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Gesundheit: Auf den Spuren Leonardo da Vincis

Das Genie inspiriert das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

Leonardo da Vinci gilt als das italienische Universalgenie der Renaissance. Gleichzeitig Maler, Bildhauer und Architekt, Musiker, Anatom, Mechaniker sowie Ingenieur, Naturphilosoph und Erfinder, gelangte er zu Erkenntnissen, die sich ihm isoliert in einer Disziplin so vielleicht nie erschlossen hätten. Auf wen könnte sich ein Redner da besser beziehen, der zur Neubau-Einweihung des Max-Planck-Instituts (MPI) für Wissenschaftsgeschichte in Dahlem sprechen soll?

Paolo Galluzzi, Direktor des Wissenschaftsgeschichtsmuseums und -instituts in Florenz, gab in seiner Festansprache einen Einblick in das Denken und die Arbeitsweise da Vincis. Deutlich werde dessen „integrierter Ansatz“ anhand der Studien über die Natur von Flammen. Eine Doppelseite widmet da Vinci in seinem „Codex Atlanticus“ dem Thema, betitelt „Über die Bewegung der Flamme“. In dem Manuskript, das wahrscheinlich um das Jahr 1510 entstanden ist, steht der kompakte Text im Mittelpunkt, am Rand veranschaulichen kleine Zeichnungen die Ausführungen.

Während da Vinci bei Kerzenschein arbeitete, hätten ihn Bewegung, Form und Farben der Flamme fasziniert, sagte Galluzzi. Die theoretischen Kenntnisse, basierend auf Aristoteles’ „Physik“, vereinte da Vinci mit eigenen Beobachtungen und Experimenten. Dabei habe er gezeichnet und sei so zu erstaunlichen Erkenntnissen über die „Elemente und Kräfte der Natur“ gelangt. Wie die, dass Flammen nichts anderes seien als kondensierter Rauch – und dadurch blaugefärbt überhaupt nur sichtbar. Dieser Rauch, so die Beobachtung, strebe in der Mitte nach oben, um an den Seiten wieder herabzusteigen. Den Wissenschaftler da Vinci interessierte der Grund für diese konstante Bewegung, die der Maler da Vinci in seinen Zeichnungen festhielt. Als Motor machte er die Luft aus. „Leonardo faszinierte das dynamische Zusammenspiel von Luft, Rauch und Flamme, das er präzise mit mechanischen Begriffen beschreibt“, sagte Galluzzi.

Das war eine Art der Erforschung, wie es sie bis dahin noch nicht gegeben hatte. Aus Erkenntnissen scheinbar banaler Vorgänge leitete da Vinci, der sich selbst als „Schüler der Natur“ bezeichnete, universelle Naturgesetze ab. So zog er den Vergleich mit Wolken (kondensiertem Wasser) oder der Arbeitsweise von Herz und Lunge. Wie die Kerze nicht ohne Luft brennen könne, sei es auch der Lunge unmöglich, ohne sie zu atmen.

Da Vinci verkörpert geradezu perfekt, wie fruchtbar eine enge Verzahnung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen sein kann. Ein Ansatz, der auch einem Beamten im preußischen Kultusministerium vor mehr als 100 Jahren als Vision vorschwebte, wie die Berliner Kulturstaatssekretärin Barbara Kisseler anmerkte. Friedrich Althoff, den man als Erfinder aktiver Wissenschaftspolitik bezeichnen kann, träumte Ende des 19. Jahrhunderts von Dahlem als einem „deutschen Oxford“: Als „Zentrum der reinen Wissenschaft“, unabhängig von den Universitäten und ohne Lehrverpflichtungen, sollte ein Wissenschaftsstandort Dahlem den Erkenntnishunger der damaligen Gesellschaft stillen.

Mehr als 140 neue Institute, Seminare und Kliniken sind auf Althoffs Drängen entstanden, viele davon im Berliner Südwesten in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander – ein Vorgang, der heute unter dem Begriff Clusterbildung wieder angestrebt wird.

Dieser Wissenschaftsstandort ist nun mit dem MPI noch verstärkt worden. Zwölf Jahre nach seiner Gründung ist das Institut aus der Tschechischen Botschaft in Mitte nach Dahlem umgezogen. Am Freitag wurde der Neubau feierlich eingeweiht, den die Geschäftsführende Direktorin Lorraine Daston eine Architektur nannte, die sich „als kristallisierte Intelligenz in Holz, Glas und Stein“ darstelle: leicht, hell und luftig und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Freien Universität. Leonardo da Vinci und Althoff hätte das sicherlich gefallen.

Mehr Informationen über das Max-Planck-Institut im Internet:

www.mpiwg-berlin.mpg.de/

Juliane Schäuble

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