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Gesundheit: Angst vor einer "feindlichen Übernahme" - Ab heute entscheiden die Aufsichtsräte

"Ich bin frustriert", ruft Peter Jähnichen in den Saal. Der Chef des Adlershofer Software-Instituts "First" redet sich auf einer Betriebsversammlung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) in Rage.

"Ich bin frustriert", ruft Peter Jähnichen in den Saal. Der Chef des Adlershofer Software-Instituts "First" redet sich auf einer Betriebsversammlung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) in Rage. Die GMD ist ein Verbund von acht Instituten, die Grundlagenforschung betreiben, also langfristige Visionen für neue Produkte und Verfahren entwickeln. Da das in Deutschland nicht viel Geld bringt, soll sich die GMD mit der Münchner Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) vereinigen. Ihre 47 Institute forschen für die Industrie. Nach Vorstellung von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) passen beide gut zusammen, nach Meinung der GMD-Forscher aber nicht. Einhellig wandten sich die Wissenschaftler gegen die Fusionspläne.

Die Gegensätze fallen schnell ins Auge. Während die GMD mit Standorten in Berlin, Darmstadt und Sankt Augustin gerade mal 180 Millionen Mark im Jahr umsetzt, sind es bei den 47 Fraunhofer-Instituten mehr als 1,3 Milliarden. Zwei Drittel der Gehälter für die mehr als 9000 Fraunhofer-Mitarbeiter fließen aus privaten Kassen - Ergebnis einer marktorientierten Forschung. "Wir nützen der Wirtschaft und bringen Arbeitsplätze", meint Fraunhofer-Präsident Hans-Jürgen Warnecke. Die FhG erwartet vom Fusionspartner einen privaten Finanzierungsanteil von mindestens 40 Prozent. "Damit drücken die uns an die Wand", schimpft Berthold Butscher vom GMD-Institut "Focus" in Dahlem. Er verweist darauf, dass sich trotz Grundlagenforschung viele kleine Kommunikationsfirmen im Umfeld der GMD gründeten. Gerade in Adlershof komme es zur Vernetzung von Unternehmen mit der Wissenschaft. Bei einer "feindlichen Übernahme" der GMD durch die FhG kämen diese Firmen unter die Räder. Er befürchtet auch, dass einige Standorte des Juniorpartners von der Schließung bedroht sein könnten. Die Abwicklung von unrentablen Instituten im Zuge der Fusion schloss Bulmahn jedoch in einer E-Mail an die GMD-Forscher aus: "Beide Einrichtungen müssen sich weiterentwickeln."

Der Bundestag will sich mit der Sache beschäftigen. Trotz des wachsenden politischen Drucks scheint die Fusion kaum aufzuhalten. Am heutigen Freitag wird der GMD-Aufsichtsrat über ein Zusammengehen bis zum 1. Januar 2002 entscheiden. Am Dienstag folgt das Aufsichtsgremium der FhG. Bulmahns Staatssekretär Uwe Thomas, der als treibende Kraft der Fusion gilt, dürfte sich im GMD-Aufsichtsrat auf die Vertreter der Bundesländer verlassen können. Die Stimme aus dem Berliner Senat, vertreten durch Wissenschaftsstaatssekretär Josef Lange, hält sich bedeckt. In Berlin gibt es drei Fraunhofer-Institute und zwei von der GMD. Lange will lieber keine Stellungnahme abgeben, um "nicht Öl ins Feuer zu gießen". Er weiß, dass der Kampf schnell zum Politikum geraten könnte. Butscher hat dagegen seine Hoffnung auf ein Scheitern noch nicht aufgegeben: "Auch bei der Dresdner und Deutschen Bank ist die Sache in letzter Minute noch geplatzt."

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