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Gesundheit: Der Spitze so fern

Das Elite-Programm wackelt: Bund und Länder streiten ums Geld. Besonders arm dran sind Berlins Unis

Deutschland soll Elite-Universitäten bekommen – doch wann und wie? Zwischen Bund und Ländern gibt es so viel Streit, dass das ehrgeizige Projekt sogar platzen könnte, heißt es hinter den Kulissen. Vor allem geht es ums Geld. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die für die Elite-Förderung in fünf Jahren 1,25 Milliarden Euro bereitstellen will, hat immer gesagt, sie erwarte, dass die Länder genauso viel beisteuern. Doch die Länder wollen höchstens 25 Prozent dazu geben. Um das Programm zu retten, hat das Bildungsministerium seine ursprüngliche Position zwar jetzt zurückgenommen: Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen sagte dem Tagesspiegel am Mittwoch, der Bund könne sich auch damit abfinden, wenn die Länder für die Spitzenförderung jährlich knapp 30 Prozent zuschießen würden.

Doch selbst wenn die Länder sich darauf einlassen sollten, ist der Streit noch lange nicht vorüber. Bundesbildungsministerin Bulmahn will, dass aus dem Wettbewerb ganze Spitzenuniversitäten als Markenzeichen hervorgehen. Weil das Geld aber nicht für Unis in allen Bundesländern reicht, setzten die Länder schließlich einen Kompromiss durch: Neben einigen Elite-Universitäten sollen auch Elite-Netzwerke (Cluster) und Graduiertenschulen gefördert werden, so dass mehr Unis Geld bekommen.

Jetzt zeigt sich aber, dass die Länder es mit den Elite-Universitäten nicht besonders eilig haben. Sie erwarten, dass nur solche Universitäten den Elitestatus erhalten, die besonders viele Graduiertenschulen und Cluster bekommen. Das heißt, die Länder wollen, dass Elite-Universitäten erst nach einem jahrelangen Entwicklungsprozess definiert werden. Bulmahn möchte dagegen Elite-Universitäten unabhängig von der Zahl der Graduiertenschulen und Cluster benennen, „damit sie rechtzeitig vor dem Bundestagswahlkampf 2006 mit wenigstens fünf Elite-Universitäten aufwarten kann“, kritisiert ein Kenner der Szene aus einem von Sozialdemokraten regierten Land.

Auch das Auswahlverfahren ist umstritten. Die Länder möchten weitgehend auf das bewährte Prozedere der Deutschen Forschungsgemeinschaft setzen und für alle drei Bereiche, die Cluster, die Graduiertenschulen und die Unis, mit Gutachtern, Fachgutachtern und der Entscheidung durch einen Hauptausschuss arbeiten. Dabei könnten auch internationale Gutachter herangezogen werden. Bulmahn dagegen will für die Elite-Universitäten eine Extrajury vorwiegend mit auswärtigen Experten einberufen. Das würde eine Entmachtung der hiesigen Gutachter nach sich ziehen. Stattdessen würden Menschen Entscheidungen treffen, die später für den Verlauf der von ihnen bewilligten Projekte keine Verantwortung mehr übernehmen, heißt es in der Wissenschaftsszene.

Für Universitäten in armen Bundesländern wie Berlin könnte das Elite-Rennen bereits vorbei sein, bevor es begonnen hat. Denn der Wettbewerb wird nicht etwa so ablaufen wie eine Stipendienvergabe, bei der zunächst die herausragende Begabung eines Studienbewerbers festgestellt und danach alles getan wird, um ihm in seiner sozialen Notlage trotz hoher Studiengebühren das Studium zu ermöglichen. Beim Wettbewerb der deutschen Universitäten werden andere Bedingungen herrschen: Bei jedem Antrag wird sofort geprüft, ob auch das  Land eine Finanzierungszusage beigelegt hat. Wenn nicht, fällt die betreffende Universität aus dem Wettbewerb.

Kann Berlin finanziell nicht mithalten, werden seine Universitäten in die Röhre gucken, wie gut sie auch im Ranking der deutschen Hochschullandschaft sein mögen. Alles wird davon abhängen, auf welche Quote sich Bund und Länder bei der Finanzierung tatsächlich einigen. Als die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) im Winter stolz die grundsätzliche Einigung auf ein Förderprogramm bekannt gab, war von zwei extremen Finanzierungsschlüsseln die Rede, zwischen denen eine Lösung gefunden werden müsse. Der günstigste Schlüssel für die Länder lautete: 90 Prozent gibt der Bund, zehn Prozent steuern die Länder bei. Im für die Länder ungünstigsten Fall hätten sie genauso viel beitragen müssen wie der Bund. Das ist heute selbst für die finanzstärksten Länder nicht mehr möglich. Auch die Idee einer Querfinanzierung ist inzwischen vom Tisch, wie es aus gut informierten Quellen heißt. Das hätte bedeutet: Jedem Land erscheint die Eliteförderung so wichtig, dass es unabhängig davon, ob es selbst davon profitiert, seinen Beitrag im Interesse Deutschlands leistet. Angesichts der knappen Haushaltslage ist jedoch kein Land dazu bereit.

Was bedeutet das für Berlin? Rechnet man mit einer finanziellen Beteiligung der Länder von zwischen 20 und 25 Prozent, so kann man Belastungen, die auf den Berliner Haushalt ab dem Jahr 2006 zukommen, schon heute über den Daumen peilen. Angenommen, die Humboldt-Universität bekäme den Zuschlag als Eliteuniversität, dann müsste der jährliche Zuschuss des Bundes von 50 Millionen Euro durch Berlin mit 10 bis 12,5 Millionen Euro gegenfinanziert werden.

Da die Freie Universität und die Technische Universität gute Aussichten haben, mindestens mit je einem Forschungscluster ins Rennen zu gehen, würden vom Bund pro Forschungscluster jährlich 20 Millionen Euro gegeben und Berlin müsste vier bis fünf Millionen Euro beisteuern. Da zu erwarten ist, dass sich auch die Charité mit einem Cluster im Wettbewerb durchsetzt, kämen weitere Belastungen auf den Haushalt zu. Pro Jahr kosten eine Eliteuniversität und drei Cluster 22 bis 27,5 Millionen Euro. Teurer wird es, wenn noch mehr Cluster Chancen hätten und auch Anträge für Graduiertenschulen gestellt würden.

Wie wird Berlin reagieren? Dass die Eliteförderung auf Kosten der Grundausstattung der anderen Hochschulen geht, wollen alle Länder ausschließen, auch Berlin, sagt Brigitte Reich, Hochschulexpertin in der Berliner Senatsverwaltung: „Der gesamte Berliner Senat ist gefordert.“ Schließlich wolle Berlin eine Priorität für Wissenschaft setzen, und der Regierende Bürgermeister unterstütze ausdrücklich die Bewerbung von Berliner Universitäten für das Elitekonzept. Auch Wissenschaftssenator Flierl werde trotz der ablehnenden Haltung der PDS-Basis gegenüber einer Eliteförderung „keiner Universität Steine in den Weg legen“.

Wann wird alles beschlossen? Eigentlich sollte die Entscheidung der Ministerpräsidenten und des Kanzlers am 17. Juni fallen. Doch daraus wird nichts. Catenhusen rechnet trotzdem damit, dass vor der Sommerpause Klarheit herrscht.

Uwe Schlicht

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