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Gesundheit: Auf den Spuren der Fische

Als sich der polnische Journalist Ryszard Kapuscinski in der sibirischen Stadt Jakutsk aufhielt, kam er mit der neunjährigen Tanja ins Gespräch. Sie erzählte ihm, woran man in Sibirien erkennen kann, dass es extrem kalt geworden ist: Bei klirrendem Frost komme ein heller, schimmernder Nebel auf.

Als sich der polnische Journalist Ryszard Kapuscinski in der sibirischen Stadt Jakutsk aufhielt, kam er mit der neunjährigen Tanja ins Gespräch. Sie erzählte ihm, woran man in Sibirien erkennen kann, dass es extrem kalt geworden ist: Bei klirrendem Frost komme ein heller, schimmernder Nebel auf. Geht irgendjemand durch diesen Nebel, hinterlässt sein Körper darin eine charakteristische Spur. Im Nebel bildet sich eine Art Korridor, dessen Umrisse die Gestalt des Körpers getreu wiedergeben. In Sibirien ist es deshalb ohne weiteres möglich, aus der Form eines Korridors abzulesen, ob ein Bekannter dort vorbeigegangen ist. Verläuft aber ein Korridor im Zickzack, deutet das darauf hin, dass an dieser Stelle ein Betrunkener entlang getaumelt ist.

Was im Nebel funktioniert, klappt auch im Wasser. Die Fische hinterlassen im Wasser charakteristische Spuren – und diese Spuren unterscheiden sich von Fischart zu Fischart. Es kann dabei mehrere Minuten dauern, bis sie sich wieder aufgelöst haben. Zu dieser erstaunlichen Erkenntnis sind die Bonner Zoologen Horst Bleckmann und Wolf Hanke gelangt. Ihre Forschungsergebnisse sind im „Journal of Experimental Biology“ (Nummer 207, Seiten 1585-1596) erschienen.

Die Wissenschaftler wählten für ihre Experimente drei Fischarten mit unterschiedlichen Schwimmstilen: den Buntbarsch, den Sonnenbarsch und den Kugelfisch. Während die Buntbarsche mit schlängelnden Bewegungen schwimmen und dabei immer wieder ihre Brustflossen zu Hilfe nehmen, setzen die Sonnenbarsche zur Beschleunigung zusätzlich ihre Schwanzflosse ein, die Kugelfische hingegen ihre Rücken- und Afterflossen.

Für den Versuch versetzten die Forscher das Wasser im Laboratoriumsaquarium mit Schwebstoffpartikeln. Diese wurden mit Laserlicht beschossen, um sie zum Aufleuchten zu bringen. „Die Fische hatten wir so trainiert, dass sie durch das Becken geradewegs zu einem Ziel schwammen, an dem wir sie mit Futter belohnten“, sagt Hanke, der heute an der Ruhr-Universität in Bochum arbeitet. Mit Hochgeschwindigkeitskameras zeichneten die Wissenschaftler die Bewegungen der weniger als einen Millimeter großen Schwebstoffpartikel auf. Anhand dieser Bilder konnte der Computer schließlich berechnen, in welchem Maße sich die Strömungsverhältnisse im Wasser verändert hatten.

Es zeigten sich drei unverwechselbare Verwirbelungsmuster. „In unbewegtem Wasser war die Spur eines Sonnenbarsches noch nach fünf Minuten deutlich zu erkennen, die des Buntbarsches noch nach drei Minuten“, sagt Hanke. Der Kugelfisch brachte das Wasser zwar weit weniger in Wallung. Doch auch er hinterließ Turbulenzen, die mehr als 30 Sekunden lang erhalten blieben.

Bleckmann und Hanke führen gegenwärtig Experimente mit einem künstlichen Fisch durch, die Aufschluss darüber geben sollen, wie sich die Körperlänge, die Flossengröße und die Flossenform auf die Verwirbelungen im Wasser auswirken. Die Wissenschaftler wollen klären, ob Fische fähig sind, die Schwimmspuren zu lesen und aus ihnen zu schließen, dass Artgenossen, Raubfeinde oder Fische, auf die sie selbst Jagd machen, in unmittelbarer Nähe sein müssen.

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