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Gesundheit: Der ganz alltägliche Rassismus Als schwarzer Student in Berlin

Sein Name soll nicht in die Zeitung, sein Gesicht auch nicht. Der junge Mann hat Angst, nicht nur vor rechten Gewalttätern.

Sein Name soll nicht in die Zeitung, sein Gesicht auch nicht. Der junge Mann hat Angst, nicht nur vor rechten Gewalttätern. „Ich weiß, wovon ich spreche“, sagt er. Schon als zehnjähriges Kind wurde er in Berlin von Jugendlichen fast aus dem S-Bahnwagen geworfen. Ihnen passte seine Hautfarbe nicht. Einer wie er lebt gefährlich, man muss das Risiko nicht noch zusätzlich herausfordern. Deshalb nennt er sich hier Adriano – nach jenem Mosambikaner, der vor fünf Jahren im Dessauer Stadtpark von Neonazis umgebracht wurde, weil er schwarz war.

Adriano aus Berlin hat den Tagesspiegel angerufen, als er dort von einem rassistischen Vorfall bei der studentischen Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen las. Ein Mitarbeiter hatte ein Stellenangebot ausgehängt: Farbige Studierende sollten von einer Bewerbung absehen, sie seien chancenlos, war da zu lesen (Tsp. vom 3. August). „Ich dachte, jetzt musst du was tun“, sagt Adriano. Nämlich der weißen Mehrheit sagen, wie es sich anfühlt, als Schwarzer in Deutschland zu leben. Schließlich geht es vielen so wie ihm.

Auf dem Campus gibt es keine Probleme. An der Technischen Fachhochschule, wo Adriano Wirtschaftswissenschaften studiert, ist die Atmosphäre so multikulturell, wie man es von einer Hochschule erwarten darf. Doch kein Student in Berlin lebt nur auf dem Campus. Er muss zum Beispiel jobben.

Adriano arbeitet in einem Baumarkt. Dort gibt es keine Probleme. Doch nebenbei braucht er das Geld aus dem Getränkeverkauf bei Sportveranstaltungen. Ob im Olympiastadion oder auf dem Sachsenring: immer wird Adriano mit „Beleidigungen und dummen Sprüchen“ überzogen: „Scheiß Neger, scheiß Bimbo!“ „Aber sage ich einen Mucks, lande ich im Krankenhaus.“

Adriano, geboren vor 25 Jahren in Berlin, aufgewachsen im Bezirk Steglitz, hat sich schon in der Grundschule anhören müssen, er nehme anderen Leuten die Arbeitsplätze weg. Es gab noch schlimmere Anwürfe – Adriano geht da nicht gerne ins Detail, die Kränkung ist zu groß.

Ein Student in Deutschland genießt die akademische Freiheit. Aber Adriano vermisst die Bewegungsfreiheit. „Die Mauer existiert für mich noch. Wenn ich in den Osten fahre, besteht Gefahr für mein Leben“, sagt Adriano. Die Familie seiner weißen Freundin in Sachsen würde er gerne häufiger sehen, da sie ihn immer herzlich empfange. Doch er scheut die Gefahr. Ist er dort angekommen, verlässt er das Haus nicht. Die Bahn benutzt er nur am Tage, mit einer „Tasche voller Waffen“, sagt er – in Wirklichkeit ist es aber nur eine Dose Pfefferspray. „Ich lass mich nicht von den Idioten zusammenschlagen.“ Adriano malt sich oft aus, wie er sich verhält, sollten ihn rechte Schläger im Bahnwaggon bedrohen. Hilft verbale Gegenwehr nicht, würde er auch zurückschlagen. Wenn die Angreifer zu zehnt sind, soll sich „wenigstens einer von ihnen an mich erinnern“.

Adriano ist Deutscher – doch er würde sich nie als Deutscher bezeichnen. Zu oft hat er hier das Wort „Neger“ gehört – ein Wort, das der Duden bis heute nicht „rassistisch“ nennt. Nein, er hasst die Deutschen nicht, natürlich sind die meisten keine Rassisten, er hat ja auch deutsche Freunde. Aber die, die Vorurteile haben, sollen „aufpassen, was sie sagen und was sie denken“.

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