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Gesundheit: BSE: "Kohortentötung" oder"Herdentötung"?

In den Bundesländern ist ein Streit über den "bayrischen Sonderweg" entbrannt. Bayern will nicht mehr alle Tiere einer Herde schlachten, in der die Rinderkrankheit BSE aufgetreten ist.

In den Bundesländern ist ein Streit über den "bayrischen Sonderweg" entbrannt. Bayern will nicht mehr alle Tiere einer Herde schlachten, in der die Rinderkrankheit BSE aufgetreten ist. Es beruft sich dabei auf die Praxis der Schweiz, in der nicht die ganze Herde, sondern nur der Geburtsjahrgang des Tieres mit BSE geschlachtet wird. Rheinland-Pfalz unterstützt Bayern, während Baden-Württemberg bei BSE-Verdacht alle Rinder einer Herde töten will.

Mitte September 2000 veröffentlichte der wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU einen Bericht zu der Frage, ob die "Herdentötung" effektiver als die "Kohortentötung" sei. Das Urteil fällt nicht eindeutig aus. Ideal wäre es aus Sicht der Wissenschaftler, alle Tiere zu schlachten, die das gleiche Futter wie das BSE-Tier bekommen haben. Es sei aber normalerweise nicht möglich, diese Rinder eindeutig ausfindig zu machen. Das Töten der betroffenen Herde könne aber ebenfalls die BSE-Gefahr verringern.

"Effektiver" sei es, den Geburtsjahrgang des betroffenen Tiers zu schlachten (alle Tiere der Ursprungsherde, die annähernd ein Jahr vor oder ein Jahr nach dem BSE-Tier geboren wurden). Dabei würde nur etwa ein Drittel der Rinder wie bei der Herdenschlachtung getötet. Der Lenkungsausschuss empfiehlt die Kohortentötung als Mindestmaßnahme. Alle Tiere der Kohorte seien zu vernichten.

Ihre Empfehlung begründen die Wissenschaftler mit der Erfahrung, dass BSE keine gewöhnliche Infektionskrankheit ist. Die Krankheit wird nicht von Kuh zu Kuh ("horizontal"), sondern im wesentlichen über infektiöses Futter übertragen. Diskutiert wird zudem die Infektion vom Muttertier auf das Kalb ("vertikal"). Außerdem nehmen die Forscher an, dass sich das Tier bereits in den ersten Lebensmonaten ansteckt. Krank wird es nach vier bis sechs Jahren.

Die Forscher stützen sich vor allem auf die Schweizer Erfahrungen mit BSE. Dort waren nach BSE-Fällen 1760 Rinder gemäß der Herdentötung geschlachtet worden. Von diesen hatten fünf Tiere BSE. Alle stammten aus den gleichen Herden wie die ersten Fälle, vier waren im Jahr vor oder nach der Geburt des ersten BSE-Tieres auf die Welt gekommen. In Irland wurden 15100 Rinder nach dem Prinzip der Herdenschlachtung getötet. Dabei wurden 14 weitere Krankheitsfälle entdeckt, von denen 13 aus der gleichen Jahreskohorte stammten.

Es gilt als erwiesen, dass rechtzeitige Kohortentötungen das britische BSE-Desaster zumindest reduziert hätten. Fast 60 Prozent der Fälle des Jahrgangs wären verhindert worden, wenn bereits 1987 und 1988 entsprechend gehandelt worden wäre. Der englische BSE-Experte Roy Anderson hat ausgerechnet, dass 1989 eingeführte Kohortentötungen 124 000 künftige Fälle (von bislang insgesamt 170 000) verhindert hätten. Außerdem wäre das Einschleusen von 330 000 infizierten, aber noch nicht handfest erkrankten Tieren in die menschliche Nahrungskette vermieden worden.

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