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Gesundheit: Bei aller Kritik am FU-Institut: Was könnte verbessert werden?

Streichen tut weh, und die Betroffenen jammern. In der Wissenschaft ebenso wie sonst im Leben.

Streichen tut weh, und die Betroffenen jammern. In der Wissenschaft ebenso wie sonst im Leben. Die vergangenen drei Jahre haben den Berliner Hochschulen schon erhebliche finanzielle Kürzungen aufgezwungen, und weitere stehen bevor. Die mit Mühen beschlossenen Strukturpläne der Berliner Universitäten, und die ebenfalls mühsam gefundenen Hochschulverträge haben bislang nicht nur Negatives bewirkt. Sie hatten keineswegs einen "Kahlschlag" zur Folge. In manchen Fällen haben die Berliner Haushaltsprobleme es ermöglicht, gegen die Ineffizienz Berliner Verwaltungen und die Provinzialität vieler Mitwirkender überhaupt erst Umsteuerungen zu ermöglichen.

Nun steht eine weitere Weichenstellung bevor - das Gutachten des Wissenschaftsrates, der die neue Hochschulstruktur in Berlin sowie die Qualität der Geistes- und Sozialwissenschaften in der Stadt beurteilen soll. Dieses Papier wird nach allem, was man hören und lesen kann, wenig Schmeichelhaftes über eine Einrichtung zu sagen haben, die seit bald 40 Jahren existiert: das Osteuropa-Institut der Freien Universität (OEI).

Nach dem Ende des Kalten Kriegs

Als Mitbetroffener sage ich: Das muss kein Schaden sein. Heute gibt es keine Institution mehr, deren Existenz auf Ewigkeit gesichert ist. Das Ende des Kalten Krieges macht eine neue Debatte über eine Begründung der "Ostforschung" unausweichlich. Die Globalisierung kann auch für die Sozialwissenschaften nicht ohne Folgen bleiben - vergleichende globale Fragestellungen werden spannender als solche, die auf vermeintlich einzigartige Regionen zugeschnitten sind. Die Förderprogramme der meisten großen Forschungseinrichtungen in den USA und in Europa spiegeln diese Trends wider. Area studies kommen in den USA ebenso wie in Europa zunehmend in Begründungszwang. Gut so.

An der Malaise, in die sie hineingeraten sind, sind die Regionalinstitute, das Osteuropa Institut eingeschlossen, nicht schuldlos. Die vergangenen zehn Jahre wurde weitgehend verschlafen. Nur mit Mühe gelingt es hier und da, internationalen Anschluss zu finden. Die Ausbildungsgänge und Studieninhalte entsprechen oft weder internationalem Standard noch der beruflichen Realität, die auf die AbsolventInnen wartet. Zudem wuchern das Osteuropa Institut und die FULeitung nicht professionell mit den Pfunden, die das Institut denoch zu bieten hat. Insofern haben kritische Anfragen einen Sinn, und das Osteuropa Institut hatte die Chance, diesen Anfragen überzeugend zu begegnen. Hat es sie genutzt?

Die Antwort des Wissenschaftsrates wird eher skeptisch ausfallen. Das Osteuropa Institut war in der Öffentlichkeit viel zu wenig präsent. Themen wie die Osterweiterung von Nato und EU, der große Wandel in Osteuropa jenseits von Hungerdiskursen und Apokalypse, Ethnokonflikte - all das wurde nicht wirklich genutzt, um die vorhandene Expertise wirklich in der Hauptstadt Berlin zu etablieren. Aber auch die außerordentliche spannende Flickenteppich-Situation Osteuropas wurde für eine prinzipiell interessierte Öffentlichkeit nicht genug aufbereitet. Also - soll man diese Einrichtung fahren lassen? Überlegen wir.

