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Gesundheit: David, König über ein paar Dörfer

Israelische Archäologen entzaubern den Mythos des biblischen Helden – und auch Salomos

Der großmächtige König David streunte als Bandit mit einer Handvoll Desperados durch die Berge, das prächtige Jerusalem war ein Kuhdorf, und von der Weisheit des Salomo bleibt auch nicht viel übrig. Die Archäologen Israel Finkelstein und Neil A. Silberman lassen kein gutes Haar an den beiden heroischen Gründerfiguren des vereinigten Königreichs von Juda und Israel. Den biblischen Berichten setzen sie die Erkenntnisse der Archäologie entgegen und entzaubern so einen Mythos mit jahrtausendelangem Nachklang.

Die beiden israelischen Autoren setzen in ihrem gerade erschienenen Buch „David und Salomo“ unzählige Einzelbefunde zu einem faszinierenden Mosaik des Vorderen Orients zu Beginn der Eisenzeit ab 1000 v. Chr. zusammen. Sie stützen sich dabei auf eigene Forschung und die Arbeiten vieler anderer Wissenschaftler, die nicht mit dem Ziel antraten, die Bibel zu beweisen. Gunnar Lehmann etwa, ein deutscher Archäologe an der Ben Gurion University of the Negev, umreißt den neuen Ansatz: „Geschichte nur nach Kriegen und Königslisten zu rekonstruieren, ist einseitig – und langweilig. Geschichte ist immer eingebettet in Umwelt, Landschaft, Klima, Lebensverhältnisse und menschliches Verhalten.“ Durch eine solche penible Bestandsaufnahme der antiken Landschaften Palästinas in den letzten Jahrzehnten haben die Archäologen so viele Fakten über Umwelt und Mensch aufgedeckt, dass der Rostocker Professor für Biblische Archäologie, Michael Niemann, selbstbewusst erklären kann: „Inzwischen wissen wir archäologisch so viel, dass eine Kulturgeschichte Palästinas auch ohne die Bibel geschrieben werden kann.“

Und das tun Finkelstein und Silberman gründlich: Jerusalem, die ewige Projektionsfläche aller biblischen Geschichten, soll von David im 10. Jahrhundert v. Chr. handstreichartig erobert und von seinem Sohn und Nachfolger Salomo mit Palast und dem ersten Tempel zur Hauptstadt eines mächtigen Königreichs geadelt worden sein. Grabungen auf dem Tempelberg sind heute unmöglich, da hier die heiligen Stätten Felsendom und Al-Aksa-Moschee über eventuellen Relikten liegen.

Doch die ausführlichen Grabungen in der so genannten Davidstadt südlich des Tempelbergs erbrachten die ernüchternde Erkenntnis, dass in Jerusalem etwa 600 Jahre vor David und rund 300 Jahre nach David repräsentativ gebaut worden ist. Um 1000 v. Chr. jedoch war Jerusalem, so die Autoren, „aus archäologischer Sicht nur ein kleines, relativ armes, unbefestigtes Dorf im Bergland mit einer Fläche von ein bis zwei Hektar.“ Maximal 1000 Einwohner können hier gelebt haben – das entspräche der Größe von Salomos biblischem Harem.

David, der Bibel zufolge Goliath-Bezwinger, erfolgreicher Kriegsführer und Reichsgründer, hat klein angefangen. Er floh vor Sauls Zorn in die Berge und sammelte 400 Outlaws um sich. In klassischer Robin-Hood-Manier kam er bedrängten Bauern zu Hilfe, überlistete die Mächtigen und entkam allen Nachstellungen. So berichtet es die Bibel, „aber das passt ganz hervorragend in die Ergebnisse der Siedlungsarchäologie“, sagt Gunnar Lehmann. Im westjordanischen Bergland gab es zu der Zeit nur kleine Dörfer mit Bauern und Hirten, die von einem Stammesältesten geführt wurden. Mit Gewalt, List, Entführung und Erpressung schwang sich David zum Schutzpatron über diese Stämme auf. „Auf diese Weise wird er geherrscht haben, nicht als König“, resümiert Lehmann.

Ohne Antwort bleibt die Frage von Silberman und Finkelstein: „Wie kam es, dass dieser Stammesführer aus den Schafställen und Banditenhöhlen eine solche Faszinationskraft entwickeln konnte?“ Offenbar hatten David und sein Nachfolger Salomo Charisma. Aber ihre Herrschaft war personengebunden, nach den beiden Lichtgestalten zerfiel der Verbund wieder in die alten Stammesstrukturen.

Der südliche Teil, das arme Juda mit Jerusalem als Hauptort, blieb bäuerlich. Der Norden, Israel mit der Hauptstadt Samaria, entwickelte sich zu Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr. zum ersten archäologisch nachweisbaren und mächtigen Königreich, das sich sogar mit den Assyrern anlegte. Hier tauchen um 850 v. Chr. Paläste, Lagerhäuser und Tempel auf, das Reich dehnt sich von der syrischen Wüste bis ans Mittelmeer und östlich über den Jordan aus. Und: Dieses Reich Israel wird erstmals auch in nicht-biblischen Texten erwähnt. Es gibt jetzt Nachrichten über Region und Regierende auch in den zuverlässigen assyrischen Annalen.

In solchen Meldungen, in den Eroberungszügen Israels, im höfischen Leben in Samarias Palästen und in archäologischen Erkenntnissen finden Finkelstein und Silberman nun Elemente wieder, die in die judäischen Geschichten über David und Salomo eingewebt sind – etwa Ortsnamen, Sitten, Waffen. Das bestärkt die Autoren in ihrer Beweisführung, dass die Saga von David und Salomo erst im 7. Jahrhundert v. Chr. – aus mündlich tradierten Erzählungen zusammengesetzt – schriftlich niedergelegt wurde.

Warum? 722 v. Chr. war das Reich Israel von den Assyrern eliminiert worden. Teile der israelitischen Bevölkerung flohen ins südliche Bruderland. König Hiskia von Juda brauchte ein einigendes Nationalepos. Der Mythos vom tatkräftigen König David und vom weisen Herrscher Salomo war geboren.

Israel Finkelstein und Neil A. Silberman: David und Salomo. C. H. Beck, München. 298 S., 24,90 €

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