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Mario Bahr.

© Thilo Rückeis

Als Gesundheitlotse bei der BSR: Health Angels

Rund 30 Gesundheitslotsen sind bei der Berliner Stadtreinigung im Einsatz. Sie informieren Mitarbeiter über die Angebote des Betriebs. Mario Bahr ist einer von ihnen.

Manchmal ist Mario Bahr einfach nur Diätberater. „Was hältst du von Joggen“, fragte ihn ein Kollege, während sie zum Einsatzort fuhren. Bahr hatte schon gemerkt: der Kollege tut sich schwer beim Treppensteigen, auch das stundenlange Straßenkehren macht ihm zu schaffen. Übergewicht wegen falscher Ernährung und falscher Bewegung. „Erst mal Power-Walking und Fahrrad fahren“, riet ihm Bahr. Der Kollege nahm es sich zu Herzen. Immer wieder ergaben sich solche Gespräche, über gesundes Essen oder darüber, wie wichtig Obst und Gemüse sind. Heute, zwei Jahre später, ist der Kollege 60 Kilo leichter. Ein Erfolg für Mario Bahr. Er ist Gesundheitslotse bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), eine ehrenamtliche Tätigkeit, die er seit 2008 neben seinem Job als Straßenreiniger macht. Wir treffen ihn in der Kantine der BSR-Hauptverwaltung in Tempelhof, ein großer Raum mit Fensterfront und weißen Tischen. Es könnte auch die Kantine einer Rechtsanwaltskanzlei sein, säßen nicht an jedem Tisch Männer und Frauen in leuchtend orangener Uniform. Normalerweise ist er am Betriebshof Ilsenburger Straße in Charlottenburg dafür zuständig, über neue Gesundheitsangebote zu informieren: Er hängt Info-Zettel an die Wand und macht morgendliche Ansagen, etwa dass es wieder neue Rückenkurse gibt. Für 170 Leute ist Bahr Ansprechpartner in gesundheitlichen Fragen.

2007 entstand die Idee, speziell fortgebildete Angestellte als Gesundheitslotsen einzusetzen

Die BSR hat, als eines von 16 Berliner Unternehmen, die Luxemburger Deklaration unterzeichnet und sich verpflichtet, Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu stärken. Entscheidend ist die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Maßnahmen. Das Durchschnittsalter der BSR-Beschäftigten liegt bei 47 Jahren, 85 Prozent sind Männer. Am häufigsten seien Muskel-Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankung, sagt Angela Janecke, Leiterin der BSR-Gesundheits- und Sozialberatung. Für viele sei der Job auch psychisch belastend. Früher hätte man gesagt, „hier, die Straße kehrst du jetzt“. Aber nachdem die BSR um das Jahr 2000 über 1500 Stellen abgebaut hatte, seien auch die Anforderungen an die Mitarbeiter gestiegen. Die Verantwortung für die Organisation ist größer geworden, Winterdienst, Laubzeit, Straßen mit unterschiedlichen Reinigungsklassen, das alles muss von den Teams mit organisiert werden. Damit das reibungslos klappt, müssen sich die Beschäftigten wohl fühlen.

Um besser an die Mitarbeiter heranzukommen, entstand 2007 die Idee mit den Gesundheitslotsen: speziell fortgebildete Beschäftigte, die die gesundheitlichen Angebote des Betriebes bekannt machen.

Die Ausbildung umfasst sieben Module, darunter ausgewogene Ernährung, Bewegung oder Alkoholprävention. Laut einer Mitarbeiterbefragung informieren sich die meisten Beschäftigten durch Kollegen über Betriebsangelegenheiten. Erkenntnisse, die das Konzept der Gesundheitslotsen bestätigen. Bisher hat die BSR etwa 30 von ihnen ausgebildet, für 35 Standorte. Es sind immer Personen, die schon ein gewisses Vertrauen in der Belegschaft genießen, denen eine Vorbildfunktion zugetraut wird. So wie Mario Bahr.

Er sieht den Kollegen an, wenn es ihnen nicht gut geht.

