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Gesundheit: Archäologen als Diplomaten

Wie viel Politik steckt in antiken Ausgrabungen?

Wem gehören die Altertümer, die deutsche Archäologen im 19. und frühen 20. Jahrhundert ausgegraben haben? Im September feiert die Arbeitsstelle des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo ihren 100. Geburtstag. Seit 1907 haben sich die Rahmenbedingungen für das DAI komplett gewandelt. Preußen ist ebenso von der politischen Landkarte verschwunden wie das Osmanische Reich, zu dem Ägypten damals gehörte. Auch die Wahrnehmung der Archäologie durch Politik und Öffentlichkeit änderte sich seither: Aus dem Instrument kolonialer Machtansprüche ist ein Bote des kulturellen Austauschs geworden.

Vor der Kulisse des Pergamonaltars diskutierten jetzt archäologische Praktiker und Politiker über „Archäologie und Politik“. Der Pergamonaltar wurde vor 120 Jahren von deutschen Archäologen entdeckt und nach damaligem Recht völlig legal nach Berlin überführt. Heute wird er mit ritueller Regelmäßigkeit vom Bürgermeister von Bergama zurückgefordert, so wie der Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, den Kopf der Nofretete verlangt, der sich im Ägyptischen Museum befindet. Wenn Archäologie den Archäologen aus der Hand genommen wird, endet sie nicht selten in solcher Symbolpolitik.

Wie politisch darf Archäologie – in Deutschland eines der wichtigsten Elemente auswärtiger Kulturpolitik – sein, ohne wissenschaftlich Schaden zu nehmen? Sind Archäologen die besseren Diplomaten? Oder sollten sie sich mit der Rolle des Notarztes bescheiden, der den Westen bei Militäraktionen berät, um Kollateralschäden wie im Irak zu verhindern, fragte der Ex-Aspekte-Moderator Manfred Eichel seine Gesprächspartner. Jürgen Chrobog, bis 2005 als Staatssekretär im Auswärtigen Amt für auswärtige Kulturpolitik zuständig, und der Botschafter Syriens in Berlin, Hussein Omran, schätzen Archäologen als Botschafter, die unterhalb politischer Stürme für gutes Klima sorgen. Dem steht das neue Selbstbewusstsein arabischer Staaten gegenüber, die sich in einer Nationalisierung der dortigen Archäologie ausdrückt. Saddam Hussein, so McGuire Gibson, Irak-Spezialist aus Chicago, habe daraus ein Gutteil seiner Legitimation gezogen. Ein ganz anderes Beispiel: Ägypten. Dort wird es für das DAI immer schwieriger, attraktive Grabungen fortzuführen. Das machen die Ägypter mittlerweile lieber selbst.

Trotz solcher Rückschritte, so DAI-Präsident Hermann Parzinger und Dietrich Wildung vom Ägyptischen Museum Berlin unisono, gehöre moderne archäologische Zusammenarbeit zu den „friedenserhaltenden Maßnahmen“, die vergleichsweise wenig kosten, doch viel zu gegenseitigem Verständnis beitragen. Wildung dreht den Gedanken noch etwas weiter. Die Berliner Museen dächten darüber nach, in Kairo, Alexandria und anderen arabischen Städten Zweigmuseen mit westlicher Spitzenkunst einzurichten. Außenminister Steinmeier habe Wohlwollen signalisiert. Wildung sieht es als Gegengabe: „Wir sind in der Pflicht, uns zu bedanken: für die kulturellen Geschenke, die uns diese Länder seit Jahrhunderten machen.“

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