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Gesundheit: Auf goldenen Stühlen

Theater mit Reemtsma und Enzensberger

Sie sitzen auf goldenen Stühlen, Hans Magnus Enzensberger als Diderot und Jan Philipp Reemtsma als Helvetius. Vor sich haben sie den Park-Abend von Sanssouci, hinter ihnen versammeln sich lüsterne Ovidsche Nymphen, Faune und Götter in Gold. Sie illustrieren auf ihre Weise die erste Groß-These des Helvetius: Die treibenden Kräfte des Menschen sind Lust und Unlust und sonst gar nichts. Helvetius, der französische Aufklärer, hat aber noch mehr Thesen aufgestellt. Etwa die: Erziehung ist alles. Diderot, sein französischer Mit-Aufklärer, fand Menschen mit nur einer These schon immer verdächtig. Warum nur eine These haben, wenn es doch so viele gibt? Etwa: Die Begabung ist alles!

Das Einstein-Forum Potsdam lud zum szenischen Dialog, zum Philosophenstreit ins kongeniale Aufklärer-Schloss. Voltaire war lange hier, Helvetius soll auch mal da gewesen sein, er ist aber keinem so richtig aufgefallen. Keinem aufgefallen? Es sieht also nicht gut aus für den Groß-Thesen-Mann Helvetius. Das liegt auch daran, dass Hans Magnus Enzensberger den Diderot-Helvetius-Dialog selbst geschrieben hat und unbedingt den Diderot sprechen wollte. Enzensberger sitzt also auf seinem goldenen Stuhl und attackiert Reemtsma-Helvetius mit gönnerhaftem Selbstgenuss. Der kann sich gar nicht gut wehren, denn Enzensberger hat ihm nur kleine defensive Antworten notiert. Wenn Erziehung alles sei, dann könne er, Helvetius, ihm, Diderot, ruhig seine Jagdhunde mitgeben und er werde sie ihm vollkommen verdackelt wiederbringen. Einfach umerzogen.

Vielleicht hätte Reemtsma sich einfach ein bisschen Text hinzuschreiben sollen. Dann hätte er diesem Diderot sagen können, dass jede These eine Übertreibung sein muss, damit man sie überhaupt erkennen kann. Und was für ein revolutionärer Gedanke ist doch die Erziehbarkeit! Bis eben noch (Aufklärung!) war alles über einen Menschen entschieden, sobald er geboren war. Erst die Annahme der Erziehbarkeit macht den Menschen weltoffen. Und Thesen sind dazu da, dass man besser mit ihnen spielen kann. Enzensberger und Reemtsma können das, und hinterher finden beide, dass Erziehung ohnehin am besten ist, wenn sie gar nicht wie Erziehung aussieht. Eher wie Spiel.

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