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Gesundheit: Dank Obst und Gemüse kann das Risiko einer bösartigen Tumorerkrankung vermindert werden

Schädlingsbekämpfungsmittel im Salat, rotes, gepökeltes und vom Grill verbranntes Fleisch, gesättigte Fette: Wenn von Ernährung und Krebs die Rede war, dann ging es in der Vergangenheit vorwiegend darum, was der Mensch lieber nicht zu sich nehmen sollte. Das in Potsdam ansässige Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DifE) hat dagegen kürzlich bekräftigt, dass eine überwiegend pflanzliche Kost das Risiko, an Krebs zu erkranken, entscheidend senkt.

Schädlingsbekämpfungsmittel im Salat, rotes, gepökeltes und vom Grill verbranntes Fleisch, gesättigte Fette: Wenn von Ernährung und Krebs die Rede war, dann ging es in der Vergangenheit vorwiegend darum, was der Mensch lieber nicht zu sich nehmen sollte. Das in Potsdam ansässige Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DifE) hat dagegen kürzlich bekräftigt, dass eine überwiegend pflanzliche Kost das Risiko, an Krebs zu erkranken, entscheidend senkt.

Allein in Deutschland könnten schätzungsweise 100 000 Neuerkrankungen pro Jahr vermieden werden, wenn die gesamte Bevölkerung sich an die Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung halten würde, so die Wissenschaftler. Das Institut stellte mit der Empfehlung, täglich 600 bis 800 Gramm Obst und Gemüse zu sich zu nehmen, eine anspruchsvolle Faustregel auf. 600 bis 800 Gramm - das entspricht etwa dem Saft von zwei Orangen, dazu ein Apfel und eine Banane, ein viertel Salatkopf, drei Tomaten und zwei Karotten.

Hans Konrad Biesalski, Direktor des Instituts für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaften der Uni Hohenheim, verteidigt die "einfachere" Regel der Kommission Krebs und Ernährung der Deutschen Krebsgesellschaft: Es sei schon viel gewonnen, wenn jeder es sich zur Gewohnheit mache, fünf Mal am Tag Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Dazu zählen auch Obst- und Gemüsesäfte. Gudrun Zürcher, Leiterin der Sektion Ernährungsmedizin und Diätetik in der Onkologie der Uniklinik Freiburg, bricht aus praktischen Gründen außerdem "eine Lanze für das Tiefgefrorene".

Doch wie erklärt sich die Schutzwirkung der pflanzlichen Nahrungsmittel? Ein Aspekt ist sicher: Obst- und Gemüsefreunde nehmen meist weniger Kalorien zu sich. Übergewicht ist ein anerkannter Risikofaktor für zahlreiche Krebsformen. Darüber hinaus werden aber vielen Inhaltsstoffen der pflanzlichen Nahrungsmittel schützende Eigenschaften zugesprochen. Dazu gehört ihre Fähigkeit, die schädlichen freien Radikale abfangen zu können.

Der Biochemiker Tilman Grune von der Charité sagt, dass Bestandteile unserer Nahrung in allen Phasen der Entwicklung einer Krebszelle aus einer gesunden Zelle Einfluss nehmen können. Antioxidative Vitamine können das zelleigene Schutzsystem verbessern. Inzwischen geht man davon aus, dass in unserer Nahrung mehrere 100 Verbindungen enthalten sind, die derart schützend wirken könnten. Gerade deshalb könnte es nach Ansicht Grunes aber "unabsehbare Prozesse anstoßen", wenn etwa nur große Mengen Vitamin E in Kapselform zugeführt würden.

Dass die Fixierung auf einen Inhaltsstoff ein Irrweg ist, zeigten Studien, in denen Rauchern große Mengen Beta-Carotin verabreicht wurden. Man hatte festgestellt, dass in Ländern mit höherer Aufnahme dieses Provitamins weniger Lungenkrebs auftrat. Doch die so behandelten Raucher bekamen eher mehr Lungenkrebs.

Von der Problematik des Rauchens einmal abgesehen: Es reicht offensichtlich nicht, statt des Tellers voll Gemüse nur die Pille mit einer Substanz zu servieren. Man kann außerdem nicht häufig genug betonen, dass Risikoabschätzungen nichts über den Einzelfall aussagen. Auch wer zeitlebens viel Obst und Gemüse isst, Sport treibt und nicht raucht, kann aller gesunden Lebensführung zum Trotz an Krebs erkranken. Das Patentrezept, mit dem dies zuverlässig verhindert werden könnte, hat heute keiner.

Unverantwortlich wäre es, wenn Risikoabschätzungen dazu missbraucht würden, einem Erkrankten außer der Last seines Leidens auch noch die "Schuld" dafür aufzubürden. Ganz wichtig ist außerdem, dass in der Ernährung andere Gesichtspunkte Vorrang haben, wenn ein Mensch an Krebs erkrankt ist. In vielen Fällen liegt schon eine Mangelernährung vor, wenn die Betroffenen zum Arzt kommen. Dabei scheinen Dickere die Therapie besser zu vertragen und weniger unter Nebenwirkungen zu leiden. Ernährungsberatung, eventuell auch die zu Unrecht als "künstlich" verteufelten Formula-Diäten, empfiehlt Frau Zürcher für Patienten, die während der Behandlung und danach weiter abnehmen. Vor Versuchen, den Tumor "auszuhungern", warnen die Wissenschaftler eindringlich. "Er wird sich weiter auf Kosten des Patienten ernähren", so Gudrun Zürcher.

Und wenn die Behandlung überstanden ist, der Patient sich wieder erholt hat, sich gesund fühlt und alles dafür tun will, es auch zu bleiben? Dann, so die Experten, sollte er sich möglichst normal und ausgewogen ernähren. Eine spezielle "Krebsdiät" gibt es nicht. Zusätzlich Vitamine oder Spurenelemente wie Selen einzunehmen, ist allerdings, wie Biesalski betonte, wahrscheinlich für eine kleine Gruppe von Menschen sinnvoll, die aufgrund von genetischen Besonderheiten mehr davon brauchen. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Biesalski plädierte für den verantwortungsbewussten Einsatz der Pillen: "Wir handeln hier nicht mit Gummibärchen, sondern mit sehr aktiven biologischen Verbindungen."

Adelheid Müller-Lissner

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