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Gesundheit: Der Physiker Anton Zeilinger über den reinen Zufall, die Teleportation und seine Begegnung mit dem Dalai Lama

Anton Zeilinger hat zahlreiche Experimente gemacht, die die Vorstellungen der klassischen Physik sprengen. Unter anderem zeigte der Physiker der Universität Wien erstmals, dass es möglich ist, die identische Kopie eines Objektes an einem fernen Ort zur erzeugen, es gleichsam dorthin zu "beamen".

Anton Zeilinger hat zahlreiche Experimente gemacht, die die Vorstellungen der klassischen Physik sprengen. Unter anderem zeigte der Physiker der Universität Wien erstmals, dass es möglich ist, die identische Kopie eines Objektes an einem fernen Ort zur erzeugen, es gleichsam dorthin zu "beamen". Zuletzt machte er mit einem Experiment von sich reden, bei dem sich selbst große Kohlenstoff-Moleküle wie geisterhafte Quanten verhielten. Mit ihm sprach Thomas de Padova.

Anfang des Jahrhunderts erschien die Welt in den Augen der Wissenschaftler als eine Art Uhrwerk. Noch Mitte dieses Jahrhunderts brachte ein Forscher wie Albert Einstein mit seinem "Gott würfelt nicht!" zum Ausdruck, dass sich hinter allem, was wir als Zufall bezeichnen, lediglich unsere Unwissenheit verbirgt. Können Sie heute mit Sicherheit sagen, dass es den Zufall wirklich gibt?

Bei Einstein war es nur die Hoffnung, dass sich hinter dem Zufall unsere Unwissenheit verbirgt. Aber an dieser Hoffnung kann man sich heute nicht mehr festhalten.

Warum sind Sie sich da so sicher?

Wir beobachten den Zufall in der Quantenphysik immer wieder. Bei einem Experiment an einem einzelnen Teilchen können wir kein Resultat vorhersagen. Wir können dies nur für ein ganzes Ensemble, für eine ganze Gruppe von Teilchen tun.

Können Sie das präzisieren?

Es gibt etwa das berühmte Doppelspalt-Experiment mit Elektronen: Die Elektronen laufen durch die beiden Spalte, treffen auf einem Schirm auf und erzeugen dort ein Interferenzmuster. Aber ich habe keine Möglichkeit vorherzusagen, warum ein bestimmtes Elektron gerade an dem Punkt angekommen ist, wo es angekommen ist.

Hat der quantenmechanische Zufall Auswirkungen auf unseren Alltag?

Ich brauche die Quantenmechanik zur Beschreibung sehr vieler Prozesse. Ich kann etwa den Laser im Supermarkt oder im CD-Spieler ohne Quantenphysik nicht verstehen und auch moderne Halbleiterbauelemente für den Computer nicht. Aber es fällt mir kein Beispiel ein, mit dem man den quantenmechanischen Zufall direkt im Alltag sehen könnte. Da müsste ich einmal länger drüber nachdenken.

Sie haben vor ein paar Monaten in einem Experiment mit unerwartet großen Molekülen gezeigt, dass es wohl keine prinzipielle Grenze gibt zwischen einer Welt, in der die Quantenmechanik regiert, und unserer Alltagswelt mit ihren klassischen physikalischen Gesetzen. Die Größe der Objekte zumindest scheint kein eindeutiges Kriterium für einen solchen Unterschied zu sein.

Es steht in der Tat nirgendwo in den Gleichungen, dass die Quantenmechanik bis zu einer bestimmten Grenze gültig wäre und dann nicht mehr. Auch die von ihnen erwähnten Fußballmoleküle zeigen im Doppelspalt-Experiment ein Interferenzmuster, und wir müssen jedem Molekül für sich eine Wahrscheinlichkeitswelle zuordnen.

Wenn solche Moleküle Wellen- und Teilcheneigenschaften zeigen, kann man das auch für noch größere Objekte erwarten? Vielleicht sogar für Viren?

Mit Sicherheit! Aber je größer Objekte werden, desto schwieriger wird es, ihren Quantencharakter zu zeigen. Denn je größer sie sind, desto mehr Möglichkeiten gibt es, dass sie von der Umgebung gestört werden.

Sie deuten an, dass es in der Quantenphysik sehr stark um Beziehungen geht, während man es in der klassischen Physik mit Objekten zu tun hat, die man als voneinander getrennte, separierte Teilchen behandelt. Hat die Quantenmechnik unsere Vorstellung von der Materie verändert?

Das ist eine sehr tief gehende philosophische Frage. Was sind Objekte? Wenn ich von einem Objekt wie von dieser Teetasse dort spreche, dann spreche ich von einem Objekt mit sehr vielen Eigenschaften: darüber, dass diese Tasse weiß ist, dass sie eine bestimmte Form hat, dass sie aus einem bestimmten Material ist. Worauf ich hinaus möchte ist, dass das Objekt selbst eine mentale Konstruktion ist, das durch diese Eigenschaften charakterisiert ist.

In der Quantenmechanik konstruieren wir aber auch solche Objekte.

Ja, aber die Menge der Aussagen, die ich einem Objekt zuordnen kann, wird hier immer geringer. Letzlich ist nur noch eine solche Aussage möglich, und wenn ich eine andere Frage bezüglich des Objektes stelle, dann muss die Antwort darauf zufällig sein.

Was bedeutet das für unser Verständnis von Physik?

