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Gesundheit: Aus einem Euro werden vier

Ausgaben für den Kindergarten lohnen sich, zeigt ein Gutachten / DIW empfiehlt Investitionen statt Kindergeld

Kindergärten ausbauen, Ganztagsschulen schaffen? Da sind sich die Finanzpolitiker der meisten Bundesländer und Kommunen schnell einig: Diese hohen Kosten können wir uns nicht leisten. Ein neues Gutachten von der Universität Bielefeld kommt zu einem anderen Schluss: Investitionen in Kindertagesstätten lohnen sich. Aus einem investierten Euro werden vier – an zusätzlichen Steuereinnahmen, privaten Mehreinnahmen, eingesparter Sozialhilfe. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) empfiehlt in einem seiner jüngsten Wochenberichte, künftig staatliche Familienförderung stärker in den Ausbau der Kindertagesstätten zu stecken, als das Geld an die Eltern auszuzahlen.

Die Auseinandersetzung über die richtige Förderung von Kindern und Familien hat infolge der Pisa-Studie den deutschen Bundestagswahlkampf erreicht. Für die Bildungsexperten soll der Kindergartenausbau zu früher pädagogischer Förderung und damit zu einem besseren Leistungsniveau in der Schule führen. Die Familienpolitiker wollen zudem erreichen, dass die Eltern, also meist die Mütter, Kinder und Arbeit besser miteinander vereinbaren können. Die SPD hat vier Milliarden Euro für mehr Ganztagsschulen versprochen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erwägt, die geplante nächste Kindergelderhöhung in Kindertagesstätten zu investieren. Die Union setzt dagegen auf ein Familiengeld, das in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes an die Eltern ausgezahlt wird – wenn sie zu Hause bleiben.

„Nicht Kinder machen arm, sondern dass die Eltern dann oft nicht mehr voll arbeiten gehen können", begründete SPD-Familienpolitikerin Renate Schmidt ihr Eintreten für mehr Kindergartenplätze. Die Statistik bestätigt das: Paare mit kleinen Kindern verdienen nur 61 Prozent des Einkommens von kinderlosen Ehepaaren. Besser als diese kommen nur allein stehende Männer weg. Allein erziehende Frauen mit kleinen Kindern haben im statistischen Durchschnitt sogar nur 38 Prozent vom Einkommen der kinderlosen Ehepaare.

Das erklärt sich, wenn man auf das Angebot an Ganztagsplätzen in Kindergärten oder gar Krippen sieht: sie sind in Deutschland bisher absolute Mangelware – anders als in den meisten anderen europäischen Industrieländern. Und selbst an den wenigen Ganztagseinrichtungen, die es gibt, werden die Kinder oft mittags zum Essen nach Hause geschickt. Wer kann das mit einem Arbeitsplatz vereinbaren?

Ohne Kindergarten Sozialhilfe

Folgt man der Wissenschaftlerin Kathrin Bock-Fabulla, lohnen sich also die Investitionen in Kindergärten auch für den Staat. Als durchschnittliche Kosten legte die Forscherin 5200 Euro pro Jahr und Platz in der Kindertagesstätte zugrunde. Dabei wurden die Betriebskosten der Kindergärten dem Nutzen für Staat und Eltern durch höheres Einkommen, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gegenübergestellt. Die Untersuchung beruht auf einer repräsentativen Stichprobe des sozioökonomischen Panels für Westdeutschland 1999 und Fallstudien für Kindergärten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Außerdem wurden 249 Haushalte mit berufstätigen Müttern befragt.

Was würde Ihrer Familie geschehen, wenn der Kindergarten geschlossen würde, war eine dieser Fragen. 28 Prozent der Familien müssten dann von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld leben, weil ein Einkommen wegfiele. 72 Prozent müssten sich deutlich einschränken und jeder Vierte könnte Kredite nicht zurückzahlen.

Die Befragung zeigte außerdem, dass es einen großen Bedarf an mehr Kinderbetreuung gibt: Jede zweite erwerbstätige Mutter möchte ihr Kind täglich zwei Stunden länger betreuen lassen. Die Hälfte von ihnen möchte dann länger arbeiten. Und mehr als jede zweite Mutter, die bisher nicht erwerbstätig ist, möchte das ändern und sucht dafür einen Kindergartenplatz.

Die Wirtschaft erhebt inzwischen ebenfalls die Forderung nach mehr Kinderbetreuungsplätzen. Sie braucht die jungen qualifizierten Frauen schon heute und es ist absehbar, dass der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren mit der demographischen Entwicklung wächst. Vor diesem Hintergrundfindet sich mittlerweile die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in seltener Einigkeit beispielsweise mit der Unternehmensberatung McKinsey bei der Forderung, mehr Geld vom Staat für die Familien direkt in Kindergärten zu investieren.

Bildungsstandards zum Jahresende?

Unterdessen hat Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) der Kultusministerkonferenz angeboten, gemeinsam einen Wissenschaftler mit der Ausarbeitung der angestrebten einheitlichen Bildungsstandards für die Schulen zu beauftragen. Die Standards sollen dazu beitragen, Schulleistungen transparenter zu gestalten und die Leistungen zu verbessern. Darin sind sich SPD und Union bereits einig.

Wenn am Ende diverse Standards aus allen Richtungen vorlägen, gebe es letztlich doch keine, begründete die Ministerin ihre Initiative. Mit dem Expertenauftrag könnten die Standards bis Anfang 2003 vorliegen.

Die Bundesregierung hat außerdem den Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung vorgelegt, in dem die Details der Bundesförderung für Ganztagsschulen festgelegt werden. Die ersten 300 Millionen Euro dafür sind im Bundesetat 2003 bereits fest eingeplant. Bärbel Schubert

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