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Gesundheit: Der Bachelor als Schnecke

Eigentlich soll schneller studiert werden. Doch die Länder schonen Langsame

Die große Studienreform im Zeichen von Bachelor und Master hat ein überragendes Ziel: die Studienzeitverkürzung, die einhergehen soll mit einer Senkung der Abbrecherquoten. Statt der heute üblichen Studienzeiten von zwölf bis 14 Semestern und Abbrecherquoten von 30 Prozent soll künftig der Bachelor nach sechs bis acht Semestern erworben werden.Ein kombiniertes Bachelor- und Masterstudium darf nicht länger als zehn Semester dauern. So steht es in den Hochschulgesetzen der Länder.

Aber was, wenn sich herausstellen sollte, dass in der Praxis viel zu viele Bachelor-Studenten ihren Abschluss nicht nach sechs oder acht, sondern erst nach zehn Semestern oder zwölf erreichen? Dann wäre die längst überfällige Studienreform gescheitert. Um Studierende und Hochschulen dazu zu bringen, die kürzeren Studienzeiten einzuhalten, müssten bereits die Hochschulgesetze der Länder Vorkehrungen treffen.

Berlin hat sich für eine ausgesprochen weiche Regelung entschieden. Zwar erlaubt Berlin die Zwangsexmatrikulation, wenn langsame Studenten am vorgeschriebenen Beratungsgespräch nicht teilgenommen haben. Aber zunächst brauchen Studenten, die die Regelstudienzeit um ein Semester überschritten haben, an solch einem Beratungsgespräch nur teilzunehmen. Verbindliche Auflagen gibt es dann noch nicht. Ernst wird es erst, wenn Studenten ihre Regelstudienzeit um zwei Semester überschritten haben und dann eine besondere Prüfungsberatung absolvieren müssen. Auch hier reicht nach dem Gesetz die Teilnahme. Allerdings dürfen die Hochschulen für diese zweite Beratung eigene Auflagen formulieren, die dann zu Konsequenzen führen.

Die gerade vom Wissenschaftssenator genehmigte Satzung der Humboldt-Universität sieht für dieses besondere Beratungsgespräch lediglich „eventuelle Auflagen“ vor, die der Student erfüllen muss, wenn er sein Studium erfolgreich abschließen will.

Deutlich klarer ist die Satzungsregelung der Freien Universität. Studenten, die drei Semester bei ihren Prüfungsleistungen im Verzug liegen, müssen die Prüfungsberatung nachweisen. Wer nach zwei weiteren Semestern noch immer nicht zur Prüfung zugelassen ist, bekommt eine Abschlussberatung mit schriftlichen Auflagen. Diese Auflagen sind so zu formulieren, dass sie in einem oder zwei Semestern erfüllt werden können. Weitere Verlängerungen werden nicht gewährt. Wer persönliche Umstände wie Kinderbetreuung oder die Sorge um einen erkrankten Angehörigen geltend macht, der kann auch ein Teilzeitstudium mit wesentlich längeren Semesterzahlen absolvieren.

In der Senatsverwaltung für Wissenschaft geht man davon aus, dass den Studenten für die Erfüllung von Auflagen eine angemessene Zeit von etwa zwei Semestern eingeräumt werden muss. Damit ergibt sich in Berlin eine hochschulrechtlich abgesicherte Verlängerung der Regelstudienzeit im Bachelor von sechs auf zehn Semester. Erst danach können Studenten ohne Prüfungsnachweis zwangsexmatrikuliert werden.

Studienplätze sind ein knappes Gut, und der Steuerzahler muss dafür viel Geld aufwenden. Deswegen verlangen immer mehr Länder den Nachweis erster Prüfungen bereits nach dem zweiten Semester. Der Leiter der Abteilung für Angelegenheiten der Studierenden an der Humboldt-Universität, Joachim Baeckmann, berichtet von Studenten, die auch im zweiten Semester keine prüfbaren Studienleistungen vorweisen können. Deswegen müsse zu einem frühen Zeitpunkt der erste Nachweis verlangt werden, um zu verhindern, dass junge Menschen einen Studienplatz blockieren, ohne tatsächlich erfolgreich zu studieren. Es gebe Studenten, die schlecht vorbereitet in eine Klausur gehen, um sich dort zu erproben. Wenn sie durchfallen, bereiten sie sich auf die Nachholklausur zwar intensiver vor. Aber auch in der Nachholklausur fallen sie durch und schaffen diesen Prüfungsnachweis erst im dritten Anlauf. Die dadurch zwangsläufig verursachte Verlängerung des Studiums belaste die Universität. Von daher wäre es richtig, nur die einmalige Wiederholung einer Modulprüfung zuzulassen.

Wie verfahren andere Bundesländer? Die klarste Regelung findet sich im Hochschulgesetz von Baden-Württemberg. Wer eine Modulprüfung am Ende des Wintersemesters nicht besteht, kann sie vor Beginn des Sommersemesters nachholen, damit ein Studium ohne weiteren Zeitverlust möglich ist. Der Prüfungsanspruch geht jedoch verloren, wenn Studenten es nicht fertig bringen, versäumte Leistungen innerhalb von zwei Semestern nachzuholen. Für die Fachhochschulen in Baden-Württemberg gilt eine besonders rigorose Regelung: Die „Fristüberschreitungen für die Zwischen- und Abschlussprüfung dürfen insgesamt nicht mehr als drei Semester betragen“. In Baden-Württemberg ist nach zehn Semestern Bachelorstudium Schluss.

Eine großzügigere Regelung dagegen hat Bayern. In Bayern kann man zwangsexmatrikuliert werden, wenn man „spätestens nach drei Jahren“ eine Prüfung endgültig nicht bestanden hat. Dann würde ein erfolgloses Bachelorstudium erst nach zwölf Semestern zum Ausschluss führen. Eine andere Regelung im bayerischen Hochschulgesetz besagt, dass die Abschlussprüfung um höchstens vier Semester verschoben werden darf. Danach könnte in Bayern ein langsamer Student den Bachelorabschluss noch im zehnten Semester erwerben.

In Nordrhein-Westfalen darf man eine Prüfung bis zu drei Semester hinausziehen. In Hamburg können Studenten zwangsweise exmatrikuliert werden, wenn sie das Doppelte der Regelstudienzeit benötigen – also einen Bachelorstudiengang zwölf Semester lang ohne Abschluss studieren.

Die unterschiedlichen Regelungen in den Ländern zeigen, dass auf Bundesbildungsministerin Schavan noch einiges zukommt. Am Anfang muss die angemessene Finanzierung der Unis stehen, damit die Bedingungen für ein erfolgreiches Studium überhaupt gegeben sind. Danach müssen rahmengesetzliche Vorkehrungen getroffen werden. Verlängerungen der Studienzeiten dürfen nur die Ausnahme sein und nicht zur Regel werden.

Uwe Schlicht

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