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Gesundheit: Berlins Unis wollen weniger Studenten

In der Hochschulpolitik tickt eine Zeitbombe. Die drei großen Berliner Universitäten wollen in Zukunft weniger Studierende als bislang zum Studium zulassen.

In der Hochschulpolitik tickt eine Zeitbombe. Die drei großen Berliner Universitäten wollen in Zukunft weniger Studierende als bislang zum Studium zulassen. Denn das Ziel ist eine bessere Betreuung. Damit aber wird ein Tabu der Berliner Politik berührt: Die Zahl der Studienplätze könnte nicht mehr gehalten werden – sicher keine Botschaft, die die Koalition im Wahljahr gerne aussenden würde. So gibt es einen Konflikt zwischen den Hochschulen und dem Senat.

Schon wegen der Sparrunde im Jahr 2003, nach der die Hochschulen 75 Millionen Euro weniger vom Land bekommen, fielen Studienplätze weg. Nach offizieller Lesart tausend, so dass Berlin immer noch 84 000 Studienplätze haben müsste. Realistischer ist jedoch, dass es nur noch 78 000 sind. Nun, da die Universitäten auf die neuen Studiengänge Bachelor und Master umstellen, könnten erneut mehrere tausend Studienplätze wegfallen. Denn die Reform kann nur gelingen, wenn die Studierenden in den neuen Studiengängen besser betreut werden als bislang an der Massenuniversität.

Wegen der Sparauflagen haben die Hochschulen in den vergangenen Jahren bereits weniger Anfänger aufgenommen. Denkbar ist nun, dass sie zum Wintersemester 2006/2007 die Aufnahmezahlen um weitere zehn und 20 Prozent senken. Das entspricht der Auffassung des Wissenschaftsrats, dass der Betreuungsaufwand für die neuen Studiengänge um 15 Prozent gegenüber dem heutigen Zustand steigen muss, die Hochschulrektorenkonferenz spricht sogar von 20 Prozent.

Langfristig, wenn die alten Studiengänge vollständig zugunsten der betreuungsintensiven neuen aufgegeben worden sind, würden also – geht man von jetzt 84 000 Studienplätzen aus – mindestens 8400 Studienplätze wegfallen, möglicherweise aber auch doppelt so viele.

Doch die Hochschulen können Zulassungszahlen nur vorschlagen, die Entscheidung trifft der Senator. Vor den abschließenden Beratungen im Mai sagt Susanne Baer, Vizepräsidentin der Humboldt-Universität, an den Berliner Senat gewandt: „Masse ist nicht umsonst zu haben und nicht um den Preis einer Qualitätseinbuße. Eine lediglich auf Masse abgestimmte Zulassungspolitik in Berlin würde den Universitäten die Schamröte ins Gesicht treiben.“

Um nach nur sechs Semestern mit dem Bachelorabschluss tatsächlich einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss zu erreichen, müssen die Studierenden intensiver lernen. Vorlesungen sollen deshalb in der Regel von nicht mehr als 100 Studenten besucht werden, Seminare von nicht mehr als 30 bis 40 Studenten, und in den Naturwissenschaften – je nach der Laborkapazität – von noch weniger Studenten, sagt Baer.

Würde die Humboldt-Universität ihre bisherige Zulassungszahl von 3761 Studienanfängern im Jahr halten, könnten nur Studenten für den Bachelor aufgenommen werden, nicht jedoch für den Master, sagt Baer. Es sei jedoch sowohl für die Studenten als auch für die Universität unzumutbar, alles auf die Ausbildung von Bachelor-Studenten abzustellen. In den Geisteswissenschaften zum Beispiel müssten die künftigen Lehrerstudenten nach dem Bachelor den Masterabschluss erreichen, wenn sie als Lehrer beschäftigt werden wollen.

Dass es sich bei der Zulassungsentscheidung in diesem Frühjahr um eine Weichenstellung für viele Jahre handelt, macht auch der für die Lehre zuständige Vizepräsident der Technischen Universität, Jörg Steinbach, deutlich. Die Technische Universität Berlin gehört zu dem Kreis der neun großen Universitäten in den Ingenieurwissenschaften. Diese haben sich darauf geeinigt, dass in den Ingenieur- und Naturwissenschaften der Bachelor nur eine Drehscheibe für die künftige Fächerwahl im Master-Studium ist. Das bedeutet, dass bei allen Zulassungsentscheidungen zum Bachelor auch die Fortsetzung im Master-Studium mitbedacht werden muss.

Die Berliner TU wird ihre Aufnahmekapazität in diesen Fächern so berechnen, dass etwa 30 Prozent der Bachelor-Studenten das Studienziel nicht erreichen, aber 70 Prozent anschließend den Master anstreben werden. Außerdem möchte sich die TU, im Exzellenzwettbewerb neu in der Forschung profilieren. Dazu brauche sie Kapazitäten. Auch die TU will von ihren früheren Zulassungszahlen von 3650 Studienanfängern heruntergehen.

Uwe Schlicht

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