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Gesundheit: Blick in kosmische Tiefkühltruhen

Von Rainer Kayser Am Anfang war die Erde wüst und leer, verbrannt von den sengenden Strahlen der jungen Sonne. Doch so blieb es nicht lange: Aus den Tiefen des Alls kamen die Kometen und machten aus der Erde eine blühende, lebensfreundliche Welt.

Von Rainer Kayser

Am Anfang war die Erde wüst und leer, verbrannt von den sengenden Strahlen der jungen Sonne. Doch so blieb es nicht lange: Aus den Tiefen des Alls kamen die Kometen und machten aus der Erde eine blühende, lebensfreundliche Welt. „Kometen enthalten Wasser und Kohlenstoff-Moleküle – sie brachten vor 3,8 Milliarden Jahren die Bausteine des Lebens zur Erde“, erläutert Nasa-Forscher Donald Yeomans.

Die meisten Astronomen sind heute wie Yeomans davon überzeugt, dass das irdische Leben Starthilfe aus dem All bekam. Mit einer ganzen Armada von Raumsonden rücken die Wissenschaftler deshalb gegenwärtig den Schweifsternen auf den Leib, um ihnen ihre Geheimnisse zu entreißen. Als Nächstes steht am 1. Juli der Start der amerikanischen Sonde Contour bevor. „Contour wird uns die bislang detailliertesten Informationen über diese uralten Bausteine des Sonnensystems liefern“, schwärmt Joseph Veverka, der Chefwissenschaftler des Projekts. Weitere Sonden sollen in den kommenden Jahren Materieproben aus der Gashülle eines Kometen zur Erde bringen, vor Ort Bodenproben analysieren oder gar ein Loch in einen der Himmelskörper sprengen, um sein Inneres freizulegen.

Für die Forscher ist all das ein Blick in eine Art kosmische Tiefkühltruhe: In ihrem Inneren nämlich enthalten die Kometen noch unverfälschte Materie aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren. Im so genannten Kuiper-Gürtel und der Oortschen Wolke, weit entfernt von der Sonne in der eisigen Kälte des Alls, konnte sich diese Materie bis heute unverändert erhalten.

Dann und wann wirft die Schwerkraft eines Planeten oder eines vorbeiziehenden Sterns einen Kometen aus seiner fernen Bahn und lässt ihn in das innere Sonnensystem eindringen – und bringt den Forschern so Kunde aus jener Zeit, in der sich die Planeten gebildet haben. Und vielleicht gar Kunde von der Entstehung des Lebens.

Dabei sind Kometen eigentlich eher unscheinbare Himmelskörper, zumeist nur wenige Kilometer groß, „schmutzige Schneebälle“ aus gefrorenen Gasen und darin eingeschlossenen Felsbrocken und Staubteilchen. Erst bei Annäherung an die Sonne verdampfen die Gase und reißen dabei Staubpartikel mit sich – und führen so zur Bildung des gewaltigen Schweifs, der über 100 Millionen Kilometer lang werden kann. Zum Vergleich: Die Erde ist 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt.

Im Mittelalter sorgte das Erscheinen eines großen Kometen am Himmel noch für Angst und Schrecken – galten die Schweifsterne doch als Vorboten von Seuchen und Kriegen. Heute dagegen beobachten Millionen von Menschen begeistert das flüchtige Naturschauspiel von Kometen wie Halley, Hyakutake und Hale-Bopp. Die meisten der zwei bis drei Dutzend Kometen pro Jahr sausen jedoch von der Öffentlichkeit unbemerkt durchs Sonnensystem und ziehen nur die Blicke der Astronomen auf sich. Zum Glück für die Forscher kehrt ein Teil der Schweifsterne regelmäßig wieder – die Bahn dieser „periodischen“ Kometen lässt sich vorhersagen, und so werden sie zu bevorzugten Reisezielen für die Raumsonden.

Gleich drei Kometen wollen die Forscher mit Contour in Augenschein nehmen, um einen möglichst umfassenden Überblick über diese Himmelskörper zu gewinnen. Erstes Reiseziel ist im November 2003 Komet Encke, der vermutlich schon seit Urzeiten im Inneren unseres Sonnensystems seine Bahn zieht. Jünger ist das zweite Reiseziel, der Komet Schwassmann-Wachmann 3, den Contour im Juni 2006 passiert. Besonders aufregend für die Astronomen: 1996 haben sich mehrere Teile von dem Kometen abgespalten, so dass vermutlich ein Blick in das Innere des Himmelskörpers möglich ist. Schließlich hoffen die Forscher, nach 2008 noch einen weiteren, „frischen“ Kometen anfliegen zu können – der freilich erst noch entdeckt werden muss, soll er doch erstmalig in die Nähe der Sonne kommen.

So weit mögen Joseph Veverka und seine Kollegen im Augenblick allerdings noch gar nicht denken. Denn Contour gehört zu den risikoreichen „Billigprojekten“ des Discovery-Programms der Nasa – gerade einmal 150 Millionen Dollar durfte die Mission kosten. Besonders schmerzlich für die Forscher: Um Geld zu sparen, soll die Sonde ein Jahr im elektronischen Tiefschlaf schlummern – erst drei Monate vor Erreichen ihres ersten Reiseziels wird Contour wieder „aufgeweckt“. Eine genaue Bahnverfolgung und Kommunikation mit der Sonde ist bis dahin also nicht möglich, etwaige technische Probleme können die Wissenschaftler erst kurz vor Beginn der Messungen bemerken und dann kaum noch beheben.

Wenn aber alles gut geht, dann saust Contour am 12. November 2003 mit einer Geschwindigkeit von 28 Kilometern in der Sekunde in nur hundert Kilometern Abstand am Kometen Encke vorbei. Wichtiger als die Bordkamera, die noch vier Meter große Einzelheiten auf dem Kometenkern ausmachen kann, sind für die Forscher dabei jene beiden Messgeräte, die die Atome und Moleküle der Gashülle des Kometen einfangen und analysieren.

Wie viel und welche organische Substanzen enthalten die Kometen? Und gleicht das Wasser der Kometen jenem in den irdischen Ozeanen? Auf diese Fragen erhoffen sich die Wissenschaftler Antworten von Contour. Wenn nämlich das Wasser der irdischen Ozeane tatsächlich von den Kometen stammt, sollte deren Wasser den gleichen Anteil an „schwerem Wasserstoff“ enthalten – Wasserstoff, dessen Atomkern nicht nur ein Proton, sondern zusätzlich ein Neutron enthält – wie das Wasser auf der Erde. Mit diesem Wasser könnten die Kometen auch komplexe Kohlenstoff-Moleküle auf die Erde gebracht und so vor 3,8 Milliarden Jahren den überraschend schnellen Start des Lebens auf unserem Blauen Planeten verursacht haben.

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