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Gesundheit: Der Bachelor – ein besserer Abbrecher?

Nur der Master macht den Ingenieur, sagen neun Universitäten. An den Fachhochschulen sieht man das ganz anders

Marco S. will Ingenieur werden – und zwar möglichst schnell. Denn wer seinen ersten Hochschulabschluss erst mit 30 Jahren erreicht, gilt in der Wirtschaft bereits als Loser. Bisher hat Marco S. geglaubt, dass er nach nur drei Jahren mit dem Bachelor-Abschluss in den Beruf wechseln kann, wenn er möglichst früh Geld verdienen möchte. Nein, sagen jetzt neun von 24 technischen Universitäten in Deutschland: Anders als in anderen Disziplinen könne der Bachelor der Ingenieurwissenschaften kein Regelabschluss sein, mit dessen Erwerb die meisten in den Beruf wechseln. Nur der Master biete die gleiche Qualität wie der bisherige Diplom-Ingenieur. Deshalb müsse der Master der Regelabschluss sein.

Was soll das heißen? Wäre ein Student wie Marco S., der nach dem Bachelor die Uni verlässt, aus Sicht der neun Universitäten nur ein besserer Abbrecher? Ungefähr so versteht man die Politik der Unis an den Fachhochschulen: „Wir halten das für den absoluten Widerspruch zum Bologna-Prozess“, sagt Reinhard Thümer, der Präsident der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH). In Bologna hatten sich die europäischen Bildungsminister vor fünf Jahren darauf verständigt, bis 2010 flächendeckend alle Studiengänge auf Bachelor und Master umzustellen. Thümer meint, die betreffenden Unis seien offenbar nicht bereit, ihre langen Studienzeiten zu verkürzen und ihr Grundstudium so zu reformieren, dass es als „Motivationstöter“ nicht länger massenhaft Abbrecher produziert – bis zu 50 Prozent. Das Argument der Universitäten, die Wirtschaft werde keine Bachelor-Ingenieure akzeptieren, hält Thümer für vorgeschoben. An seiner Fachhochschule gibt es bereits eine Reihe von ingenieurwissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen: „Wir produzieren doch keine Absolventen, die keine Abnehmer finden“, sagt Thümer. Die TFH habe sich vorher eng mit Unternehmen abgestimmt.

Doch die Universitäten nehmen für sich in Anspruch, dass ihr Bachelor-Studium, anders als das der Fachhochschulen, forschungsorientiert wäre und schon deshalb nicht ohne weiteres in den Beruf führen könnte. Auch das lassen die Fachhochschulen nicht gelten. Auch ein forschungsorientierter Bachelor-Studiengang an einer Universität lasse sich so aufbauen, dass ein berufsqualifizierender Abschluss erworben werden könne, sagt Thümer, der selbst Wirtschaftsingenieur ist. Denn immerhin stehe es den Hochschulen ja frei, ihren Bachelor auf sieben oder acht Semester anzulegen. Zwar planen die Universitäten in manchen Disziplinen Bachelor-Studiengänge mit mehr als sechs Semestern Länge. Aber auch das sollen keine berufsqualifizierenden Regelabschlüsse sein, um einen Niveauverlust zu vermeiden. Im Maschinenbau als der Kerndisziplin der Ingenieurwissenschaften sind 108770 Studenten eingeschrieben, darunter 42870 an den Unis und 65900 an den Fachhochschulen.

Nun sind die neun technischen Universitäten, die sich auf diese Linie verständigt haben, die stärksten in Deutschland. Sie berufen sich auf ihr großes internationales Vorbild, die ETH Zürich, an der der Bachelor nur als Grundausbildung konzipiert ist. Außerdem gebe es an manchen US-Hochschulen auch grundständige Masterstudiengänge ohne Bachelor.

Deshalb wäre ein Bachelor an einer der neun Universitäten jedenfalls nicht so konzipiert, dass die Studierenden danach schon fit für den Beruf wären. Marco S. müsste erst noch den Master ablegen. Für den sind eigentlich Zulassungsschranken vorgesehen. An der Berliner TU, die zu den neun führenden technischen Universitäten gehört, hat man sich aber eine andere Lösung ausgedacht: Zum Ingenieurstudium wird zunächst jeder zugelassen. Aber nach zwei Semestern erfolgt eine Prüfung, in der die Studienanfänger nachweisen müssen, dass sie die erforderlichen Leistungen in den ersten beiden Semestern erbracht haben.

Wer das nicht schafft, muss sich auf strenge Zeitvorgaben gefasst machen, um die fehlenden Leistungen nachzuweisen. So verfährt bereits die TU München. Der Vizepräsident der TU Berlin, Jörg Steinbach, ist sicher, dass nach dieser Eignungsprüfung 90 Prozent der Anfängerstudenten das Bachelorexamen bestehen und den Master erreichen.

Die neun führenden technischen Universitäten bieten den 15 anderen TU’s an, sich ihren Vorgaben für ein neues Ingenieurstudium anzuschließen – Vorgaben, die von den Empfehlungen des Wissenschaftrats zur Neuordnung des Ingenieurstudiums abweichen. Der Wissenschaft sieht auch für die Ingenieurwissenschaften im Bachelor den Regelabschluss, im Master dagegen ein Forschungsstudium für ausgewählte Studenten. Auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) vertrat bislang diese Linie. Jetzt aber begrüßt er die Erklärung der neun Unisversitäten. Es handle sich um „eine Entscheidung für Qualität und Profilierung“.

Und noch weiter strahlt die Entscheidung der neun Technischen Universitäten bereits aus. Nur einen Tag nach dem Bekanntwerden des Beschlusses meldete sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) zu Wort, die 47000 Physiker vertritt. Auch für die Physik könne der Bachelor nicht der Regelabschluss sein, meldete sie: „Die von den Physikabsolventen erwarteten Qualifikationen lassen sich nur über ein anschließendes Master-Studium erreichen.“

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