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Gesundheit: Auf der Suche nach der besten Mensa - Das Neonlicht macht aus Camembert deutschen Butterkäse

Optimale Vorbereitung ist alles: Der Tank ist voll, der Magen leer. Um 11 Uhr 15 parke ich in der Reinhardtstraße ein, pünktlich zur Öffnungszeit der Mensa-Nord der Humboldt-Universität.

Optimale Vorbereitung ist alles: Der Tank ist voll, der Magen leer. Um 11 Uhr 15 parke ich in der Reinhardtstraße ein, pünktlich zur Öffnungszeit der Mensa-Nord der Humboldt-Universität. Im Erdgeschoss des Würfelbaus hängen Mensa-Mannschaftsfotos über der "Unternehmensphilosophie der Speisebetriebe des Studentenwerkes Berlin" mit den drei Losungen: "1. Der Gast steht im Mittelpunkt. 2. Wir sind mitarbeiterorientiert. 3. Wir kämpfen um Qualität." Fehlt eigentlich nur noch ein Fünf-Semester-Plan. Das Speiseangebot ist breitgefächert: Neben Vor-, Nach- und Süss-Speisen, Bio-Essen, Essen II und Essen III beglücken liebevoll hergerichtete Stände mit frischem Baguette und Körnerbrötchen und frisch gepressten Säfte. Die "italienische Bratwurst" macht neugierig, ist aber als erster Gang ungeeignet. Statt dessen wähle ich Eisbergsalat mit Tomaten und Gurken.

Die Speiseausgabe ähnelt einem sorgsam gehegten Schrebergarten: die Scheiben am kunstgrün behagenen Gartenzäunchen ziert Gemüse. Beim Anstehen an der Kasse bleibt Muße, die ernährungspädagogischen Plakate ("Kernobst, Exoten, Zitrusfrüchte") an den Säulen zu studieren. Zahlen kann man nur mit der Giro-Vend-Karte, die es gegen Vorlage eines gültigen Studentenausweises und drei Mark Pfand gibt, womit der Küchenchef vielleicht die Nebenrollen-Mimen vom benachbarten Deutschen Theater abschrecken will. Denn die Mensa-Nord ist ohnehin schon voll genug.

Zum zweiten Gang fahre ich zum Hauptgebäude der Humboldt-Uni. Die Mensa hier sieht aus wie eine Durchhalteparole, denn im Vergleich zur neueren Mensa-Nord gibt es in der Mensa-Süd im Erdgeschoss des linken Seitenflügels von allem weniger: weniger Essensauswahl (kein Essen III), weniger Platz, weniger Licht. Wer sich nicht von den Bunker-kahlen Wänden vor dem Eingang im Haus abschrecken lässt, wird jedoch mit einer entzückenden kleinen Salatbar im Vorraum und dem Fensterblick auf die satten Kastanien im Innenhof belohnt. Lange Schlange bei Essen II.Weil die italienische Bratwurst nicht angeboten wird und ich mich zur panierten Flunder nicht überwinden kann, kommt Vanille-Sahnequark aufs Tablett, für 60 Pfennig im Angebot. Das Personal ist freundlich wie in allen Mensen, die beliebteste Kleiderfarbe bei den Studenten in Mitte ist übrigens definitiv schwarz.

Ich werfe noch einen Blick in die benachbarte "Professorenmensa". "Nein", lacht die Bedienung, "man kommt hier auch ohne Doktortitel rein". Kalbsgulasch mit Waldpilzen, Rotkohl und Petersilienkartoffeln kosten 7 Mark 10 Mark. So ist denn an den Tischdeckentischen noch viel Platz, und die Professoren bleiben doch unter sich.

Meinen dritten Gang esse ich in der großen TU-Mensa in der Hardenbergstraße. Diesmal packe ich die Gelegenheit beim Zipfel, die italienische Bratwurst zu versuchen, zusammen mit Salzkartoffeln, Bohnen und einer Tüte Milch für 4 Mark 30. Beim Anstehen an der stets übervollen Kasse hat der Kunde Zeit, antike Plakate mit dem Mensa-Festspielprogramm der zurückliegenden zwei Dekaden zu studieren. Ich frage mich, wer im zweistöckigen Betonsaal schon die "12. Mensawoche: Frankreich zum Anbeißen" miterlebt haben mag. Sie lief 1985. An Speisen und Sitzplätzen herrscht hier kein Mangel. Die Studentenschaft der Technischen Universität ist bunt und international, worauf sich das Personal mit einem quietschgelben Pappschild über der Kasse eingestellt hat, das hilfreich "Payment in cash possible" verkündet. An der Geschirrabgabe wacht ein Mensa-Mitarbeiter im perfekten Koch-Outfit mit gestrengem Blick. Man werde sich also vorher klar, wie das Besteck auf dem Tablett ausgerichtet wird.

Für meinen vierten Gang fahre ich in die kleine FU-Mensa in Dahlem, gleich neben den Fachbereichen Jura und Wirtschaftswissenschaften. Die Herren und Damen Studenten sind entsprechend sorgfältig gekleidet: hier ein Anzug, da eine Krawatte. Dank der fortgeschrittenen Zeit - es ist fast 14 Uhr - gibt es ausreichend Sitzplätze. Mit ihrer Dachterrasse ist dies baulich die schönste Mensa. Sprachlich auch: das Flunderfilet zu 2 Mark 35 wird hier nicht, wie an der TU, mit schnöder Zitronensoße gereicht, sondern mit "Sauce Verte". Ein Quark heißt aber auch Quark und genügt mir. Blick auf die Uhr: Kurz vor halb drei, der Schließzeit aller Mensen. Vollgas.

Rechtzeitig zum fünften Gang schaffe ich es in die große "Mensa FU II" in der Silberlaube. Nach geduldiger Beratung durch eine Mensa-Angestellte entscheide ich mich für einen frisch gepressten "Ferrari-Cup": Orange, Erdbeere, Zitrone. Von allen getesteten Mensen glänzt diese hier durch die reichhaltigste Speiseauswahl, inklusive Französischem Rotwein für ein gemütliches Nachmittagsseminar. Seit Anfang September wird als Vorspeise Antipasti geboten, eingelegte Artischocken, Fenchel, Paprika und Zwiebeln mit Weißbrot. Schade nur, dass die Neonbeleuchtung im Speisesaal aus jedem Camembert einen Deutschen Butterkäse macht.

Fazit des Fast Foods: Für Sympathisanten billigen und akzeptablen Essens sind alle Mensen faktisch konkurrenzlos: 8 Mark 69 sind für ein Fünf-Gänge-Test-Essen schwer zu unterbieten. In kommunikativer Hinsicht bieten lange Schlangen Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen. Empfohlenes Startthema: Das Temperaturverhalten der Speise auf der Kriechspur zur Kasse.

Erik Heier

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