Mario Bahr.
Mario Bahr.

© Thilo Rückeis

Vor mehr 30 Jahren, 1981, ist er zur BSR gekommen. Schon sein Vater hat dort bei der Müllabfuhr gearbeitet. Vom Straßenfeger arbeitete Bahr sich hoch in die Betriebsstellenleitung. Nach einer, wie er es nennt, „persönlichen Krise“, wechselte er freiwillig zurück auf den alten Posten als Straßenreiniger und ist, wie er sagt, zufrieden damit. Es wirkt, als würden die eigenen Erfahrungen ihm helfen, auch die Sorgen der anderen besser zu verstehen. Das Auffälligste in seinem Gesicht sind seine hellen Augen, offen und freundlich. Fast jeden Tag kommt jemand mit einer Frage zu ihm. Meistens ist er morgens schon vor dem Schichtbeginn in der Kantine, um Rat zu geben, er bleibt auch nach Feierabend manchmal länger. Viele seien psychisch belastet, sagt er. Mit der Familie, dem Partner, dem Leben läuft es nicht rund. Manchmal würde er es den Leuten auch ansehen, dass es ihnen nicht gut gehe. Dann spricht er sie direkt an. Früher hätte er es mit seiner Fürsorglichkeit manchmal übertrieben. Einige fingen schon an, ihre Zigaretten vor ihm zu verstecken. „Da hab ich mir gesagt, jetzt musst du dich mal ein bisschen bremsen“. Von der Wichtigkeit seiner Aufgabe ist er völlig überzeugt. Gefragt nach seiner Motivation, sagt er: „Man spürt Zufriedenheit bei den Kollegen.“ Außerdem sei er gerne Vorbild. Der 53-Jährige macht selbst viel Sport: mindestens dreimal die Woche joggen, Fahrrad fahren, regelmäßig meditieren. Oft erzählen ihm die Kollegen ausführlich von ihren Problemen, auch wenn sie das gar nicht müssten. Bahr ist vor allem Vermittler: zwischen seinen Leuten und den gesundheitlichen und sozialen Abteilungen innerhalb der BSR. Zum Thema Sucht gibt er die richtige Durchwahl. Einmal im Monat setzten sich alle Gesundheitslotsen und die Mitarbeiter der Gesundheits- und Sozialberatung zusammen. Die Lotsen erfahren so von neuen Projekten wie dem „grünen Apfel“, der kürzlich als Kennzeichnung in der Kantine eingeführt wurde für Gerichte, die besonders ausgewogen sind. Die Lotsen können Feedback geben, wie solche Aktionen in der Belegschaft ankommen oder ob es Probleme gibt. Die Zusammenarbeit funktioniere „super“, sagt Bahr.

Angela Janecke verneint nicht, dass es auch für die wirtschaftliche Bilanz besser ist, wenn die Quote der Krankschreibungen niedrig ist. „Ihr wollt ja nur, dass wir noch mehr arbeiten“, sagen ihr Mitarbeiter manchmal.

Andererseits betont sie: „Gesundheit ist wichtig für alle Lebensbereiche.“ Auch in der Freizeit und im Rentenalter wolle man noch gesund sein, also sei es auch außerhalb der Arbeitszeit wichtig, sich körperlich und geistig wohl zu fühlen. Wenn der Betrieb dies fördere, umso besser. Mario Bahr muss los. Um 6 Uhr hat er angefangen, aber der Bereich, den er und sein Kollegen abdecken, ist groß: vom Café am Neuen See bis zur Budapester Straße. Heute muss Laub gekehrt werden. Trotz der körperlichen Belastung mag er seinen Job. Und er weiß ja auch ganz genau, wie man dabei gesund bleibt.

Umfassende Informationen zur betrieblichen Gesundheitsförderung und zu weiteren Präventionsangeboten in Berlin wie kassenfinanzierte Pilates-Kurse: www.gesundheitsberater-berlin.de/praevention und www.berlin.de/stadtplan-gesundheitsfoerderung

Anna Ilin

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