In der klassischen Physik sprechen wir von einer Welt der Dinge, die irgendwo da draußen existieren, und wir beschreiben diese Natur. In der Quantenphysik haben wir gelernt, dass wir da sehr vorsichtig sein müssen. Die Physik ist letztlich nicht die Wissenschaft über die Natur, sondern die Wissenschaft von den Aussagen über die Natur. Die Natur selbst ist immer nur unsere geistige Konstruktion. Niels Bohr hat das einmal so gesagt: Es gibt keine Quantenwelt, es gibt nur eine abstrakte quantenmechanische Beschreibung.

Das führt in eine ganz andere Richtung, als sich die Welt aus kleinsten Elementarbausteinen zusammengesetzt zu denken, eine Vorstellung, die ja auch scheinbar nicht so erfolgreich war. Denn der Mikrokosmos ist beileibe nicht so einfach strukturiert, wie es manche Wissenschaftler zunächst geglaubt hatten.

Es ist trotzdem gut, auch in diese Richtung weiter zu schauen. Die Forschung startet ja ganz oft zunächst mit falschen Annahmen, und dann sieht man, dass es ganz anders ist, als man sich zunächst vorgestellt hat. Ich glaube aber, dass es keine letzten Urbausteine gibt. Die Welt ist kein Baukasten. Und wenn sie doch ein Baukasten sein sollte, dann sind die Bausteine, aus denen sie zusammengesetzt ist, nicht Elementarteilchen oder Felder, sondern letztlich nur logische Aussagen, die wir treffen.

Trotz alledem machen Sie mit den mikroskopisch kleinen Teilchen immer wieder fantastische Experimente. Es ist Ihrer Forschungsgruppe zum Beispiel vor nunmehr zwei Jahren erstmals mit Lichtteilchen gelungen, eine völlig identische Kopie eines Objektes an einem anderen, weit entfernten Ort zu erzeugen. Sie "beamen" das Lichtteilchen gleichsam an einen anderen Ort, ohne eine Kenntnis aller möglichen Aussagen über das Objekt zu besitzen.

Sie sprechen von den Experimenten zur Teleportation. Ja, das ist möglich. Und man kann sogar zeigen, dass die Teleportation nur dann gelingt, wenn ich keine Kenntnis dieser Aussagen besitze.

Als Einstein 1905 entdeckte, dass Licht aus einzelnen Lichtteilchen, den Quanten, zusammengesetzt ist, da hat er wohl kaum daran gedacht, dass die Technik 100 Jahre später so weit fortgeschritten sein würde, dass man derartige Experimente mit einzelnen Lichtteilchen machen kann.

Man wird diese Experimente mit Sicherheit auch in die industrielle Anwendung bringen. Das ist gar keine Frage mehr, sondern eine logische Konsequenz der Entwicklung, die wir sehen. In der Informationstechnologie werden die Komponenten immer kleiner, und ein Bit an Information wird von immer weniger und weniger Substanz getragen. Die Quantengrenze erreichen wir daher technologisch auf alle Fälle. Ob es bei den Konzepten bleiben wird, die wir heute haben, weiß ich nicht. Aber ich glaube es eigentlich nicht einmal. Es gibt zum Beispiel das Konzept des Quantencomputers, der ganz neue Aufgaben lösen, die der klassische Computer nicht lösen kann.

Er soll zum Beispiel große Zahlen in ihre Primfaktoren zerlegen können, ein Problem, auf dem die Sicherheit vieler Verschlüsselungsverfahren beruht.

Das ist aber nur die Spitze des Eisberges. Mein Gefühl ist, dass die derzeitigen Vorstellungen, die wir von Quantencomputern haben, viel zu konservativ sind. Sie beruhen auf den bekannten Computerkonzepten, bei denen ein Baustein auf den anderen folgt und ein Bit nach dem anderen bearbeitet wird. Das berücksichtigt noch nicht den ganzheitlichen Ansatz der Quantenmechanik. Da stehen uns also noch viele Überraschungen bevor.

Eine ganz andere Art der Informationsverarbeitung also?

Ich glaube, dass wir noch gar nicht wissen, was Computation wirklich sein kann. Der Quantencomputer ist nur ein kleiner Hinweis darauf, der andere ist unser Gehirn. Wenn wir unser Gehirn einmal besser verstehen, dann werden sich auch unsere Vorstellungen von Computern völlig ändern. Aber ich möchte noch einmal auf ihre Bemerkung von vorhin zurückzukommen: Ich würde viel darum geben, Einsteins Kommentar zur heutigen Situation zu hören. Denn er war einer der wenigen Leute, die durchschaut haben, dass die Quantenmechanik zu einer völlig neuen Weltsicht führen muss.

Sie haben zwar nicht mehr mit Einstein sprechen können, aber vor nicht allzu langer Zeit hat Sie der Dalai Lama in ihrem Labor besucht und sich zwei Tage lang mit Ihnen über Ihre Forschungen unterhalten.

Das war natürlich hochinteressant, weil er von Quantenmechanik überhaupt nichts wusste, und ich wusste überhaupt nichts vom Buddhismus. In dem breiteren philosophischen Umfeld gibt es da durchaus Bezüge. Wir haben in der abendländischen Kultur den ständigen Streit zwischen den beiden Extremen des Idealismus und des Realismus. Meine persönliche Meinung ist die, dass wir in der Quantenphysik lernen, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen zu gehen.

Was bedeutet das?

Das heißt, dass Realität und Information, dass die Wirklichkeit da draußen und das, was darüber gesagt werden kann, gleichberechtigt sind. Die Buddhisten des Mittleren Weges haben offenbar einen ähnlichen Weg gefunden. Da scheint es Parallelen zur Quantenmechanik zu geben, die es wert wären, genauer untersucht zu werden.

Anfang des Jahrh, erts erschien die Welt in den A

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