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Gesundheit: Der schiefe Turm der Bildung

2001 war das Jahr der Bildung. Das wissen wir aber erst seit dem Dezember, als die Pisa-Studie die Titelseiten sämtlicher Zeitungen und Magazine stürmte: Deutschlands Schüler können deutlich schlechter rechnen, lesen und naturwissenschaftlich denken als Finnen oder Koreaner.

2001 war das Jahr der Bildung. Das wissen wir aber erst seit dem Dezember, als die Pisa-Studie die Titelseiten sämtlicher Zeitungen und Magazine stürmte: Deutschlands Schüler können deutlich schlechter rechnen, lesen und naturwissenschaftlich denken als Finnen oder Koreaner. Die Studie hat die Deutschen so erschreckt wie der Sputnikschock in den fünfziger Jahren die westliche Welt. Oder wie in den sechziger Jahren Bildungsforscher Georg Picht, als er den "Bildungsnotstand" ausrief. Oder wie vor wenigen Jahren die internationale TIMMS-Studie, die bewies, dass deutsche Schüler schlecht in Mathematik sind. Oder wie unlängst Roman Herzog, als er in seiner "Ruckrede" besondere Anstrengungen für die Bildung für geboten hielt, um international mitzuhalten.

Die "Welt am Sonntag" verlangte nach dem Bekanntwerden der Pisa-Ergebnisse, "sich auf Leistungsbereitschaft und Lernfleiß zurückzubesinnen - in allen Bundesländern". Die "taz" dagegen forderte ein Ende des "Selektionswahns" und einen "Schluss mit der Bulimie, dieses Fressen und Kotzen, dieses Pseudolernen und Vergessen".

Ob nun von links oder rechts - Chancen auf Umsetzung werden in den kommenden Jahren vor allem Vorschläge haben, die nichts kosten. Zur Erinnerung: Die Finanzminister der Länder haben im Oktober "deutliche Einsparungen" in Schulen und Hochschulen angekündigt - was die Öffentlichkeit nur am Rande wahrnahm.

In Berlin wird mit dem Sparen in der Bildung schon lange ernst gemacht, und seit dem Dezember ganz besonders - zwar nicht bei den Schulen, wohl aber bei den Hochschulen. Kurz vor Weihnachten einigte sich die zukünftige Koalition aus SPD und PDS in Berlin, das Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität in ein städtisches oder privates Krankenhaus umwandeln. Diese Schließung einer Medizinfakultät wäre ein bundesweit bislang einmaliger Vorgang mit noch nicht absehbaren Folgen.

Die zahlreichen Kritiker aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik glauben nicht, dass Berlin nennenswerte Summen mit der Schließung des Klinikums gewinnen würde, verweisen aber auf die schweren Schäden, die man sich damit selbst zufügen würde: Wie will eine Stadt herausragende Wissenschaftler gewinnen, die sich in einem ihrer leistungsstärksten Forschungsbereiche selbst amputiert?

Für den Januar haben die Beschäftigten des Klinikums Proteste angekündigt - vielleicht demonstrieren dann auch die Studenten. In der Wissenschaftsszene sehen manche mit der Entscheidung den endgültigen Tod der ganzen Freien Universität eingeläutet. Schon zuvor musste sie das Virchow-Klinikum und die Zahnklinik Nord an die Humboldt-Universität abgeben.

Auch das dritte bildungspolitische Ereignis des Jahres fiel in den Dezember: Die Bundesregierung verabschiedete die größte Reform, die Deutschlands Hochschulen in den letzten dreißig Jahren erlebt hat. Professoren sollen von Januar an ein Drittel ihres Gehalts nach ihrer individuellen Leistung bekommen. Die festgesetzten Grundgehälter werden von nun an nach oben offen sein.

Der wissenschaftliche Nachwuchs soll sich in Zukunft nicht mehr über die Habilitation, sondern vor allem über die Juniorprofessur qualifizieren. Was für den Nachwuchs dabei herausspringt, wird sich zeigen: In den Bundesländern und Hochschulen wird er sich dafür engagieren, dass die Juniorprofessuren nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern auf einen Lehrstuhl führen.

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