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Gesundheit: Abschied vom Bund

Unigebäude, „Studentenberg“ und Pisa-Reformen: Auf die Länder kommen große Aufgaben zu

Die Konturen der künftigen Bildungs- und Wissenschaftspolitik zeichnen sich nach den abschließenden Beratungen der Föderalismus-Arbeitsgruppe immer deutlicher ab. Der Bund muss sich weitgehend aus der Hochschulpolitik zurückziehen, er verliert wichtige Kompetenzen – wenn auch nicht alle. Im letzten Augenblick haben die neuen Erkenntnisse über die bald stark ansteigenden Studentenzahlen in diesem Punkt noch zu Änderungen geführt: Es soll auch künftig Hochschulsonderprogramme geben, die Bund und Länder aushandeln.

Annette Schavan, die designierte Bildungsministerin (CDU), zieht gegenüber dem Tagesspiegel folgendes Resümee: „Die Klärung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern ist richtig. Die Föderalismusreform bedeutet, dass in Deutschland Abschied von punktuellen Lösungen genommen wird, die nicht nachhaltig sind.“ Außerdem ermögliche die Föderalismusreform die Stabilisierung des Forschungsstandortes Deutschland.

Dagegen kritisierte die scheidende Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gegenüber dem Tagesspiegel die Beschlüsse der Föderalismuskommission: „Es ist eine grundlegend falsche Politik, die Bewältigung der notwendigerweise steigenden Zahl von Studierenden allein den Ländern aufzugeben. Die meisten Länder werden diese Herausforderung aus eigener Kraft nicht meistern können.“ Nachdem die wichtigen Schritte für eine qualitative Verbesserung mit der Reform des Dienstrechts, der Exzellenzinitiative, dem Hochschulsonderprogramm und der Internationalisierung von Studiengängen in die Wege geleitet worden seien, müsse es jetzt mit einem Studienplatzausbauprogramm um die quantitative Verbesserung für die Hochschulen gehen.

In folgenden Bereichen von Bildung und Wissenschaft besteht mit dem Beschluss Klarheit:

HOCHSCHULBAU: Der Bund muss sich nach 2013 aus der Förderung des Hochschulbaus völlig zurückziehen. Die Aufteilung der Finanzströme zwischen Bund und Ländern soll so sein, dass der Bund nur noch 30 Prozent der bisher für den Hochschulbau und die Großgeräte ausgegebenen Gelder für die Hochschulen ausgibt – und zwar ausschließlich für die Großgeräte. Ob die Länder aber auch weiterhin wie bisher 50 Prozent zu den Großgeräten beisteuern, ist noch nicht geklärt. Erst eine Finanzreform, bei der die Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern neu verteilt werden, wird das klären.

FINANZHILFEN DES BUNDES: Der Artikel 104a des Grundgesetzes hat es bisher dem Bund erlaubt, bei einer Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen zu geben. Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn hatte mit Hilfe dieses Grundgesetzartikels das Vier-Milliarden-Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen auf den Weg gebracht. Die Länder können auch in der neuen Legislaturperiode Gelder aus diesem Ganztagsschulprogramm abrufen. Aber gleichzeitig verstopft die Föderalismusreform diesen Weg für die Zukunft. Der Bund darf keine Finanzmittel mehr in jenen Bereichen zur Verfügung stellen, die ausschließlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.

HOCHSCHULRAHMENGESETZ: Der Bund bekommt nur noch eine sehr eingeschränkte Gesetzgebungsbefugnis in den Hochschulen. Statt eines umfassenden Hochschulrahmengesetzes, das von der Mitbestimmung bis zur Zulassung der Studenten alles regelt, darf der Bund nur noch Rahmenbestimmungen für die Neuzulassung von Studenten und die Hochschulabschlüsse erlassen. Und die Länder dürfen von diesen Rahmenvorgaben sogar noch abweichen. Diese Restzuständigkeit des Bundes ist jedoch das Einfallstor für künftige Hochschulsonderprogramme.

