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Gesundheit: Bildungspolitik: Erwartungen an die Neue

Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen in Berlin durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Spitzenmanger sagen das ebenso wie einsichtige Politiker.

Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen in Berlin durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Spitzenmanger sagen das ebenso wie einsichtige Politiker. Nur bei der Umsetzung in die Berliner Politik hapert es. Von daher sind für den neuen wie für den alten Senat die Hochschulverträge für die Zeit von 2003 bis 2005 zum Schlüssel der Wahrheit geworden.

Noch nie zuvor stand so viel auf dem Spiel: Die Hälfte der Professoren geht in den Ruhestand. Junge Wissenschaftler, die das Profil des Wissenschaftsstandorts Berlin in den nächsten 20 Jahren prägen, müssen berufen werden. Das kostet Geld, sonst unterliegt Berlin im Wettbewerb um die besten Köpfe Bayern und Baden-Württemberg. Beide Länder locken über die Zukunftsinvestitionsprogramme mit einer ganz anderen Ausstattung als die arme Hauptstadt. Genau diese Situation hat der Präsident der Humboldt-Universität, Jürgen Mlynek, im Blick, wenn er sagt: "Pro Jahr 50 Millionen Mark für die Ausstattung der neuen Professoren in den Verträgen sind nur ein Anfang, aber in Anbetracht der Konkurrenz aus Bayern und Baden-Württemberg sind die Berliner Universitäten damit nicht wettbewerbsfähig. Die Wirtschaft in Berlin sieht das genauso."

Zum Thema Online Spezial: Berlin vor der Wahl Die Hochschulverträge sind im letzten Augenblick vor der Abwahl von Eberhard Diepgen paraphiert worden. Die Hoffnung trog, dass der Berliner Senat dem noch geschlossen zustimmen würde. Das taten nur die CDU-Senatoren, die SPD nicht. Jetzt harren die Verträge ihres weiteren Schicksals. Nicht nur der neue Senat muss den Verträgen zustimmen. Auch das Abgeordnetenhaus spricht ein Wort bei der Finanzausstattung für die Jahre 2003 bis 2005 mit. Das dürfte bis zur Sommerpause am 14. Juli kaum zu schaffen sein. Genau da setzt der Präsident der Technischen Universität, Hans-Jürgen Ewers, an: "Ich erwarte von der neuen Senatorin, dass sie die paraphierten Hochschulverträge bis zu Beginn der Sommerpause durchbringt, so wie sie ausgehandelt worden waren. Wenn das Paket jetzt aufgeschnürt werden sollte, befürchte ich Arges. Außerdem muss die neue Senatorin einen weiteren Zugriff auf die Hochschulmedizin abwehren". HU-Präsident Jürgen Mlynek sieht es genauso.

Klarheit sofort

Der Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, war zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vertragsverhandlungen in Taiwan. Nach seiner Rückkehr formuliert er seine Erwartungen an die neue Senatorin ähnlich: "Bis zum 14. Juli müssen die Hochschulverträge vom Land Berlin, so wie sie jetzt formuliert sind, gebilligt werden. Die Paraphierung ist den Präsidenten schon schwer genug gefallen. Aber wenn die Hochschulverträge jetzt nicht verabschiedet werden, dann bekommen die Hochschulen wegen der anstehenden Neuwahlen bis Ende des Jahres keine Klarheit."

Gaehtgens spricht aus, was auch andere denken: das Hick-Hack um einen neuen Staatssekretär, die Entlassung des bewährten alten Staatssekretärs Josef Lange sind negative Signale gewesen. "Erkennbare Maßstäbe, an denen der neue Berliner Senat seine Entscheidungen über die Hochschulpolitik und die finanzielle Ausstattung festmachen könnte, sind bisher nicht bekannt."

Zwar bringen die paraphierten Hochschulverträge eine Steigerung von 2,38 Milliarden auf 2,59 Milliarden Mark. Das sind 162 Millionen Mark mehr in den Kassen der Hochschulen als im Jahr 2002. Aber die Hochschulen müssen die zusätzlichen Millionen für die große Pensionierungswelle in den nächsten Jahren zahlen. Und Neuberufungen junger Wissenschaftler, die die Alten ersetzen, sind teuer - im Durchschnitt 500 000 Mark. Einen Bedarf in Höhe von 270 Millionen Mark haben die drei Berliner Universitäten für die Ausstattung der neuen Professoren errechnet. Bekommen werden sie in drei Jahren 150 Millionen - und auch das nur, weil die Universitätsmedizin dafür 40 Millionen opfern muss.

TU-Präsident Ewers ist entschlossen, sich auf die neuen Möglichkeiten einzurichten: Er wird versuchen, nicht alle neuen Professoren auf Lebenszeit zu berufen, sondern einen Teil nur auf Zeit. Da kommt ihm die Dienstrechtsreform mit der Einrichtung von Juniorprofessuren gerade recht. Werden fähige Nachwuchswissenschaftler für sechs Jahre auf Juniorprofessuren berufen mit der Option, später dauerhaft an der TU zu bleiben, dann kann die Universität Zeit gewinnen in der Hoffnung, dass die Finanzsituation vom Jahr 2006 an für die große Hochschulerneuerung besser wird.

