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Gesundheit: Bodenschätze

Von Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität

Bei einer Ausstellungseröffnung vor einigen Tagen nahm mich der ehemalige Senatsbaudirektor beiseite und sagte: „Sie schreiben doch in der Zeitung. Schreiben Sie doch mal etwas über die Ausgrabung der Petrikirche. Sonst fällt das wieder keinem auf.“ Mir war es freilich auch noch nicht aufgefallen.

Erst nach einem ziemlich verregneten Besuch am einstigen Köllnischen Fischmarkt, direkt an der viel befahrenen Gertraudenstraße, der Verlängerung der Leipziger Straße hin zum Alexanderplatz, bin ich nun in der Lage, über das zu schreiben, worum mich mein Gesprächspartner bat: Umgeben von der hässlichen Schnellstraße und einigen etwas derangierten Plattenbauten ist seit einiger Zeit genau das Gelände eingezäunt, auf dem seit dem Mittelalter eine der beiden Pfarrkirchen der Doppelstadt Berlin-Cölln, nämlich die Petrikirche von Cölln an der Spree stand, bevor ihre Ruine in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen wurde.

Auf dem Zaun befinden sich einige erläuternde Tafeln zur Geschichte der Umgebung, des Cöllner Rathauses und der Pfarrkirche, im Zaun einige Gucklöcher, die es erlauben, auf die vom Senatsbaudirektor erwähnten Ausgrabungen zu schauen. So bekommt man wenigstens einen kleinen Eindruck von dem völlig verschwundenen Zentrum einer völlig verschwundenen Stadt, der kleinen Schwester von Berlin, den kleinen Geschwistern von Nikolaikirche und Rotem Rathaus.

Der Hinweis des klugen Städteplaners und die darauffolgenden interessanten Eindrücke an einem verregneten Märztag haben mich dazu verführt, in den letzten Tagen häufiger zu Boden zu schauen. Gestern lief ich durch den jüngst neu angelegten Monbijou-Park zwischen Oranienburger Straße und Spree. Wie üblich wachsen die Rasenflächen nur schlecht an, weil immer jemand über die Saat laufen muss.

Wenn man im mittleren Bereich des neuen Parks sehr genau hinsieht, erkennt man aber, dass nicht nur die Trampelpfade das Wachstum des Rasens behindern. Mitten im Grün zeichnet sich ziemlich exakt eine Schmalseite des einst dort stehenden Barockschlosses Monbijou ab, auf das im Unterschied zur Petrikirche nicht einmal eine kleine Tafel hinweist. Lediglich ein umgestürzter Stein, auf dem man mit Mühe den Rest eines preußischen Adlers erkennt, kündet vom Ort des einstigen Hohenzollernmuseums.

In einer so geschundenen Stadt wie Berlin, in der oft blindwütig abgerissen wurde, was nicht mehr gefiel oder was Krieg und Bomben übrig gelassen hatten, künden oft nur noch die Bodenschätze vom einstigen Reichtum und der Geschichte einer wieder erwachenden Metropole. Es lohnt sich also gerade in Berlin, die Nase nicht allzu hoch zu tragen.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden zweiten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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