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Gesundheit: Asthma: Bald kommt die Anti-Allergie-Spritze

Dass man für Asthma eine "Veranlagung" haben kann und dass diese und andere allergische Erkrankungen familiär gehäuft auftreten, weiß man schon lange - aus Erfahrung. Seit die Buchstabenfolge des menschlichen Genoms so gut wie vollständig bekannt ist, sind die Ansprüche gestiegen: Nun will man wissen, auf welchen Genen die Veränderungen lokalisiert sind, die für Asthma besonders anfällig machen, und wie sie aussehen.

Dass man für Asthma eine "Veranlagung" haben kann und dass diese und andere allergische Erkrankungen familiär gehäuft auftreten, weiß man schon lange - aus Erfahrung. Seit die Buchstabenfolge des menschlichen Genoms so gut wie vollständig bekannt ist, sind die Ansprüche gestiegen: Nun will man wissen, auf welchen Genen die Veränderungen lokalisiert sind, die für Asthma besonders anfällig machen, und wie sie aussehen.

Auf dem Jahreskongress der European Respiratory Society wurde betont, dass auf jeden Fall mehrere Gene an der Anfälligkeit für Asthma beteiligt sind. "Wir haben schon einige Kandidaten", erklärte Jan Hall aus Nottingham. In fünf Jahren, so hofft sein Kollege Peter Barnes aus London, wird man testen können, welche genetischen Detail-Unterschiede (die Fachleute sprechen von "SNP", Single Nucleotide Polymorphisms) ein Asthma-Patient aufweist. "Dann kann man am Computer erfahren, welche Medikamente bei ihm am meisten Erfolg versprechen."

Bis dahin wird wohl auch ein Medikament auf dem Markt sein, auf das schon heute große Hoffnungen gesetzt werden. Es ist ein monoklonaler Antikörper, den der Arzt dem Patienten im Abstand von mehreren Wochen unter die Haut spritzt. Dieser Anti-IgE-Antikörper E 25 fängt das Immunglobulin E (kurz: IgE) ab, einen körpereigenen Eiweißstoff, der bei Allergikern kurz nach dem Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff gebildet wird, dann im Blut zirkuliert und als Allergiebote funktioniert.

Immunzellen frei halten

Durch den neuartigen, gentechnisch hergestellten Antikörper mit dem Substanznamen Omazilunab wird das IgE daran gehindert, sich an Immunzellen anzuheften. Damit fehlt diesen Zellen die Veranlassung, Substanzen wie das Histamin freizusetzen, die die Allergie-Symptome hervorrufen.

Dieser völlig neue Behandlungsansatz ist vor allem für Allergiker interessant, die auf eine Vielzahl von Substanzen reagieren, bei denen also wenig Chancen auf eine wirksame Hyposensibilisierung bestehen. "Wir haben in unserer Spezialambulanz immer wieder Kinder, die gegen den ganzen Garten allergisch sind", sagt Ulrich Wahn, Kinderarzt und Allergie-Experte an der Charité.

Dass der monoklonale Antikörper bei schwerem Asthma und hartnäckigem, nicht auf die Heuschnupfen-Saison beschränkter Rhinitis hilft, ist inzwischen durch mehrere Studien bewiesen. Auf dem Kongress wurde von Roland Buhl (Mainz) eine Untersuchung vorgestellt, die die Daten mehrerer Einzeluntersuchungen zusammenfasst. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen zeigte sich: Wer mit dem Anti-IgE-Antikörper behandelt wurde, musste deutlich seltener wegen einer Verschlimmerung der Krankheit im Krankenhaus aufgenommen werden als Studienteilnehmer, die nur ein Scheinmedikament bekamen.

Eine Studie aus Großbritannien konnte zudem zeigen, dass Asthma-Patienten, denen Omazilunab gespritzt worden war, ihr Leiden mit einer niedrigeren Kortison-Dosis in den Griff bekamen. Auch eine Studie, die Oliver Noga von der Charité vorstellte, ergab, dass die mit der Spritze behandelten 35 Asthma-Patienten deutlich weniger Notfallmedikamente brauchten.

Eine Studie des Asthma-Experten Wahn hatte schon im Frühjahr gezeigt, dass die Kombination der spezifischen Immunisierung gegen einzelne Allergene mit der unspezifischen IgE-Therapie Erfolg verspricht: 221 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 17 Jahren, die an Heuschnupfen litten, waren entweder nur mit einer Hyposensibilisierung gegen Birkenpollen und Gräser oder mit beidem behandelt worden. Die allergischen Symptome fielen bei den doppelt Therapierten nur halb so heftig aus. Kortisonpräparate und Antihistaminika konnten drastisch reduziert werden.

Trotzdem wird die "Anti-Allergiespritze" nicht - wie noch im Frühjahr angekündigt - schon dieses Jahr auf den Markt kommen. Die Zulassungsbehörden in den USA und in Europa zweifeln nicht an den Wirkungen, wollen aber weitere Belege zu Verträglichkeit und Nebenwirkungen abwarten. Schließlich geht es auch um die Zulassung für die allergische Rhinitis, eine Krankheit, die weniger schwer ist als das Asthma, weshalb besonders hohe Anforderungen an die Verträglichkeit zu stellen sind.

Keine Nierenschäden bekannt

Bisher gibt es allerdings keine konkreten Hinweise für die Befürchtung, dass durch die Bildung Immunkomplexe, Gefäßerkrankungen und Nierenschäden entstehen könnten. "Die Komplexe scheinen gut über die Niere ausgeschieden zu werden", meint Wahn. Der Allergie-Spezialist hofft darauf, dass die Spritze bald auch außerhalb von Studien eingesetzt werden kann, vor allem für schwer kontrollierbares Asthma auf allergischer Grundlage.

Bis dahin bleibt es bei der spezifischen Hyposensibilisierung, den Medikamenten, die gegen die entzündlichen Reaktionen helfen, und natürlich beim Rat, bekannte Allergene möglichst zu meiden.

Gehören die haarigen Haustiere weiter dazu? Beim Kongress der Lungenexperten standen auch sie auf der Tagesordnung. Für Schlagzeilen hatte schon vor einiger Zeit die Vermutung gesorgt, dass der frühe Kontakt mit Hund und Katze das Immunsystem eher günstig beeinflusst. Einstweilen sind das allerdings Hypothesen. Wahns Rat ist deshalb klar: "Wenn eine Familie weiß, dass sie zu Allergien neigt, kann man vor der Anschaffung von Haustieren nur warnen." Dass Bauernkinder weniger Allergien haben, hat andere Gründe: "Die Bakterien im Stall sind eine heiße Spur." Der frühe Kontakt mit einer Vielzahl von Keimen könnte dazu führen, dass die T2-Helferzellen, die bei der Allergieentstehung Bedeutung haben, gegenüber den T1-Helferzellen, die im Kampf gegen Infektionen gebraucht werden, ins Hintertreffen geraten.

Adelheid Müller-Lissner

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