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Gesundheit: Biotope in der Duschkabine

Auf einer Waldlichtung im Nordwesten Braunschweigs, mitten auf dem Gelände der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, stehen zwei Dutzend seltsamer Gebilde aus Plastikfolie. Auf den ersten Blick wirken sie wie kleine Duschkabinen mitten auf der Wiese.

Auf einer Waldlichtung im Nordwesten Braunschweigs, mitten auf dem Gelände der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, stehen zwei Dutzend seltsamer Gebilde aus Plastikfolie. Auf den ersten Blick wirken sie wie kleine Duschkabinen mitten auf der Wiese. „Wir erforschen damit unter genau kontrollierten Luftbedingungen, wie sich Klimaveränderungen, etwa die Zunahme von Ozon, auf die Artenvielfalt der Pflanzen auswirkt", erklärt Jürgen Bender.

Unter den Luftschadstoffen ist das bodennahe Ozon als Bestandteil des „Sommersmogs" der bedeutendste. Es entsteht aus Emissionen von Industrie und Autoverkehr und wirkt auf die meisten Pflanzen: Es kann ihren Stoffwechsel anregen oder bremsen, die Blätter schädigen, die Samenbildung vermindern oder zu vorzeitigem Altern führen.

Diese Phänomene sind schon recht genau untersucht: Das dreiatomige Sauerstoffmolekül Ozon dringt durch die Spaltöffnungen der Blätter ein. Ozon ist chemisch nicht sehr stabil, es möchte ein Atom abgeben, das zum „freien Radikal“ wird und Bindungspartner sucht. Dabei können Zellmembranen, Enzyme und Gene von Lebewesen geschädigt werden. Hier steht die Untersuchung von landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturpflanzen im Vordergrund, denn bei diesen kann Biostress durch Ozon die Erträge oder die Qualität der Ernte mindern. In Versuchsreihen wurden Schwellenwerte ermittelt, die auch als Empfehlungen bei der Festsetzung offizieller Grenzwerte dienten.

Klee leidet schnell

Die Braunschweiger Forscher wollten sich aber mit der Beobachtung einzelner Pflanzen nicht zufrieden geben. Sie dehnten deshalb ihre Untersuchungen auf Pflanzengemeinschaften aus. „Die Ozonkonzentration hat sich in den letzten 100 Jahren verdoppelt und ist damit so hoch wie noch nie in der Geschichte", sagt Jürgen Bender. Das muss sich auf die Konkurrenzbeziehungen zwischen Wildpflanzen und damit auf die Artenvielfalt auswirken. So gibt es Arten, die gefördert werden, andere leiden und werden allmählich zurückgedrängt. Leguminosen wie etwa Klee sind sehr empfindlich, Gräser hingegen relativ widerstandsfähig. Die Untersuchungsgebiete sind unterschiedlich: Almwiesen, Heidegebiete und Flussauen gehören ebenso dazu wie Viehweiden oder Streuwiesen.

Acht europäische Institute aus sechs Ländern nehmen an dem Projekt teil. In ihren Versuchen benutzen Jürgen Bender und sein Forschungsteam modellhafte Pflanzengemeinschaften rund um die „Leitpflanze" Wiesenrispengras. Man pflanzt sie jeweils mit einem Wildkraut zusammen in einen Kasten.

Auf diese Weise untersucht der Biologe, wie sich das Zusammenleben des Grases mit Schafgarbe, Ruchgras, Ampfer, Johanniskraut und Ehrenpreis unter verschiedenen Ozonbelastungen im Lauf der Zeit entwickelt. In je drei Freilandkammern versorgt man die Pflanzen über das Röhrensystem mit einem Gemisch aus Luft, dem ein Dosiersystem einen genau bestimmten, winzigen Anteil an Ozon zugegeben hat. Je drei weitere Kammern dienen als Kontrollgruppe.

Die Versuche laufen die ganze Saison über. Regelmäßig kontrolliert man Größe und Anzahl der einzelnen Sorten, verbucht Schädigungen. Mehrmals im Laufe des Sommers schneiden Laborkräfte die Pflanzen ab, ähnlich, wie dies auf einer echten Wiese bei der Heuernte auch geschähe. Der Unterschied ist, dass die FAL-Forscher die gewonnenen Produkte genauestens auswerten. Am Ende sollen diese Ergebnisse mit Resultaten aus Computersimulationen verglichen werden. So entsteht ein Bild von dem eng vernetzten Zusammenspiel verschiedener Pflanzen in der Natur. Brigitte Röthlein

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