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Gesundheit: Dem Schlaganfall zuvorkommen

Ärzte erproben neue Methoden, mit denen man die Gefahr eines Hirninfarkts verringern kann

„Vom Schlag getroffen“: Die Redewendung drückt aus, wie unvermittelt der Schlaganfall kommt. Eine nicht selten lebensbedrohliche Attacke. Der Schlaganfall streckt die Menschen nieder, sie sind oft halbseitig gelähmt, können nicht mehr richtig sprechen, sind verwirrt. Doch ganz richtig ist diese Anschauung vom „Blitz aus heiterem Himmel“ nicht. Denn dank der Forschung wird immer deutlicher, dass es Warnzeichen geben kann: Das sind meist leichtere Störungen des Bewusstseins, Sehbeschwerden, Kopfschmerzen, vorübergehende kleine Lähmungen.

Vom „Schlägle“ sprechen die Schwaben, und der verniedlichende Ausdruck lässt vermuten, die Störungen seien milderer Art. Doch mittlerweile kommen diese im Medizinjargon als TIA (Transitorische ischämische Attacke) bezeichneten Bewegungs- oder Sehstörungen immer mehr ins Blickfeld der medizinischen Forschung, sagt Matthias Bräutigam, Leiter des Bereichs Diagnostika und Radiopharmaka beim Pharmakonzern Schering. Bei einer TIA kommt es zu einer vorübergehenden Blutarmut in einer Gehirnregion.

Warum ist das wichtig? Die Antwort gibt eine Studie, über die in der Fachzeitschrift „Neurology“ berichtet wird. Die Kernaussage: Warnsignale wie die TIA, die meist weniger als fünf Minuten dauern, können sich bereits sieben Tage vor dem Auftreten eines Schlaganfalls bemerkbar machen. Die Betroffenen gehören in ärztliche Behandlung, um die Ursachen der Beschwerden zu finden. Handelt es sich um Durchblutungsprobleme, ist rasches Handeln geboten, um einen drohenden Schlaganfall mit zerstörerischen Folgen für das Gehirn zu vermeiden.

Schließlich werden Schlaganfälle in vier von fünf Fällen von verengten oder verstopften Gefäßen verursacht. In den übrigen Fällen sind Blutungen der Grund, die von rissig gewordenen oder geplatzten Gefäßen herrühren.

Die Studie wurde von Peter Rothwell von der Abteilung für klinische Neurologie am Radcliffe-Krankenhaus in Oxford geleitet. Rothwell und sein Team prüften die Krankenhaus-Akten von 2416 Patienten, deren Schlaganfälle auf Minderdurchblutung aufgrund verstopfter Gefäße zurückzuführen waren. In 549 Fällen waren „Schlägle“ vorausgegangen, 17 Prozent davon am Tag vor dem Schlaganfall und neun Prozent einen weiteren Tag vorher. Insgesamt 43 Prozent der vorübergehenden Attacken hatten sich im Zeitraum von sieben Tagen vor dem Schlaganfall ereignet.

„Zwar wussten wir bereits, dass die TIA oft die Vorboten eines Schlaganfalls sind“, sagt Rothwell. Bisher habe man jedoch nicht geahnt, dass man diese Patienten vorbeugend behandeln muss, um die verheerenden Folgen eines schweren Schlaganfalls zu verhindern.

Für eine effektive Therapie ist aber ein genauer Blick ins Gehirn unerlässlich. Nur so lassen sich Ursache und Ausmaß des drohenden Hirninfarktes richtig einschätzen. Dabei gibt es Defizite, wie die wenig beeindruckenden Erfolgsquoten der Schlaganfallbehandlung zeigen. Denn nur etwa jeder fünfte Patient erholt sich nach einem Schlaganfall wieder so gut, dass keine Beschwerden zurückbleiben. Und dies, obwohl sich die gefährlichen Blutgerinnsel medikamentös auflösen lassen. Doch diese „Lyse-Medikamente“ sind nur für einen Zeitraum von drei Stunden nach dem Schlaganfall zugelassen, im Rahmen von Studien sind maximal sechs Stunden erlaubt.

Zudem muss vor Beginn einer Behandlung sichergestellt werden, dass keine Blutung vorliegt. Dann würden gerinnungslösende Medikamente den Blutfluss nur verstärken. Hier muss möglichst schnell operiert werden. Klarheit darüber, ob es eine Blutung gab, verschafft die Computertomografie (CT). Nimmt man Kontrastmittel zu Hilfe, so werden auch die Blutgefäße sichtbar (CT-Angiografie).

Wenn das möglicherweise zu rettende Gewebe relativ groß und der Kernbereich des Infarkts relativ klein ist, könnte eine Lyse-Therapie auch nach der bisher erlaubten Zeitgrenze noch sinnvoll sein, sagt Christoph Groden, Leiter der Neuroradiologie der Universitätsklinik Mannheim. Um diese Entscheidung treffen zu können, sei eine möglichst exakte bildliche Darstellung des Schlaganfallgeschehens notwendig. Das sei aber noch längst nicht in allen Kliniken üblich, obwohl die Kosten einer Kontrastmittel-CT relativ gering seien und durch Einsparungen bei einer späteren Rehabilitation weit aufgewogen würden, erklärt Groden.

Noch aussagekräftiger als CT-Aufnahmen ist die Magnetresonanztomografie (MRT). „Damit lässt sich die Ausbreitung des Wassers in den Nervenzellen sichtbar machen“, sagt Hubert Vogler, Experte für Kontrastmittel bei Schering. Änderungen in der Ausbreitungsbewegung deuteten auf krankhafte Prozesse hin – als Folge des für den Schlaganfall typischen Sauerstoffmangels im Gehirn. Erfolgt die Messung mit speziellen Kontrastmitteln, so wird zudem der Bereich des schlecht durchbluteten Gewebes sichtbar.

Dabei kommt es auf die „Schattenzone“ an. Das sind gefährdete, minderdurchblutete Hirnareale, die jedoch eine Chance haben, sich zu erholen. Sie umschließen das unwiderbringlich zerstörte Kerngebiet des Infarkts. So lassen sich aus MRT-Messungen die Erfolgsaussichten einer Lyse-Therapie abschätzen.

Speziell für derartige Durchblutungsmessungen hat sich nach Angaben des Herstellers das Schering-Kontrastmittel „Gadovist“ bewährt. Darüber hinaus arbeitet der amerikanische Schering-Partner „Epix Medical“ an Kontrastmitteln, mit denen sich Blutgerinnsel frühzeitig im Körper orten lassen, bevor sie schädliche Wirkung im Gehirn entfalten können. Eines dieser Kontrastmitel, das gerade erprobt wird, könne beim Auftreten von TIA eingesetzt werden, sagt der Schering-Spezialist Bräutigam.

Per Ganzkörper-MRT würde es weniger als eine Stunde dauern, bis der Ursprung der Bewusstseinsstörung gefunden wäre. Mit gerinnungslösenden Medikamenten oder dem Einsetzen eines Katheters ließe sich dann dem Schlaganfall zuvorkommen.

Paul Janositz

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