berlin ab Februar 2003 mit den Gewerkschaften bundesweit ausgehandelte Tarifabschlüsse für Arbeiter und Angestellte nicht mehr umsetzen. Das gilt ebenfalls für die „unmittelbar nachgeordneten Einrichtungen“ des Landes, im Kreise der Hochschulen sind das nur die drei kleinen Kunsthochschulen.

Was aber geschieht mit den anderen Hochschulen? Berlins Wissenschafts-Staatssekretär, Peer Pasternack, hatte sie aufgefordert, sich dem Land anzuschließen. „Ich empfehle Ihnen, durch den Austritt aus den Arbeitgeberverbänden sich ihrerseits die Handlungsoptionen zu erschließen, wie das Land dies getan hat, um auch auf zukünftige Einsparungsnotwendigkeiten vorbereitet zu sein“, heißt es in einem Schreiben an die Landesrektorenkonferenz.

Die Zustimmung ihrer Kuratorien haben bisher neben der TU die Universität der Künste, die Technische Fachhochschule und – erst am Montag – die Alice-Salomon-Fachhochschule bekommen. Entscheidend wird auch sein, was die anderen beiden großen – die Freie und die Humboldt-Universität – unternehmen. An beiden ist die Entscheidung bisher offen. Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) dagegen hat dies bereits abgelehnt. Die Vertreter der Mitarbeiter machen dabei geltend, dass sie in diesem Jahr durch den Pakt zur Beschäftigungssicherung bereits 1,4 Prozent ihres Einkommens eingebüßt hätten. Ein doppeltes Opfer wird befürchtet.

FHTW-Präsident Herbert Grüner befürchtet nun, dass diese Entscheidung bei künftigen Finanzverhandlungen mit dem Land eine negative Rolle spielen wird. Sorge bereitet auch, wie etwaige Tariferhöhungen in Zukunft realisiert werden können. Bisher hat das Land davon vereinbarungsgemäß bis zu 1,5 Prozent übernommen. Die Leitungen auch der anderen Hochschulen befürchten, dass sie künftige Tariferhöhungen aus ihren vorhandenen Mitteln werden bestreiten müssen. Frei verfügbare Mittel dafür haben sie aber kaum.

Diese Befürchtungen beziehen sich auch auf Pasternacks Brief. Dort heißt es: „Allerdings weise ich darauf hin, dass zu welchem Zeitpunkt auch immer die Hochschulen ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung des Landes werden leisten müssen.“ Die geltenden Hochschulverträge bis 2005 sollen nach seinen Worten aber Bestand haben.

Die Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi lehnen dieses Vorgehen als „Tarifflucht“ ab. „Angst ist ein schlechter Berater“, meint Matthias Jähne, Hochschulreferent der GEW Berlin zu den eiligen Beschlüssen der Hochschulen. Zwar gelten bestehende Tarifverträge auch weiter, wenn die Hochschulen den Arbeitgeberverbänden nicht mehr angehören - allerdings „eingefroren“ auf dem Zeitpunkt des Austritts. Die Beschäftigten müssten also nicht sofort mit Kürzungen rechnen. Sie fallen nicht in einen tarif- oder gar rechtsfreien Raum. Doch die Folgen für die Beschäftigten seien insgesamt nicht absehbar.

Dabei können sich die Arbeitnehmervertreter auf Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stützen. Der hatte in einem Brief an Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) Zweifel angemeldet, „die Arbeitgeberverbände des Landes Berlin nun insgesamt aufzulösen“. Denn nun müssen auch die Hochschulen in ihrer Eigenschaft als Dienstherren einzeln mit den Gewerkschaften Abschlüsse aushandeln. Das ist eine neue Situation. Ausgang ungewiss.

All diese Verhandlungen stehen unter Zeitdruck; denn der Austritt ist fristgerecht frühestens zum 31. März möglich. Die Hochschulen wollen diese Frist verkürzen und den Verband schon zum 31. Januar 2003 verlassen. Davon machen die Humboldt- und die Freie Universität ihre Entscheidung abhängig. Bisher fehlt dafür die Zustimmung. Der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wurde bisher bis April erzielt.

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