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Gesundheit: Aus der neuen Welt

Die Raumsonde „Galileo“ hat sieben Jahre lang Jupiters Monde erkundet. Sie entdeckte tiefe Ozeane und aktive Vulkane – nun endet die Reise

In der Nacht des 7. Januar im Jahre 1610 richtete Galileo Galilei sein neues „Augenglas“ auf den Planeten Jupiter. „Ich erkannte, dass bei ihm drei Sternchen standen, die zwar klein, aber sehr hell waren.“ Drei Nächte darauf sah Galilei nur noch zwei Himmelskörper, „während der dritte, so vermutete ich, sich hinter dem Jupiter verbarg“. Kurz darauf waren aus den drei Himmelskörpern vier geworden, „vier Sterne, die um den Jupiter kreisen wie der Mond um die Erde“.

Galilei hatte mit seinem Fernrohr eine neue Welt entdeckt. Aber wie sehr diese Welt einem Sonnensystem im kleinen Maßstab ähnelt, beginnen wir erst jetzt zu verstehen, da die amerikanische Raumsonde „Galileo“ die Monde aus der Nähe erkundet hat.

Die vier Monde des Jupiter sind zwar alle weit von der wärmenden Sonne entfernt. Doch wer gedacht hatte, hier draußen nur auf kometenähnliche Eisbälle zu stoßen, der wird allenfalls in dem äußersten Mond Kallisto einem solchen begegnen.

Jeder Mond ist anders. Auf Io brodeln so viele Vulkane wie auf keinem anderen bekannten Himmelskörper. Der Mond Europa dagegen besitzt vermutlich einen Ozean aus flüssigem Wasser unter seiner Kruste. Ganymed, der größte Mond des Sonnensystems, ist aus unterschiedlichen Eis- und Gesteinsschichten aufgebaut.

Am stärksten hat die Nähe zum Jupiter den Mond Io geprägt. Io ist etwa so groß wie der Erdenmond. Aber es gibt dort 150 bis 300 aktive Vulkane, die immer wieder Lava ausspucken. Ständig steigt Rauch über dem Mond auf, der überall mit Schwefel bedeckt ist. Io schillert daher in grellen Farben: je nach Art der Schwefelverbindungen in Gelb, Rot und Tiefgrün.

Die Raumsonde „Galileo“ verfolgte unter anderem Eruptionen des Io-Vulkans Pillan Patera. Die ausströmende Lava war mit Temperaturen von über 1500 Grad Celsius ungeheuer heiß und flüssig – so heiß wie bei Vulkanausbrüchen auf der Erde vor Milliarden Jahren. „Der Vulkanausbruch bedeckte innerhalb von sechs Monaten ein Gebiet von der Größe Norddeutschlands völlig mit Asche“, sagt Tilmann Denk vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof.

„Die Vorbeiflüge an Io waren ein Highlight der Mission“, sagt sein Kollege Ralf Jaumann. Die Messungen hätten eindrucksvoll bestätigt, dass Jupiter den Mond Io durch seine Gezeitenkräfte extrem aufheizt. Der riesige Planet walkt den kleinen Mond regelrecht durch und bringt ihn innerlich zur Weißglut. Ios Oberfläche hebt und senkt sich um viele 100 Meter. Wegen der enormen Schwerkraft des Jupiter und des Einflusses der Nachbarmonde wandern die hohen Gezeitenberge um den Mond. Die äußerste Kruste des Mondes ist trotzdem fest. Denn das umgebende Weltall ist – weit ab von der Sonne – etwa minus 160 Grad Celsius kalt.

Von Io zu seinem Nachbarmond Europa ist es – astronomisch gesehen – nur ein kleiner Sprung. Trotzdem hat Europa ein völlig anderes Erscheinungsbild. So hat die „Galileo"-Sonde zum Beispiel keinen einzigen Vulkanausbruch auf Europa registriert. Die Oberfläche des Mondes ist völlig vereist. Durch das Eis ziehen sich tiefe Risse. Vielerorts sieht es so aus, als seien dort Eisberge umhergetrieben. Mächtige Packeis-Platten haben sich ineinander verkeilt. „Die meisten Forscher gehen davon aus, dass das Eis auf einem Ozean aus flüssigem Wasser schwimmt“, sagt Tilmann Denk. Das Meer sei vielleicht nur wenige Kilometer, vielleicht auch 100 Kilometer dick.

Hinweise auf einen solchen Ozean geben auch die Magnetfeldmessungen der „Galileo“-Sonde. Mit ihrer Hilfe stellten die Forscher fest, dass es unter der Mondoberfläche eine Schicht gibt, die den elektrischen Strom gut leitet. Ein Ozean, in dem Salze gelöst sind, könnte die gemessenen (induzierten) Magnetfelder am besten erklären.

Einige Forscher spekulieren bereits über mögliche Lebewesen in Europas tiefem Ozean. Durch das darüber liegende Eis wären sie vor der kosmischen Strahlung gut geschützt. Ein unterirdischer Vulkanismus könnte sie mit den nötigen Mineralstoffen und Gasen versorgen – ähnlich wie jene Mikroben, die in der Nähe von Tiefsee-Vulkanen der Erde leben und sich in deren heißen Schloten von Schwefel und Methan, Wasserstoff und Kohlendioxid ernähren.

Ganymed und Kallisto sind bereits deutlich weiter von Jupiter entfernt. Die Schwerkraft des Jupiter trägt hier kaum noch zu einer inneren Aufheizung bei. Vermutlich sind sie daher auch nicht warm genug, um Wasser verflüssigen zu können.

Ganymed ist größer als der Planet Merkur. Er hat als einziger Mond im Sonnensystem ein eigenes starkes Magnetfeld. Die Existenz dieses Magnetfeldes lässt darauf schließen, dass der Mond einen Kern aus flüssigem Eisen besitzt. Diesen Kern umgibt einen Gesteinsmantel, an den sich ein bis zu 800 Kilometer dicker Eismantel anschließt. Ganymed ist offenbar schon lange erstarrt. Noch älter sieht jedoch die Kruste des Mondes Kallisto aus. Die „Galileo“-Bilder zeigen eine uralte Kraterlandschaft. Die vielen Kometen und Asteroiden, die hier niedergegangen sind, haben bis zu 1700 Kilometer große Einschlagsbecken hinterlassen.

„Galileos“ eindrucksvolle Bilder haben uns gezeigt, dass Himmelskörper auch unabhängig von ihrer Entfernung von der Sonne sehr vielgestaltig sein können. „Die Entwicklung der Jupitermonde wurde hauptsächlich durch die Schwerkraft des Jupiter bestimmt", sagt Gerhard Neukum, Planetenforscher an der Freien Universität Berlin. „Wir sehen dort ein Sonnensystem im Kleinen.“

Die Raumsonde „Galileo“ hat uns mit dieser neuen Welt ein wenig vertraut gemacht. Und da der Mond Europa sogar belebt sein könnte, will die Nasa nun verhindern, dass die Raumsonde eines Tages auf den Mond stürzt und ihn kontaminiert. Sie hat daher bereits einen Kurs eingeschlagen, der sie am morgigen Dienstag ein letztes Mal an einem Mond vorbeiführt: dem kleinen Mond Amalthea, einer steineren, 270 Kilometer langen Kartoffel. Die Kenntnis ihrer Zusammensetzung könnte ein neues Licht auf die Entstehung der Monde werfen. Aber es wird nur ein kurzer Besuch werden. Danach wird die Raumsonde auf weiter Schleife dem Jupiter entgegensteuern. In dessen Gasatmosphäre soll sie im nächsten Jahr verglühen.

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