HOCHSCHULSONDERPROGRAMME: Unter den Bedingungen des neuen „Studentenberges“ sollen Hochschulsonderprogramme die große Studienreform mit Bachelor und Master unterstützen. Hochschulsonderprogramme können künftig nach dem neuen Artikel 104b des Grundgesetzes verfassungsrechtlich abgesichert werden. Für die Schulen sind solche Finanzhilfen nicht mehr möglich, weil es sich hier um eine ausschließliche Zuständigkeit der Länder handelt. Da es jedoch weiterhin Kompetenzen des Bundes im Hochschulbereich geben wird, können sich Bund und Länder auf gemeinsame Programme und Finanzhilfen einigen. Annette Schavan stellt sich folgende Lösung vor: Im Personalbereich muss eine neue Gruppe von Dozenten geschaffen werden, die nur für die Lehre zuständig ist. Baden-Württemberg nennt diese Gruppe „Lecturers“. Die Etablierung dieser neuen Gruppe soll jedoch nicht vom Bundesgesetzgeber vorgegeben werden, sondern die Länder müssen diese „Lecturers“ über den Wettbewerbsföderalismus selbst einführen. Der Bund würde in einem Sonderprogramm aber Finanzmittel zum Ausbau von Studienplätzen bereitstellen, etwa für bessere Ausstattungen der Bibliotheken und für Computerarbeitsplätze oder für den räumlichen Ausbau der Hochschulen. Noch lehnt es Schavan ab, wie zu Jürgen Möllemanns Zeiten auch die Finanzierung von zusätzlichem Personal zu übernehmen.

Dass die Länder die Personalkosten tragen müssen, begründet Schavan damit, dass die Umstellung auf Bachelor und Master eine Dauerlösung ist, die eines Tages auch wieder zu erheblichen Entlastungen an den Hochschulen führen kann, sofern die Halbierung der Studienzeiten von 14 auf sieben Semester gelingt.

PISA UND OECD: Bund und Länder wirken weiter bei internationalen Vergleichen wie den Pisa-Tests oder den OECD-Untersuchungen über den Stand der Bildung in den führenden Industrienationen der Welt zusammen. Hierbei geht es um die Feststellung, wie leistungsfähig die deutsche Bildung im internationalen Vergleich ist. Viel verspricht sich Annette Schavan von einer systematischen Förderung der empirischen Bildungsforschung, um über diesen Weg Anstöße zur Reform von Schulen und Hochschulen geben zu können.

DIE BLK: Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) bleibt erhalten, eine Rolle in der Schulpolitik dürfte sie aber wohl nicht mehr spielen. Frühere in der CDU verbreitete Überlegungen, die BLK abzuschaffen, sind jedoch vom Tisch – bestenfalls könnte sie einen neuen Namen bekommen. Bund und Länder brauchen jedenfalls ein Gremium, in dem sie die gemeinsame Forschungsförderung, den Exzellenzwettbewerb und Hochschulsonderprogramme aushandeln, erläutert Annette Schavan. Die Bildungsforschung soll fortan nicht mehr über die BLK, sondern über die DFG gefördert werden.

DIE EU-VERTRETUNG: Dort, wo die Länder eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis haben wie in der Schule, der Kultur und beim Rundfunk, wird Deutschland künftig durch einen Repräsentanten der Länder vertreten. In den anderen Bereichen übernimmt der zuständige Fachminister des Bundes die Vertretung im EU-Ministerrat.

Neben diesen Ergebnissen der Föderalismus-Arbeitsgruppe wird die neue Legislaturperiode von Beschlüssen der Koalitionspartner geprägt sein.

STÄRKUNG DER FORSCHUNG: Der Exzellenzwettbewerb zur Stärkung der Forschung an den Hochschulen wird fortgesetzt. Von den 1,9 Milliarden Euro werden der Bund 75 Prozent und die Länder 25 Prozent aufbringen. Der Pakt für die Forschung, der die Forschungsinstitute außerhalb der Universitäten und die Entwicklung der Wirtschaft fördern soll, wird finanziell so ausgestattet, dass Deutschland dem in Lissabon vereinbarten Ziel näher kommt, für diesen Bereich drei Prozent des Bruttoinlandproduktes aufzuwenden. Die Bandbreite der jährlich dazu benötigten Gelder – von 520 bis 640 Millionen Euro – erklärt Schavan damit, dass der Finanzschlüssel noch ausgehandelt werden müsse: Entweder tragen Bund und Länder jeweils die Hälfte der Aufwendungen oder der Bund steuert 60 Prozent und die Länder 40 Prozent bei.

BAFÖG: Die Bundesausbildungsförderung bleibt wie bisher als Mischung von Zuschuss und Darlehen erhalten. Die Studenten dürften auch angesichts der bevorstehenden Einführung von Studiengebühren bei der Gestaltung ihres Lebensunterhalts nicht verunsichert werden, erklärte Annette Schavan.

Uwe Schlicht

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