Berlin als Berlin und Berlin als Hauptstadt ist geographisch, historisch, kulturell mit Osteuropa eng verbunden. Obgleich die Chiffre von Berlin als dem "Kompetenzzentrum für Ost-West-Kontakte" immer weit überzogen war, gibt es zahlreiche Kompetenzträger aus und für Osteuropa in dieser Stadt. Berlin unterhält in- wie außerhalb seiner Hochschulen Zentren für Latein- und Nordamerika, Institute für Frankreich- und Großbritannienstudien, für Skandinavien und Ostasien. Kann es sich Berlin leisten, auf einen Osteuropa-Schwerpunkt zu verzichten?

Meine Antwort ist: Ja. Oder - Nein. Es kommt darauf an.

Ja zum Verzicht - falls das alte Osteuropa Institut keine Kraft finden sollte, mehr als den eigenen Fortbestand mit altem Profil zu fordern. Eine Antwort, die dem Reflex der alten Losungen des "Erhaltet diese Professur" und "Rettet jenes Institut" folgt, wäre hilflos. Diese Routine langweilt.

Kein Verzicht - falls es zusammen mit der Universitätsleitung und dem Senat, vor allem auch mit Wirtschaft und Kultur in dieser Stadt eine neue, zukunftsfähige Antwort vorlegen kann. Dabei müssen vier Punkte und Angebote im Vordergrund stehen

1.Grundlegende Reform der Studiengänge: Wenn das Osteuropa Institut Aufbau-, Ergänzungs- und Fernstudiengänge entwickeln würde, die international ausstrahlen und nachgefragt werden, gibt es keinen Grund, ein solches konkurrenzfähiges Angebot anderen zu überlassen. Technikgestützte Angebote in mehreren Sprachen wären international konkurrenzfähig. Sie könnten auch Einnahmen erbringen.

2. Stärkere Wettbewerbsorientierung und Innovationsfreude: Der Ausbildungsbereich ist ein riesiger Markt. Dieser wird sich nicht auf die USA beschränken. Der Wettbewerb um Curricula und um Bildungsangebote hat begonnen. Wenn die Freie Univesität sich hier nicht engagiert, wird sie verlieren. Außerdem: Es werden neue Ausbildungsformen nachgefragt und angeboten. Der Rekurs auf Humboldt hilft hier nicht mehr weiter. Weiterbildung, Aufbaustudiengänge, Fernstudien, Lehrmodule etc. sind längst keine bloßen Parolen mehr. Die sich weitere differenzierende Nachfrage muss und kann befriedigt werden. Wir müssen endlich Kundenorientierung entwickeln und die Realität der Lehrverwahr- und -erziehungsanstalten, der "Ausbildungs-Kombinate" (Hans Weiler) überwinden.

3. Verstärkte Präsenz in den Medien, überzeugende Angebote an die Politikberatung: Berlin braucht kompetente und professionelle Deutungen zu den Vorgängen in Osteuropa. Es gibt eine Nachfrage danach, und ein überzeugendes Angebot würde weitere schaffen.

4. Größere Unabhängigkeit: Teile des Osteuropa Instituts gehören schon jetzt zu den wissenschaftlich, organisatorisch und didaktisch modernsten, die in den Sozialwissenschaften der Republik zu finden sind.

Was zu entscheiden ist

Allerdings nagt die ständige Planungsunsicherheit, die demotivierende Ineffizienz vieler Verwaltungen, die dadurch erzwungene exzessive Last der Gremienarbeit an der Substanz auch derjenigen, die für Strukturreformen in diese Stadt geholt wurden. Wenn das Osteuropa Institut, die Leitung der FU und der Berliner Senat jetzt nicht in der Lage sind, das Institut umstandslos zu einem sichtbar nach außen strahlenden asset zu machen, sollte man die Einrichtung lieber rasch schließen, als sie einem enervierenden Auszehrungsprozess weiter zu unterwerfen. Das hält Studierende und Beschäftigte in Unsicherheit. Es verhindert die Ausbildung und Konsolidierung gesunder, starker, moderner Kernbereiche, die alleine schon jetzt wettbewerbsfähig sind. Die gesunden Teile werden ihren Weg woanders finden - und die Stadt kann weiter über ihre Ost-West-Kompetenz palavern.Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft Osteuropas an der Freien Universität

Klaus Segbers

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