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Gesundheit: Bakterien zernagen giftige Dioxine Forscher isolieren Mikroben

aus einem Fluss bei Bitterfeld

Mehrfach chlorierte Dioxine und Furane gehören zu den gefährlichsten Umweltgiften. Sie entstanden früher oft als Nebenprodukte in einigen industriellen Prozessen, aber auch bei Verbrennungsprozessen, wenn nicht darauf geachtet wird, ihre Bildung zu verhindern. Bislang war keine Möglichkeit bekannt, die allenthalben in die Umwelt gelangten Chemikalien unschädlich zu machen. Doch Mikrobiologen und Biotechnologen melden Fortschritte bei der Suche nach Bakterien, die gerade diese Aufgabe übernehmen können.

Forschern an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der Technischen Universität Berlin und der Gesellschaft für Arbeitsplatz- und Umweltanalytik in Straach ist es jetzt gelungen, einen in dieser Richtung ganz besonders aktiven Bakterienstamm der Dehalococcoiden ausfindig zu machen. Die Arbeit ist im aktuellen Heft der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Seit einiger Zeit sind Mikroorganismen bekannt, die unter Luftabschluss leben und dann Chlorverbindungen in ihren Stoffwechsel einbinden. Dehalobacter restrictus zum Beispiel macht sich über das Lösungsmittel Tetrachlorethylen her und trennt die Chloratome vom Molekül.

Und beim Dioxin und den Furanen? Diese Stoffgruppen umfassen viele „Geschwister“, und die sind in der Natur nicht gleichmäßig verteilt. Es gibt Stellen, an denen die Konzentration der gefährlichen „Brüder“ vergleichsweise hoch ist, andernorts zeigen sie „Senken“. Das war auch so in der Saale bei Halle und im Fluss Spittelwasser bei Bitterfeld. Die Forscher nahmen Schlammproben und suchten nach den Ursachen für die Unterschiede. So fanden sie die „Chlorfresser“.

Denn sie zerlegen nicht das gesamte Schadstoffmolekül, sondern wandeln es um. Aus dem „Seveso-Dioxin“ (2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzodioxin) zum Beispiel werden nicht ganz so schädliche Abkömmlinge. Aber auch etliche dieser Folgeprodukte werden von den Dehalococcoiden Schritt für Schritt zernagt.

Wie die Bakterien das anstellen, wird noch erforscht. Letztlich geht es darum, dass die Zellen eines jeden Organismus Energie gewinnen müssen, und zwar in Gestalt eines elektrischen Potenzials. Das ist bei Mikroorganismen so, die ohne Sauerstoff leben („anaerob“), aber auch bei uns „Luftatmern“. In der Zelle wird die Energie mit Hilfe des Adenosintriphosphats (ATP) verteilt und gespeichert. Das ATP ist also der „ Brennstoff der Zellen“.

Der muss aber stets neu hergestellt werden. Die Energie dafür liefert Wasserstoff, der ein hohes elektrochemisches Bindungspotenzial besitzt. Dieser Wasserstoff wird in höher entwickelten Organismen mit Hilfe natürlicher Katalysatoren, mit Enzymen, produziert. Bei Bakterien, die unter Luftabschluss leben, geht’s einfacher – da ist es Abfall der Nachbarn, berichtet Ute Lechner, an der Studie beteiligte Mikrobiologin in Halle.

Jetzt zum Dioxin: hier sind die Chloratome nicht sehr fest gebunden, sie können unter Energieabgabe gegen Wasserstoff getauscht werden. Das nun freie Chloratom findet sofort einen Wasserstoff-Partner für den Verbund zum Salzsäure-Molekül (HCL). Und all das geschieht außen an der (Zytoplasma-)Membran der Dehalococcoiden, die daraus ihre Energie gewinnen,

All diese Erkenntnisse sind wichtig, wenn man größere Industrieflächen sanieren, die Kosten aber in Grenzen halten will. Bakterien eignen sich gut dafür, denn dann muss der verunreinigte Boden nicht unbedingt ausgehoben werden. Bis die nun isolierten Stämme an die Arbeit gehen, wird es aber noch dauern. Sie sind sehr schwer zu züchten und reagieren sehr empfindlich auf Sauerstoff, sagt Lechner.

Gideon Heimann

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