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Gesundheit: Bis zum letzten Tropfen

Geologen suchen in der Wildnis Alaskas nach neuen Lagerstätten – denn den USA gehen die Erdölvorräte aus

Die USA sind der weltweit größte Erdölkonsument. Etwa ein Viertel des alljährlich geförderten Öls landet in amerikanischen Raffinerien. Im Jahr 2001 verbrauchten die USA Tag für Tag 19,6 Millionen Fass Rohöl (ein Fass oder Barrel entspricht 160 Litern).

Früher konnten die Amerikaner ihren Durst nach Öl weitgehend aus eigenen Quellen stillen. Mitte der 80er Jahre, als die Ölförderung ihren Höhepunkt erreichte, kamen zwei Drittel aus dem eigenen Land. Und ein Gutteil des schwarzen Goldes stammte aus Alaska, aus der Prudhoe-Bucht.

Das Unternehmen British Petroleum entdeckte die Quelle vor der arktischen Küste im Jahr 1968. Die Prudhoe-Bucht entpuppte sich bald als das größte Ölfeld, das jemals in Nordamerika gefunden wurde: Hier lagerten zwölf Milliarden Fass Öl in der Tiefe. Und in der näheren Umgebung gab es noch etwa 30 kleinere Öllagerstätten.

Ende der 80er Jahre flossen Tag für Tag zwei Millionen Fass Erdöl durch die Alaska-Pipeline. Seither ist die Erdölförderung in den USA immer weiter zurückgegangen. In der Prudhoe-Bucht sprudelte 2001 nur noch halb so viel Öl, und heute können die USA lediglich noch 40 Prozent des Erdölbedarfs aus eigenen Reserven decken. Bis 2020 wird die nationale Ölförderung nach Schätzungen des amerikanischen Energieministeriums um weitere 14 Prozent abnehmen. Dagegen werde der Verbrauch jährlich um etwa 1,4 Prozent steigen.

Die Aussichten sind düster, auch wenn die USA hinter Saudi-Arabien nach wie vor der zweitgrößte Erdölproduzent sind. Denn weit mehr als die Hälfte ihres eigenen Erdöls haben die Amerikaner aufgebraucht. Sie besitzen nicht einmal mehr drei Prozent des weltweiten Erdöl-Schatzes. Der Großteil der amerikanischen Erdölimporte kommt heute aus den Nachbarländern. 2001 kauften die USA ihr Erdöl unter anderem in Venezuela, Mexiko und Kanada. Nur ein Viertel der Importe stammte aus der Golfregion, das meiste davon aus Saudi-Arabien und dem Irak, kein Tropfen dagegen aus dem Iran.

Das dürfte sich in Zukunft ändern. Denn die Golfstaaten haben die mit Abstand größten Ölreserven. Die ergiebigsten Lagerstätten der Erde gibt es in Saudi-Arabien, gefolgt vom Irak, Kuwait, den Arabischen Emiraten und dem Iran. Diese fünf Staaten verfügen allein über etwa zwei Drittel aller Ölreserven. Und wenn sie zur Zeit mit nur 30 Prozent vergleichsweise wenig zur Welt-Ölproduktion beitragen, dann bedeutet dies lediglich, dass ihr Anteil am Ölmarkt in den kommenden Jahrzehnten um so schneller steigen wird.

Die Erdölvorräte der Welt sind sehr ungleich verteilt. Die Lagerstätten entstanden im Laufe von Jahrmillionen in küstennahen Meeresbecken. Hier tummelten sich Mikroorganismen, Tiere und Pflanzen. Ihre Überreste bedeckten den Meeresboden, Sand- und Tonschichten legten sich über das organische Material, und in mehreren Kilometern Tiefe wurden diese Stoffe schließlich bei hohen Temperaturen in Erdöl und Erdgas umgewandelt. Das Erdöl wanderte dann in die Gesteine. Und nur wenn die Sedimentbecken nach oben gut abgedichtet waren – etwa durch Ton –, konnte sich das Öl darin dauerhaft sammeln.

In Alaska gibt es einige solche Quellen, zum Beispiel das „Naval Petroleum Reserve No. 4“. Die Ölvorkommen in dem Gebiet sind seit 1923 der US-Marine vorbehalten und wurden selbst während der Ölkrise in den 70er Jahren nicht angetastet. Geologen haben die Suche nach Öl inzwischen bis in die letzten Winkel Alaskas hinein ausgeweitet. Sie vermuten vor allem in schwer zugänglichen Teilen des Landes weitere Reservoirs. Vor wenigen Wochen hat die US-Regierung angesichts des hohen Ölpreises und der niedrigen inländischen Ölreserven erneut vorgeschlagen, ein riesiges Areal der arktischen Region für Öl- und Gasbohrungen freizugeben. Selbst das Naturschutzgebiet an der Grenze zu Kanada soll nach George W. Bushs Vorstellungen nicht mehr lange unberührt bleiben.

1998 legte der Amerikanische Geologische Dienst eine detaillierte Studie über die möglichen Erdölvorkommen in dem Wildtierreservat vor. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass dort in verstreuten Feldern noch etwa vier bis zwölf Milliarden Fass abbaubares Erdöl liegen könnten.

30 Millionen Jahre zu spät gebohrt

Bis zum Jahr 2015 könnte aus der Wildnis demnach genug Öl in Richtung Süden fließen, um vorübergehend etwa fünf Prozent des nationalen Verbrauchs zu decken. Aber niemand kann sich sicher sein, ob die Bohrungen wirklich das hergeben, was die ersten Messungen versprechen. 1983 waren sich Geologen schon einmal sicher, eine neue große Quelle in Alaska gefunden zu haben.

Ein von British Petroleum angeführtes Konsortium baute damals in Mukluk vor der Küste eine Bohrinsel auf. Die Bohrung kostete 120 Millionen Dollar – und endete im Trockenen. Die Gesteine über dem Becken waren durchlässig, die Schatzkammer war deshalb längst leer. „Wir haben zwar an der richtigen Stelle gebohrt, aber leider 30 Millionen Jahre zu spät“, kommentierten Geologen damals die teuerste Trockenbohrung in der Geschichte der Ölindustrie.

Vielleicht werden Unternehmen – statt weiter ins unwegsame Alaska vorzudringen – eines Tages weniger ergiebige Quellen anzapfen und Ölvorräte im Norden der USA aus Ölsanden und Ölschiefer zu gewinnen versuchen. Aber die Gewinnung von derartigem „nicht konventionellen“ Öl ist deutlich teurer und belastet die Umwelt in viel stärkerem Maße. Sie könnte erst rentabel werden, wenn die Ölpreise dauerhaft steigen.

Auf dem Weltmarkt zeichnet sich eine solche Entwicklung allerdings erst auf lange Sicht ab. Nach Prognosen des Bundesinstituts für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover wird die weltweite Ölförderung um das Jahr 2020 herum ihr Maximum erreichen und dann bis zum Ende dieses Jahrhunderts langsam, aber kontinuierlich zurückgehen.

Hohe Förderung, wenig Reserven

Derweil geht den Amerikanern das billige Öl schon heute aus. Auch mögliche Reserven in Alaska werden nichts daran ändern, dass die USA in Zukunft noch stärker von Öl-Streiks in Venezuela aufgeschreckt und von Lieferungen aus Saudi-Arabien und dem Irak abhängig werden. Es sei denn, die Regierung schwenkt auf alternative Energiequellen um. George W. Bush hat kürzlich angekündigt, 1,2 Milliarden Dollar in die Forschung zu stecken, damit die Autos in den USA möglichst bald mit Wasserstoff statt mit Benzin fahren können.

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