Bleibt als großes Problem die weitere Behandlung der Medizin. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sieht nach wie vor in der Hochschulmedizin ein Sparpotenzial von 150 Millionen Mark. Die 40 Millionen Mark weniger in den Hochschulverträgen erscheinen da nur als Einstieg. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Unimedizin darüber hinaus zur Kasse gebeten wird: 25 Millionen Mark an Staatszuschüssen werden ihr gesperrt. Angeblich sollen die Sperren aufgehoben werden, sobald die Mediziner in Strukturveränderungen eingewilligt haben. Aber wer die Berliner Verhältnisse kennt, kann nicht so recht an die Freigabe einmal gesperrter Gelder glauben.

FU-Präsident Gaehtgens beschreibt die Gefahr mit drastischen Worten: "Es macht mir und dem Präsidenten der Humboldt-Universität, Jürgen Mlynek, ganz große Sorgen, dass die Medizin zum Sparschwein für die Hochschulerneuerung wird. Alle Hochschulen, die keine Medizin haben, können die neuen Verträge unterzeichnen und die Nichtmediziner drängen die Universitätspräsidenten, die Verträge zu unterschreiben. Aber ich werde die Universität nicht spalten. Die Medizin gehört zur Universität und die Universität ist als Ganzes gefragt."

Warum haben die Präsidenten oder ihre Vertreter den Hochschulverträgen trotz der hohen Belastung der Medizin zugestimmt? In erster Linie wegen der Planungssicherheit. Hätten sie nicht unterschrieben, dann wären die Verträge ohne die Medizin abgeschlossen worden. Der Dekan der FU-Fachbereichs Humanmedizin, Martin Paul, sagt: "Das wäre das Signal gewesen, dass die Medizin aus dem Universitätsverbund herausgebrochen werden könnte. Ein Schreckgespenst. Die Mediziner legen Wert darauf, im Universitätsverbund zu bleiben."

Die Stimmung unter den Medizinern bezeichnet Paul als "schlecht", weil sie einer Lösung zugestimmt haben, die Bauchgrimmen verursacht. Grundsätzlich "sind die Mediziner enttäuscht, weil sie zu den leistungsfähigsten Einrichtungen der Berliner Hochschulen gehören und nun der Eindruck gefördert wird, dass sie ihre Leistungsfähigkeit nicht davor schützt, mit die größten Sparbeiträge erbringen zu müssen. So wird Leistung nicht belohnt." Paul verweist mit Stolz auf die 50 Millionen Mark, die die FU-Medizin für die Forschung eingeworben hat.

Auf der anderen Seite stehen positive Entwicklungen: Das Universitätsklinikum erhält innerhalb der Jahre 2003 bis 2005 insgesamt 21 Millionen Mark, um neu zu berufene Professoren angemessen mit Geräten ausstatten zu können. Das ist für Dekan Paul ein Fortschritt, weil früher die Gelder für die Neuausstattung der Professoren aus den Investitionsmitteln herausgebrochen werden mussten. Der Dekan sieht auch gute Chancen, mit diesem Geld auskommen zu können, sofern das Klinikum an dem Grundsatz festhält, vielversprechende junge Wissenschaftler an die FU zu holen, statt auf teure Mediziner zu setzen, die im Alter von Mitte fünfzig von einem anderen Universitätsklinikum erst weggeworben werden müssten.

Der ärztliche Direktor der Charité, Manfred Dietel, setzt die Akzente etwas anders: Nachdem klar war, dass die FU-Mediziner die Verträge unterschreiben wollten, hätte die Humboldt-Universität mit der Charité bei einer weiteren Weigerung den Buhmann abgegeben. Dann wäre ihr vorgeworfen worden, die Verträge zu blockieren.

Die Charité hat die Abzüge, die sie zu verkraften hat, mit dem Zuwachs gegengerechnet, den sie für Pensionslasten, Tarifsteigerungen und für die Berufung neuer Professoren bekommt, und ist zu dem Ergebnis gekommen: Im Jahr 2005 werden ihr statt 317 Millionen Mark an Staatszuschüssen nur etwa 305 Millionen zu Verfügung stehen. Die Summe von neun Millionen Mark für die Ausstattung neuer Professoren bezeichnet Dietel als zu gering. "Das ist eher eine Beruhigungspille. Die Charité wird mit dieser Summe nicht auskommen."

Gehen die Lichter aus?

Die Mediziner der Charité fühlen sich "besonders betrogen, weil das vom Parlament versprochene Investitionsvolumen von 800 Millionen Mark zur Erneuerung des Charitéstandortes in Mitte nicht vollständig gezahlt wird", sagt Dietel. Sollte es zu noch weiteren Sparbelastungen kommen, so wie sie Klaus Wowereit mit 150 Millionen Mark angekündigt hat, "dann gehen hier die Forschungslichter aus". Noch verweist Dietel voller Stolz auf die herausragenden Leistungen der Charité in der Forschung: 120 Millionen Mark an Drittmitteln wird sie in diesem Jahr einwerben. Gerade erst siedele sich eine Forschungsfirma auf dem Charité-Gelände an - mit Investitionen in Höhe von 40 Millionen Mark. "Noch entwickelt sich die Charité in der Biotechnologie zu einer blühenden Landschaft".

Das "Aber" formuliert Präsident Jürgen Mlynek: "Die Biomedizin ist eines der zukunftsträchtigen Gebiete und dient der Stärkung des Wissenschaftsstandortes Berlin. Dieser Bereich soll aus nicht nachvollziehbaren Gründen heruntergespart werden. Die neue Senatorin muss in der Medizin gegenüber Wowereit hart bleiben."

Uwe Schlicht

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